Deathgasm
6Horror-KomödieSpätestens seit Lordi fällt wohl kaum jemand mehr in Ohnmacht beim Gedanken an Metalmusik und ihre vermeintliche Nähe zu Satansanbetung, Kinderverzehr und ähnlichem. Ein böser Fehler, wie die neuseeländische Splatterkomödie Deathgasm anschaulich illustriert, denn sind die dunklen Mächte, die sich hinter dem abgründigen Gegröle und Instrumentenverdreschen möglicherweise verbergen, erst entfesselt, ist wahrlich der Teufel los.
Den Fauxpas der Dämonenentfesselung begehen Brodie (Milo Cawthorne) und seine Kumpels, allesamt leidenschaftliche Metalheads, die in der biederen Kleinstadt von ihren Mitschülern bestenfalls ignoriert, schlimmstenfalls drangsaliert werden und Flucht vor dem tristen Alltag in der Musik und ihrer Band mit dem bezeichnenden Namen DEATHGASM suchen. Als ihnen Notenblätter in die Hände fallen, die die Macht haben sollen, einen finsteren Dämon zu beschwören, zögern sie nicht lange, das sinistere Liedgut anzustimmen, winkt die Prophezeiung doch mit allerlei Allmacht. Als sich nach und nach die spießbürgerlichen Nachbarn in mordlustige Ausgeburten der Hölle verwandeln, wird aber klar, dass der Schuss ordentlich nach hinten losgegangen ist und die Jungs nebst Mädel haben alle Hände voll zu tun, die Misere heil zu überstehen.
Ganz im Geiste der Umkehrung dessen, was gemeinhin heilig ist, wird sodann der Höllenbrut effektvoll der Garaus gemacht, wobei im Kampf gegen das Böse immer wieder auch die ganz alltäglichen, nicht dämonisch bedingten, Abgründe hinter der Fassade gutbürgerlicher Sittsamkeit durchblitzen. Bald wird bei Deathgasm ohnehin klar: wenn etwas nicht angezweifelt werden muss, dann ist es die moralische Zweifelhaftigkeit. Spätestens als der Schulhofschläger, obwohl nicht besessen, kurzerhand niedergemetzelt und vom gepeinigten Protagonisten ohne Umschweife als Kollateralschaden verbucht wird, ist festzustellen: hier wird nicht der Kategorische Imperativ zur Anwendung gebracht, sondern das altbewährte „Auge um Auge“-Prinzip, gewürzt mit einer guten Prise Chaostheorie. Der respektlose Humor und seine brachiale Ausführung sprechen für den Film, ebenso wie seine hohen Schauwerte.
Deathgasm kennt im Blut und Beuschel-Themenbereich nämlich keinerlei Zurückhaltung und ist damit in erster Linie ein Fest für ausgewiesene Gorehounds. Diese werden sich auch am meisten über die zahlreichen Genreverweise freuen und Anleihen an neuseeländische Genreklassiker wie Peter Jacksons Bad Taste und Braindead oder auch Sam Raimis Evil Dead-Trilogie entdecken. Besonders zu letztgenannter Filmreihe sind viele Parallelen zu bemerken, vorrangig was die Ausgestaltung der von Dämonen besessenen Kleinstadtbevölkerung angeht – das Reizwort „Deadite“ sei hier für Kenner_innen in den Raum geworfen.
Sehr viel mehr als eine liebevolle Hommage an die Ikonen der Splatterkomödie ist aus Deathgasm letzten Endes aber dann auch nicht herauszukondensieren. Es fehlt dem Film nämlich eindeutig an Eigenständigkeit, was sich vor allem am viel zu oft schon aufgewärmten Storygerüst nebst prototypischer Figurenkonstellation festmachen lässt. Die Austauschbarkeit von Handlung und Charakteren wird besonders im direkten Vergleich mit der Zombie-Komödie Scouts vs. Zombies – Handbuch zur Zombie-Apokalypse offensichtlich, die sich auf recht ähnliche Art und Weise dem Stereotyp des zur Heldenhaftigkeit erwachsenden Außenseiters und beinahe identischen Handlungsmustern bedient. Was den Mut zur geschmacklichen Grenzüberschreitung angeht, ist Deathgasm allerdings ein paar Stiefellängen vorne – hier wird mit einem kreativen Utensilienarsenal wesentlich kompromissloser gemetzelt und mit Körperteilen um sich geworfen, als in der demgegenüber regelrecht zahm wirkenden Untoten-Apokalypse. Und auch die Protagonisten bekommen in der neuseeländischen Blutoper einen deutlich dunkleren Anstrich – im übertragenen wie im wörtlichen Sinn –, dürfen aber trotzdem am Ende die Welt retten, obwohl (oder wahrscheinlich gerade weil) sie nie als kreuzbrave Musterschüler durchgehen.
Der Film erfindet also weder die Räderung neu, noch schafft er es letztendlich, seine anarchischen Ansprüche auch wirklich konsequent durchzusetzen. Trotzdem bietet er solide Unterhaltung der abwegigen, bluttriefenden Art und ist in seiner Selbstironie und dem zärtlichen, oft auch schmunzelnden, Blick auf alle Arten von implizitem und explizitem Nonkonformismus grundsympathisch.
Regie und Drehbuch: Jason Lei Howden, Darsteller: Milo Cawthorne, James Blake, Kimberley Crossman, Sam Berkley, Daniel Cresswell, Filmlänge: 86 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 04.02.2016, deathgasmthemovie.com
Autor
Karin GaschAufgabenbereich selbst definiert als: Zwielichtaufsuchende mit Twilight-Phobie. Findet "Ours is a culture and a time immensely rich in trash as it is in treasures" (Ray Bradbury) zeitlos zutreffend.
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