Dear Me – Briefe an mein jüngeres Ich

Anna hat auf ihrem Blog an der Dear Me Kampagne teilgenommen und ich fand das so inspirierend, dass ich mich da gerne anschließen möchte.

Hier also meine Briefe an mein jüngeres Ich:

Dear me 1985,

Du bist jetzt acht Jahre alt und ich möchte Dir ein bisschen etwas schreiben.

Keine Sorge, die Schule wird nicht immer so furchtbar sein. Du wirst später einmal erleben, dass jenes Triezen und Verprügeln einen Namen bekommt. Es heißt dann Mobbing – dann erst wird man begreifen, wie scheußlich das ist, was Dir da gerade passiert. Du wirst das aber alles durchstehen, weil Du unglaublich stark bist. Es wäre so schön, wenn Du den Mut hättest, einfach mal deutlich “Nein!” zu sagen. Aber ich weiß, dass man Dir dieses Wort abtrainiert hat.

Die Schule kommt Dir langweilig vor – schalte aber nicht ab, sondern lasse Dich darauf ein, soweit es geht. Sonst macht es irgendwann überhaupt keinen Spaß mehr. Und dann könntest Du noch unzufriedener sein.

Du fühlst Dich unverstanden, ich weiß. Da werden aber Menschen sein, die sich ähnlich fühlen und mit ihnen wirst Du die wunderbarsten Freundschaften haben. Ihr werdet noch Freunde sein, wenn Du längst selber Kinder hast.

Wenn Du Dich klein, andersartig und wertlos fühlst, dann liegt das nicht an Dir. Es liegt an der Art, wie deine Eltern mit Dir sprechen und umgehen. Du hast wenig Vertrauen in andere Menschen. Das ist ganz traurig. Es kommt daher, dass Du Dinge erlebt hast, die man einfach nicht erleben sollte. Und es ist schlimm für Dich, dennoch die zu lieben, die böse zu Dir waren. Dafür darfst Du Dich nicht schlecht fühlen. Du hast eine Menge verloren, ich weiß. Du bist so selten albern oder vergisst die Welt um Dich herum, so wie andere Kinder. Schade ist, dass nach außen alles so normal wirkt, dass Du Dir manchmal selber nicht glaubst, wie komisch Du Dich innerlich fühlst. Genieße einfach das Schöne trotz allem, denn es wird Dir gute Erinnerungen schenken.

Du hast tolle Fähigkeiten. Du kannst ganz schnell viele Dinge verstehen. Deine Gehirnleitungen sind gut geölt. Das brauchst Du auch so, weil Du ganz viel in Deinen Gedanken unterwegs bist. Dein Gehirn ist Dein kleiner, geheimer ausgebauter Speicher, auf dem Du stundenlang spielst, nicht wahr? Auch Deine riesige Phantasie ist toll. Sie tut Dir ebenfalls gut. Beide zusammen lassen Dich die tollsten Geschichten erleben und die Menschen um Dich herum mehr und mehr verstehen.

Wenn Du manchmal glaubst, mit Dir würde etwas nicht stimmen und Du gehörtest nicht in deine Familie, dann erinnere Dich daran, wie wunderbar bist und was für ebenfalls wunderbare Freunde Du hast.

Saskia auf Teufel

Dear me 1993,

jetzt bist Du 16 und zuhause ist es sehr wechselhaft, was Dich unter andauernde Anspannung versetzt. Du fühlst Dich seltsam und wie ein Alien. So, als würdest Du nicht dazugehören. Eines Tages wirst Du erkennen, dass es nicht so wichtig ist, ein Teil der Masse zu sein. Eines Tages wirst Du Dich so lieben können wie Du bist. Langsam siehst Du Dich nicht mehr als das hässliche Entlein, dessen Geschichte Dein Vater Dir früher am Bett erzählen sollte. Du siehst langsam, dass Dein Federkleid sich verändert und Dein Hals länger wird.

Wenn Du Dich gerade nicht leiden kannst, denke daran, dass Du klug, witzig und liebenswert bist, auch wenn man Dir ein anderes Gefühl gibt.

