Deftiges zu Geisterstunde
Wenn Harald Schmidt giggelt, dann ist der einzige echte Late-Night-Talker selber gut unterhalten. Gut unterhalten von spontanen Gags, die ihm nicht von professionellen Autoren geschrieben und auf großen Spickzetteln verabreicht werden. Gemeinsam mit Olli Dietrich war es am vergangenen Dienstag wieder soweit: Man meinte, das Kind im Schwaben-Lulatsch lachen zu hören. Die beiden warfen sich die Bälle so infantil zu, dass man fast Angst haben musste, dass sie gar nicht mehr aufhören mit dem Lachen und Giggeln.
Allein, es gibt einen ganz großen Makel an der abendlichen Zusammenkunft bei Sat.1: Kaum jemand mag sich derzeit für Schmidts Darbietungen erwärmen. Die Quote ist mau, und manchmal scheint es, als wolle Schmidt testen, wie schnell er seine Zuschauer vergraulen kann, um sie dann triumphal wieder zurückgewinnen zu wollen. Sei es mit gepflegter Studiopublikumsbeschimpfung oder mit einem mehrminütigen französischen Lied – Schmidt ist noch dabei, auszuloten, wie viele Schmerzen er verursachen kann. Und ob er wirklich alle Freiheiten geniesst, die ihn vor einer missglückten Stippvisite im Ersten zu Geniestreichen inspirierte.
Die Zuschauer wenden sich derweil überall hin, nur nicht zu Schmidts Geisterstunde. In der vergangenen Woche reichte es mit der Dienstagssendung gerade mal für 510.000 Zuschauer, vorgestern schauten 600.000 Menschen zu, mit weniger als fünf Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum ist das fast furchterregende Desaster derzeit zahlenmäßig gut belegt. Definitiv vorbei sind die Zeiten, in denen Dirty Harry Anfang der Nullerjahre vier Mal wöchentlich deutlich über eine Million Menschen unterhielt oder zumindest nicht einschlafen ließ.
Die Gäste top, die Quote flop
Eigentlich war der Boden für eine triumphale Rückkehr bereitet. Gleich zwei Werbepartner präsentieren die Show, für ein solches Abenteuer ein regelrechter Coup der hauseigenen Vermarkter. Und die hochkarätigen Gäste stehen bei nur zwei Shows pro Woche eher Schlange, als dass sie von Praktikantenkolonnen ins Kölner Studio gezerrt werden müssen. Ein Auszug aus der Gästeliste der ersten vier Wochen: Hape Kerkeling, Herbert Grönemeyer, Jürgen von der Lippe und gleich zwei Mal Olli Dittrich. Der Boden ist bereitet, allein Schmidt scheut sich offenbar, alles abzurufen, wie man so schön im Fußballer-Interviewdeutsch zu sagen pflegt.
Dabei überschlug sich die Journaille bei seinem Amtsantritt regelrecht. Die Schnellschreiber des Mediendienstes DWDL schafften es, noch vor Ausstrahlung der ersten Sendung die erste Rezension zu veröffentlichen. Wenn hyperventilierende Journalisten Energie erzeugen würden, Harald Schmidt könnte den Atomausstieg wohl gemeinsam mit Günther Jauch im Duett über die Bühne bringen.
Zwei von bislang zehn Shows waren in die quotenträchtige Champions-League-Berichterstattung bei Sat.1 regelrecht eingebettet. Wer alle Tore der deutschen Mannschaften sehen wollte, musste quasi bei Schmidt ausharren. Vor zwei Wochen musste der als Studiogast angereiste Ex-Profi Lars Ricken mit drei seiner Kumpels für die thematische Überleitung zwischen Abendfußball und Late-Night herhalten. Mit jugendlichem Eifer zerdepperten sie eine extra dafür aufgebaute Hausfassade samt Dekoration. Schmidt freute das zerstörerische Spiel sichtlich, allein die Quote blieb trotz der Brücken im Programm überschaubar.
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Harald Schmidt – Deftiges zu Geisterstunde
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