Meine heutige Morgennotiz
Ihr Lieben,
sehr häufig, wenn ein Sexualstraftäter, der sich an einem Kind vergangen hat, hören wir von den Tätern, dass sie eine schlimme Kindheit und Jugend gehabt hätten und dass sie selbst missbraucht worden seien und daher nun selbst zu Tätern wurden.
Bitte seid mir nicht böse, aber ich halte das für glatten Unsinn und für eine gegenüber den Opfern sehr billige Ausrede!
Wenn die Argumentation der Täter tatsächlich stimmen würde:
Missbrauchtes Kind = Missbrauchender Täter,
dann möchte ich mir gar nicht ausmalen, was aus mir missbrauchten und misshandelten Eselskind eigentlich hätte werden müssen!
Dazu möchte ich Euch einen Zeitungsbericht aus der Zeitung DIE WELT aus dem Jahr 2010 zu lesen geben, in dem man sich gerade mit diesem Thema beschäftigt hat:
„Vor einigen Jahren hat es in Deutschland eine umfangreiche Untersuchung gegeben, mit deren Hilfe man herausfinden wollte, welchen Einfluss die Umwelt auf die Persönlichkeit und die Entwicklung des Menschen hat.
Im Rahmen dieser Untersuchung wurden auch zwei Brüder
- es waren eineiige Zwillinge - befragt.
Der Vater der beiden war ein Alkoholiker.
Er hatte mehrere Straftaten begangen und saß lange Zeit im Gefängnis.
Der eine der beiden Brüder war wie sein Vater geworden.
Er hatte Alkoholprobleme, wurde straffällig und landete im Knast.
Der andere war ein erfolgreicher Geschäftsmann.
Er war verheiratet, hatte zwei Kinder und hatte es zu einigem Wohlstand gebracht.
Man stellte beiden dieselbe Frage:
"Woran liegt es, dass Sie zu dem geworden sind, was Sie sind?"
Beide antworteten darauf dasselbe:
"Was kann man anderes erwarten bei einem Vater wie dem meinem?
Ihr Lieben,
diese Aussage der beiden Brüder zeigt, worauf es wirklich ankommt.
Wir können die Täter, die uns in Kindheit und Jugend begegnet sind, nicht ändern.
Wir können nichts daran ändern, dass wir missbraucht oder misshandelt, entmutigt oder nicht geliebt wurden, daran können wir nichts ändern, denn wir waren Kinder und Jugendliche, die noch nicht das Kommando über ihr eigenes Leben übernehmen konnten.
Aber unabhängig von den Tätern und unabhängig von dem,
was uns angetan wurde, gilt:
Irgendwann werden wir erwachsen und irgendwann müssen wir bei aller schlimmen Vorgeschichte die volle Verantwortung für unser Leben übernehmen und bestimmen, wohin unser Lebensschiff steuert.
Das Beglückende an dieser eigenen Verantwortlichkeit ist, dass wir damit die Schatten der Vergangenheit zwar nicht beseitigen, aber hinter uns lassen können, dass sie keine Macht mehr über uns haben dürfen und dass wir, indem wir die Verantwortung für unser Leben übernehmen, auch allein bestimmen dürfen, wohin unser Lebensschiff steuert.
Mag unser Vergangenheit auch im Dunkeln liegen, mögen die Zeiten der Kindheit und Jugend auch eisig wie am Nordpol gewesen sein, wir haben aber die Möglichkeit, unser Lebensschiff in wärmere Gefilde zu steuern, der Sonne entgegen und Liebe, Freude und Glück in unserem Leben zu genießen.
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch heute einen beglückenden Tag und grüße Euch ganz herzlich aus Bremen mit einem Strauß bunter Herbstblätter
Euer fröhlicher Werner
Quelle: Kerstin Heringshausen