Das Leben endet nicht zuhause. Es beginnt nur dort.

In vier Jahren wirst Du in einer eignen Wohnung wohnen. Dort bist Du dann stolz und zufrieden. Du wirst all die Privatsphäre haben, die Du so sehr vermisst, wenn Du Dich unter dauernder Beobachtung fühlst. Hab keine Angst! Sei ruhig mutig und trau Dir etwas zu. Wenn es Dir möglich ist, versuche all die “Das schaffst du eh nicht-Kommentare” Deiner Eltern zu überhören. Wenn Dir Deine Mutter etwas darüber erzählt, wie das Leben für Dich als Erwachsene sein soll und wird, dann halte Dir nur ja feste die Ohren zu! Zieh Dir davon nichts rein, das ist alles Blödsinn. Und wenn Du es schaffst, setzte Dich in einigen Jahren über ihre Worte und ihre Gegenwehr hinweg und geh studieren! Du kannst ihre Entmutigungen vergessen, die erzählen sie doch nur, weil sie sich schlecht fühlen würden, wenn Du als Erste der Familie studierst. Sonst musst Du das nachholen, wenn Du schon längst Kinder hast, was ungleich nerviger werden wird …

Saskia auf Suleika 1993

Dear me 2003,

ja, Du weißt es, nicht wahr? Du weißt, dass Du den Mann für’s Leben getroffen hast, oder? Gut, dass Du Ja gesagt hast. Wie schön, dass Ihr Eure Tochter so liebt und wie hinreißend zu sehen, wie sehr er in sie vernarrt ist, hm?

Du denkst, nun wird sich Dein ganzes Leben ändern  – und genau das ist wahr. Und es wird sich so viel mehr ändern, als Du gerade ahnst. Nun fasst Du langsam Vertrauen und das ist gut so. Du brauchst nicht misstrauisch zu sein. Liebe bedeutet längst nicht immer Verletzung, Selbstverzicht und Einschränkung. Das hast Du nur von klein auf so gelernt. Sei weiterhin mutig, besiege deine Ängste. Großartig, dass Du auf deine Intuition hörst – diese Fähigkeit wirst Du noch immer weiter entfalten und es wird Momente geben, die weit intensiver sind als dass man sie nur auf Intuition zurückführen könnte.

Auf in ein neues Leben, mit so vielem, das Du Dir schon immer gewünscht hast!

Hochzeit

Dear me 2005,

nun hast Du zwei so kleine Kinder gleichzeitig und meisterst das großartig! All die Selbstzweifel, die Du Dir da von außen durch Deine Schwiegerfamilie herantragen lässt, sind Bullshit. Du bist weder zu faul, noch eine schlechte Mutter, noch taktlos, noch nicht schön genug für ihren Goldjungen. Sei nicht wütend, wenn er es nicht schafft, Dich zu verteidigen. Er ist selbst schockiert davon, dass diejenigen, von denen er sich einst geliebt fühlte, nun seine Verletzungen ignorieren und die Person attackieren, die er so sehr liebt. Was soll er tun, während er wie erstarrt zwischen zwei Fronten steht?

Das alles wird Euch zusammenschweißen, aber auch Konflikte schüren.

Höre nicht auf die Stimme, die Dir sagt, er würde heimlich wie sie denken. Höre nicht auf die Stimme, die Dir sagen will, dass Du alles ertragen musst, weil es sich so gut anfühlt, etwas in der Art von einer Familie dadurch zu gewinnen. Ein Gewinn wäre ein Geschenk – für das hier aber musst Du einen hohen Preis zahlen. Du bist schon ganz verdreht und verstellt. Und versteckst Dein wahres Ich sowie auch deine Gefühle.

Es wäre so schön, wenn Du einfach genießen könntest, was Du hast: Einen Dich liebenden Mann und zwei supersüße Kinder, denen Du Dich sehr verbunden fühlst. Du hast so wunderbare Freunde und interessante Begegnungen! Dein Leben ist voller Kreativität und Optimismus! Wie gut, dass Du Dich zu diesen Elementen hinwendest und nicht verzweifelst. Ich weiß, Du würdest gern weit weg ziehen, aber das wird die Probleme nicht lösen, denn die nimmt man immer mit.

