Deine Briefe lege ich unter die Matratze
Ein Briefwechsel 1971-2002
Astrid Lindgren & Sara Schwardt
Oetinger, 2015
978-3789129438
19,99 €
Astrid Lindgren ist für viele ein Begriff. Wir machten verrückte Sachen zusammen mit Pippi Langstrumpf. Wir trauerten mit den Brüdern Löwenherz und schnitzten Holzfiguren mit Michel. Für mich gehört Astrid Lindgren dazu – zu meiner Kindheit. Sie machte einen Teil des Fernsehprogramms aus, welches wir gucken durften. Sie war am Beginn meiner Leserkarriere dabei. Vor zwei Tagen hätte sie ihren 108. Geburtstag gefeiert- Zeit endlich meine Rezension zu einem Buch zu schreiben, das mich wirklich berührt hat und das ich noch im Gehen gelesen habe.
Sara Schwardt ist ein kleines, unsicheres Mädchen als sie beginnt Astrid Lindgren zu schreiben. Ihr Brief ist zornig und verzweifelt. Sie will unbedingt Schauspielerin werden, beschwert sich bei Frau Lindgren und vertraut nicht darauf, dass sie eine Antwort bekommt. Aber irgendetwas ist da, in diesem Brief, sodass Frau Lindgren ihn beantwortet – und das anders, als all die andere Fanpost. Sie versucht dem Mädchen Mut zuzusprechen, versucht sie aufzubauen und zu ermutigen. Astrid Lindgren bemerkt eine Wut an dem Kind, aber auch Sprachgewalt für ihr junges Alter, die bemerkenswert ist. Aus diesen zwei ersten Briefen erstreckt sich eine Freundschaft über viele Jahre.
Am Anfang hatte ich Probleme mit Sara. Sie ist wirklich noch sehr jung, jähzornig, bockig und ein “Spring-ins-Feld”. Sie hat keine Freunde, sagt sie. Sie ist nicht hübsch, sagt sie. Aber immer ist da Astrid, die ihr versucht zu sagen: Es wird alles gut und es ist besser als du denkst. Die Briefe kommen nicht regelmäßig, sodass das Sara allerhand erlebt und der Leser alles erst im nächsten Brief erzählt bekommt. Manchmal reimt man sich auch etwas zusammen, das zwischen den Zeilen steht.
Das schöne an dem Briefwechsel ist, dass eine wirkliche Verbindung spürbar ist. Das sind nicht nur Fanbriefe oder Antworten, die lieblos herunter geschrieben sind. Sogar als es Frau Lindgren schon schlechter geht, antwortet sie soviel sie kann. Alle Höhen und Tiefen, alle Beweggründe von Sara sind spürbar und nahezu greifbar. Das dünne Band der Freundschaft zwischen einem jungen Mädchen und einer “alten” Frau zerreißt erst sehr spät und auch dann tut es noch weh.
Ich habe mit Sara gezweifelt, ich habe mit Astrid geantwortet. Es ist kein Einblick in Frau Lindgrens Leben und wer erwartet mehr von ihr zu erfahren, ist beim falschen Buch gelandet. Was man spürt ist Frau Lindgrens Gefühl, ihr Herz und ihr Denken. Hier erfährt keiner, warum sie Madita geschrieben hat, es erfährt keiner, wie viele Kinder sie hat. Aber der Leser kann spüren, wie der Mensch und das Herz der Frau schlagen, die mich durch meine Kindheit begleitet hat.
Die Fotos bieten einen zusätzlichen Einblick und das Nachwort von Sara Schwardt macht noch einmal nachdenklich und traurig. Es ist ein wunderbares Buch, das frühere Lindgren Fans lesen können und auch jetzige.