Dem Mann im Felde

Von Robertodelapuente @adsinistram
Manche Gebräuche überdauern die Jahrzehnte, schlummern nur gelegentlich weg, erwachen später allerdings erneut. Es sind kleine, liebgewonnene Gepflogenheiten, die nicht aus Desinteresse temporär wegdösen, sondern weil sie in manchen Zeitaltern einfach nicht in die Realität passen - ihrer gedacht hat man jedoch immer, leise, sehnsuchtsvoll. Und offeriert die Wirklichkeit plötzlich ein Klima, in der die Gepflogenheit wieder Lebensrecht erhielte, so greift man erleichtert zu und belebt diese alten Sitten. Was man im alten Deutschland gerne tat, was man in diesem neuen, diesem modernen, diesem aufgeklärten Deutschland neu für sich entdeckt hat, das ist das Briefeschreiben.
Briefeschreiben! Briefe an Soldaten, Feldbriefe um ganz genau zu sein. Schreiben Sie unseren Soldaten! Schicken Sie Grüsse und Wünsche! Das ist traditionell, schon unsere Großmütter waren Grußmütter - damals noch chic in Uniform. Deutsche Mädel schrieben Briefe an den Landser im Felde - wildfremde Mädel an wildfremde Jungs. Unter dem Obdach der Nation verfiel die Fremdheit, wer für ein und dasselbe Land schafft, kann sich nicht fremd sein. Das sind die Segnungen der Einheitsfront! Heute sollen nicht nur Mädel schreiben, heute dürfen alle, geschlechtsübergreifend sozusagen - immerhin herrscht Gleichberechtigung. Jeder hat das Recht, "unseren Soldaten" in Afghanistan warme Worte zu senden; jeder darf seine Unterstützung zu Papier bringen - nur BILD-Leser sollte man vorzugsweise sein. Deutsche Mädel grüßen deutsche Soldaten!, war früher mal eine Rubrik - wir haben uns entwickelt, gehen mit der Zeit, heute dürfen auch deutsche Jungens deutsche Soldaten grüßen - auch Soldatinnen, sofern eben doch heterosexuell gesonnen.

Nation unter Waffen - so schlimm ist es derzeit noch nicht! Wir haben nur ein Paar Waffenbrüder im Einsatz; damit muß sich die Nation zufriedengeben. Es braucht keine bewaffnete Volksfront - jedenfalls keine, die mit echten Waffen hantiert. Ideologische Waffen sind da schon eher erwünscht. Waffen, wie eben jene Briefe, die den Mann - und die Frau; wir sind ja gleichberechtigt! - im Felde erreichen, die ein Band schmieden sollen zwischen Militär und Zivilist, zwischen Mordsjob und Beruf, zwischen in Kabul knallenden BILD-Lesern und in Wanne-Eickel oder Erding ansässigen BILD-Lesern. Feld und Heimat, Heimat und Feld - beides bedingt einander, die Grenzen lösen sich auf. Schreiben Sie unseren Soldaten!, heißt in verständlicherer Sprache: Reihen Sie sich in die Einheitsfront ein! Jeder tut, was er kann, was er muß, was von ihm verlangt wird - die einen schießen, die anderen loben die Schüsse über den Klee; die einen krabbeln im Dreck, die anderen suhlen sich in Dankbarkeit und machen den von der Politik eingeleiteten Kampfeinsatz zu einem wirklichen Volkseinsatz!