Meine Güte, Du bist so jung und schon wieder oder noch immer mit so viel Anstrengendem konfrontiert, anstatt das Leben einfach genießen zu können! Wie großartig, dass Du diesem Gedanken trotzt und voller Elan bist!

Ohne Titel

Dear me 2008,

ein Supergau, oder? Da liegt Dein großer, baumstarker Mann in einem Bett der Intensivstation und kann sich nicht mehr bewegen. Neben Dir sitzt Eure Jüngste, oben spielen die beiden Größeren. Die Kleine ist Eineinhalb, die anderen Vier und Fünfeinhalb.

Ein Albtraum ist es, ihn leiden zu sehen. Eine Wohltat ist es, aktiv sein und ihm helfen zu können. Wow, Du machst das alles so gut und siehst es mal wieder nicht!

Du hast mal wieder Selbstzweifel. Kein Wunder, denn da sind wieder die Stimmen derer, die Dich so gern kritisieren. Höre nicht auf sie. Du bist gut so, wie Du eben bist. Sie sehen ohnehin nur das in Dir, was sie gerne sehen wollen. Das sind die Spiegel deiner Selbstzweifel – das weißt Du im Grunde auch. Halte durch, denn all das wird zu einem sehr guten Augenblick führen. Es werden Zeiten kommen, in denen Du das Gefühl von Familie haben wirst. In denen man Dich respektieren und um Verzeihung für das letzte Jahrzehnt bitten wird.

Dein Mann wird wieder gesund, auch wenn es gerade nicht danach aussieht und Du vor Wochen noch gefürchtet hast, dass er stirbt. Wieder ist Deine Intuition, diese Verbundenheit mit der Welt, ein großartiger Helfer. Lass Dich leiten und wachse. Du spürst ja, wie sehr Du an all dem wachsen wirst. Lass es ruhig weiterhin zu. Keine Angst vor der Zukunft, auch wenn sie gerade noch so ungewiss aussieht. Höre weiterhin auf Dein Bauchgefühl, das wird Euch allen gut tun.

Familienfoto 2008

Dear me 2011,

es tut mir sehr leid, dass die schöne Zeit mit dem neuen Familiengefühl so kurz war. Es tut mir so leid, dass Du Deine Mutter und auch die Mutter Deines Mannes verloren hast. Wie schlimm es war, die eine in Wirklichkeit und die andere im Geiste und im Herzen zu Grabe zu tragen! Nun hast Du Zeit zu heilen.

Du siehst jetzt, wie viel Schönes und Tiefes Dein Leben hat. Du hast gesehen, dass Du auch in einem Job selbstbewusst vorwärts kommen kannst. Du hast zugleich drei wunderbare Töchter und einen gesunden Mann. Du hast nun sehr viel Angst, aber diese wird Dich zu Dir selbst leiten. Sie täuscht nur vor und lenkt ab. Sie ist ein Stellvertretergefühl. Immer wieder entscheidest Du Dich dafür, lieber Angst zu empfinden als das zu spüren, was an Gefühlen wirklich da ist. Doch das wirst Du bearbeiten. Und Du wirst erkennen, dass es diese Ängste sind, die zwischen Dir selbst und der Freiheit stehen. Genau das ist ihr Daseinszweck.

Ja, das Leben ist anstrengend, aber auch tief und rein. Und voller Wahrhaftigkeit. Du hast gefunden, was Du brauchst und das wirst Du auch weiterhin können.

Taufe

Wow – das war eine spannende Reise. Das könnt’ ich glatt zur Nachahmung empfehlen. das kann man wohl natürlich auch ohne die Fotos machen. Eigentlich ist es ja eine Kampagne zum Weltfrauentag, aber ich finde, das könnte ebenso gut von Männern geschrieben werden. Mal sehen, ob ich den meinen dazu inspirieren kann ;-)



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