De Maiziere: “Wehrdienst macht männlicher!” – Deutsch-Österreichische Betrachtungen anläßlich des Weltfrauentags

Von Politropolis @sattler59

De Maiziere: Wehrdienst macht männlicher
von Alexandra Bader, Wien

Deutschland hat die Wehrpflicht ausgesetzt, was in der Praxis immer wieder kritisiert wird. Auch Verteidigungsminister Thomas de Maiziere ist mit der Situation nicht zufrieden und wirbt mit etwas eigenartiger Argumentation für mehr (nun freiwillige) Rekruten.Wehrdienst mache Jungen männlicher, behauptet er, und erklärt: “Damit meine ich das Verhalten, die Stimme, den Oberkörper, die Haltung.” Es ist zwar “nicht immer, nicht überall” zu beobachten, aber doch “ganz viel”. Damit will er Frauen keineswegs die Eignung für den Militärdienst absprechen, im Gegenteil: “Die jungen Frauen sind klasse, fachlich oft besser und körperlich voll einsatzfähig. Auch in die höheren Dienstgrade wachsen sie jetzt schnell hinein.”

Ein Problem sind eher die Eltern, die einem möglichen Einsatz ihrer Kinder in Afghanistan sehr kritisch gegenüberstehen. De Maiziere meint, dass sich die Söhne (und Töchter, denn die Bundeswehr weist einen Frauenanteil von 10% auf) an diese Art Dienst durchaus gewöhnen. Freilich verweisen Soldaten darauf, dass der Nachwuchs mit Vorstellungen aus Videospielen und Actionfilmen zur Bundeswehr kommt, diese selbst auch mit Abenteuercamps und Sportaktionen bei gesponserten Stadtfesten den Charakter der erwarteten Einsätze verzerrt darstellt. Es ist etwas ganz anderes, in der Realität unter Beschuss zu stehen, andere neben sich zusammenbrechen zu sehen.

Kampfeinsätze bedeuten, Tod, Verstümmelung, Traumatisierung in Kauf zu nehmen, auch das Zerstören von Familien, wie bei einer Enquete der (österreichischen) Bundesheergewerkschaft auch deutlich gemacht wurde. Die Frage einer radikalen Umorientierung des Bundesheers nach Vorbild der Bundeswehr war der eigentliche Hintergrund der Volksbefragung über die Wehrpflicht. Daher musste man den bisherigen Peacekeeping-Auslandseinsätzen, an denen Berufs- und Milizsoldaten laut Entsendegesetz freiwillig teilnehmen, die Pläne der “Profiheer”-Fraktion gegenüberstellen.

Diese redete Friedensmissionen als angeblich “anspruchslos” und “ungefährlich” schlecht (was in der Diktion an eine Depesche aus der Wiener US-Botschaft erinnerte, in der Minister Darabos für die Weigerung kritisiert wurde, Soldaten nach Afghanistan zu schicken) und bezeichnete das Entsendegesetz als “Hindernis”. Klar, man(n) möchte Soldaten einfach ins Ausland versetzen können, die zudem festen Truppenkörpern angehören, während diese jetzt immer wieder neu zusammengestellt werden. Erstaunlicherweise haben sich einige prominente Frauen dafür einspannen lassen, für dieses Vorhaben zu werben – offenbar haben sie nicht weiter gedacht als “eine Frau und Mutter muss Buben doch den Wehrdienst ersparen”.

De Maizieres Aussagen werden auf diestandard.at belächelt, entsprechen aber Medienkommentaren dieser Tage zum Wechsel im BMLVS. Man/frau muss nur weiterklicken von diestandard zum “Herrenstandard”, um zu lesen: “Im Gegensatz zu Norbert Darabos [Anm.: ehem. Verteidigungsminister in Österreich] hat (Gerald) Klug einst beim Bundesheer gedient, und auch heute noch kann man ihn sich gut im Kreis von Soldaten vorstellen. Zäh und zielstrebig wirkt er bei seinem Premierenauftritt im Kanzleramt an der Seite von Hausherr Werner Faymann und Noch-Minister Darabos, die ergrauten Haarstoppel machen ihn älter als seine 44 Jahre.”


Transparent mit bewaffneter Piratin, Frauentagsdemo in Wien

Oder in den Oberösterreichischen Nachrichten: “Schneidig forsch, mit entschlossenem Gesichtsausdruck, viel eher also militärischen Attributen als Vorgänger Norbert Darabos entsprechend, betrat Gerald Klug am Mittwoch im Kanzleramt die große politische Bühne.” Darabos wird auch gerne mit “noch jugendlichem Aussehen” in Verbindung gebracht – etwas, das bei einer Politikerin wohl positiv vermerkt würde, ergo in jene Kategorie der Äußerlichkeiten gehört, die sonst bei Frauen kommentiert wird.

Auf seinem Aussehen und dem einst geleisteten Zivildienst baute die Presse von Anfang an das Bild auf, dass Norbert Darabos als Person nicht als Verteidigungsminister geeignet sein soll. Dazu trägt das Selbstverständnis der Journalisten wesentlich bei, die über Militärthemen berichten. Denn sie haben einst Präsenzdienst geleistet, gehören oft auch der Miliz an und sehen es wie Conrad Seidl vom Standard, der bei einer Tagung der Offiziersgesellschaft meinte, “nur der Dienst an der Waffe macht aus uns Männer”.

