Debatte zum Grundeinkommen im Nationalrat

Von Walter

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Am 23. September wurde im Nationalrat eine hitzige Debatte zur Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen geführt. Am Schluss empfahl der Rat den Schweizer StimmbürgerInnen mit deutlichem Mehr, die Initiative abzulehnen (14 Ja- zu 146 Nein-Stimmen, 12 Enthaltungen). Dies war zu erwarten. Trotzdem darf die Debatte als äusserst fruchtbar bezeichnet werden. Die Initiative entfaltet ihre Wirkung.

Es gab Gegner, welche die Initiative als eine der gefährlichsten erachteten, die je eingereicht worden waren. So Sebastian Frehner, SVP, für den die Annahme der Initiative das Ende der heutigen Schweiz bedeuten würde. Andere fühlten sich durch die Initiative geradezu belästigt, etwa Nationalrat Andrea Caroni. Mit einem eindrücklichen Votum hielt Andreas Gross, SP, entgegen:

"Eine Volksinitiative ist immer eine Frage von wenigen an alle, an die ganze Gesellschaft. Wenn 100'000 Leute eine Initiative unterschrieben haben, haben sie das Recht, dass wir uns anständig mit ihnen auseinandersetzen und die gestellte Frage beantworten - nicht für alle, sondern nur für uns; denn wir geben den Stimmberechtigten ja nur eine Empfehlung ab und entscheiden nicht abschliessend. Zu dieser anständigen Auseinandersetzung gehört, dass man sich in den Andersdenkenden hineinversetzt und davon ausgeht, dass sein Vorschlag auch eine Logik hat. Es ist eigentlich das Gegenteil von verantwortungsvoll, Herr Caroni, wenn man dem anderen einfach unterstellt, er sei "gesinnungslos". Der Andere ist genau so voller Gesinnung und genauso fähig zum Denken, wie wir das für uns in Anspruch nehmen. Es ist völlig illiberal, dem anderen nicht zuzugestehen, was man selber für sich in Anspruch nimmt.

Es ist eine Utopie, was uns hier vorgeschlagen wird. Eine Utopie ist aber keine Illusion und kein Hirngespinst. Ich habe angesichts unserer Diskussion den Eindruck, dass wir eigentlich total überfordert sind, dass wir sogar so geworden sind, dass wir mit Utopien total überfordert sind. [...]

Das ist eben die ganz andere Vorstellung von Gesellschaft. Nicht Leistung soll die Gesellschaft prägen, nicht Konkurrenz Mensch gegen Mensch, nicht ein Arbeitsmarkt, auf dem man kämpfen muss, sondern ein Verhältnis von Respekt, indem dem anderen das garantiert wird, was man für sich selber auch als Mensch möchte. In dem Sinne, Herr Graber, ist es das Gegenteil von Irrsinn oder einer unethischen Haltung. Es ist eigentlich viel mehr an Ethik, an Gesinnung und an Gemeinsinn als das, was Sie sich vorstellen können. Es ist eine ganz andere Gesellschaftsstruktur, indem man auch von der Arbeit lebt - ich komme gleich darauf zurück -, weil sie die Arbeit vom Zwang befreit. Das ist das Entscheidende. Niemand muss mehr Angst um seine Existenz haben. Weil diese garantiert ist, kann man ganz anders arbeiten, viel freier, losgelöster. Vor allem, das ist das Entscheidende, führt das zu einer Machtverlagerung vom Kapital zur Arbeit in dem Sinne, dass der Arbeitende eben auswählen kann. Er ist nicht mehr gezwungen, alles zu tun, auch das, was keinen Sinn macht. In diesem Sinne wird zum Beispiel die Rationalisierung vorangehen. Die Arbeit, die keinen Sinn macht, wird nicht mehr notwendig sein. Es ist nicht mehr das Kapital, das über Rendite oder Ähnliches entscheidet, sondern jeder Mensch hat hier ein Stück mehr Freiheit, selber zu entscheiden. In dem Sinne ist es ein revolutionärer Vorschlag, der die Grundlage der Gesellschaft total ändert. [...]

Es gibt sogar die Thesen, dass so viel gearbeitet wird, dass man gar nicht mehr zum Denken kommt und gar nicht mehr über das nachdenkt, wofür man gearbeitet hat, und dass die Arbeitsgesellschaft viel mehr Menschen kaputtmacht - auch mit riesigen Schäden -, als sich diejenigen, die sie vorhin so gepriesen haben, bewusst sind.
Ich möchte aber, wenn ich schon die Gelegenheit dazu habe, noch betonen: Das wichtigste Argument für mich ist, dass die Initiative eine Demokratisierung der Demokratie bedeutet. Denn die Chancengleichheit wird wesentlich erhöht, wenn die Menschen nicht mehr Angst haben und eben auch Zeit bekommen, sich um die allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Gestaltungsfragen zu kümmern. [...]"

Ein gutes Dossier zur Debatte ist beim Tages-Anzeiger erschienen.