Mit diesem Brett vor dem Kopf waren sie unfähig, eins und eins zusammenzuzählen angesichts der vielen Berichte über Erfahrungen mit dem Kabinett im Ministerium. Denn alle sprachen davon, dass Kabinettschef Kammerhofer den Minister abschottet, vollkommen abblockt, wenn man einen Termin will – auch dann, wenn es jemandem gelang, dies mit Darabos persönlich zu vereinbaren -, dass er ihn unter Druck setzt und überwacht.

Wenn man(n) sich an überkommende Rollenvorstellungen klammert, gilt natürlich nicht, was real ist, sondern was man(n) sich um jeden Preis vormachen muss: “der *Zivi* sieht nicht nach Soldat aus”, ergo liegt alles an ihm. Oder ist die “Mannwerdung” der werten “Kollegen” doch schon so lange her, dass sie sich nicht mehr im Handeln, “in Verhalten und Haltung” (c Maiziere) auswirkt? Auch ohne “Dienst an der Waffe” war ich “Manns genug” bzw. “Frau genug”, die Zustände beharrlich zu thematisieren.

Dabei hätten natürlich sowohl Bundesregierung als auch SPÖ längst eingreifen müssen, diese Situation gar nicht erst zulassen dürfen. Es war ein Anrennen und Anschreiben gegen Mauern, zumal Kammerhofer auch bekanntermassen brutal gegen alle vorgeht, die sich ihm in den Weg stellen. Letztlich haben Militärs da mehr Courage gezeigt als etwa rote Parteigänger – die Spitze der SPÖ hat lange zugesehen, ohne mit der Wimper zu zucken, um nun, ganz plötzlich, zu entdecken, wie ungeheuer toll sich Norbert Darabos doch als Wahlkampfmanager eignet.

Parteistrukturen können ein härteres Umfeld sein als militärische Ausbildung, weil diese offenbar den einen oder anderen doch dazu ermutigt und befähigt, sich selbst eine Meinung zu bilden, sich auf verfassungsmässige Grundlagen zu beziehen und Unrecht Widerstand zu leisten. Kammerhofer hatte entschiedene Gegner – alle mit irgendeiner Art von Bezug zum Bundesheer.

Was De Maiziere vielleicht nicht meint, die Herren “Kollegen” aber mit ihrem Agieren ausdrücken, ist ein Verwechseln von “Männlichkeit” mit “Maskulinismus”. Dieser ist nur eine Maske, ein Popanz, der kaschieren soll, dass von “Männlichkeit” im Sinne von Eigenschaften, die mit Aktivität, Durchhaltevermögen, Durchsetzungsfähigkeit in Verbindung gebracht werden, nicht die Rede sein kann. Jeder Mensch hat sowohl “männliche” als auch “weibliche” Anteile, wobei auch je nach Situation das eine oder andere stärker betont wird. Es sind letztlich gesellschaftliche Zuschreibungen, zu erwarten, dass Frauen auf Belastungen mit Passivität reagieren, Männer aber mit energischem Handeln.

Männer, die im Militär sozialisiert werden, müssen keine “Maskulinisten” sein, sondern können sich ihrer “Männlichkeit” auch durchaus sehr sicher sein. Dann haben sie nicht das Bedürfnis, Zivildiener abzuwerten oder Frauen zu diskriminieren – mit anderen Worten, sie müssen sich ihrer “Männlichkeit” nicht dauernd durch Abgrenzung versichern. Außerdem können Frauen lernen, Situationen durchzustehen, sich kameradschaftlich zu verhalten – letzteres ist für die sogenannte “Kampfkraft” übrigens sehr wichtig und der Punkt, wo einige noch Restzweifel an der Eignung von Frauen haben.


Indische Freiheitskämpferin Rani Lakshmi Bai

Während Frauengeschichte in allen anderen Bereichen sehr gerne wieder entdeckt und geschrieben wird, nehmen nur wenige Bezug auf historische Vorbilder an kämpfenden Frauen. Dabei haben Frauen immer wieder Truppen angeführt, meist um  ihre Heimat und ihr Volk gegen Eroberer zu verteidigen. Eine von ihnen war die indische Prinzessin Rani Lakshmi Bai, die mit zahlreichen Reiterinnendenkmälern geehrt wird, über die es Filme, Soaps und Bücher gibt. Ein Gedicht über die Rani, die im Kampf gegen die Briten fiel, bringt es auf den Punkt: “Statt dich zu bücken, steh auf mit dem Schwert”, heisst es da – besser kann man die Frage der Haltung wohl kaum zum Ausdruck bringen.

Da De Maiziere rund um den Internationalen Frauentag zitiert wird, stehen diese Reflexionen auch unter dem Eindruck von Veranstaltungen. Dabei fällt auf, dass fast alle Frauen, was bis zur Frauenministerin reicht, beständig appellieren, selbst wenn sie es “Forderung” nennen. Auf die Einsicht anderer zu hoffen, etwa wenn es um Einkommensunterschiede oder eine faire Aufteilung der Hausarbeit geht, bringt einen aber in eine unterlegene Position, frau wird zur Bittstellerin. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, welche Möglichkeiten, welche Macht eine Frau formal hat, sondern wie sie sich selbst einschätzt, wohl auch: wie sie sich sieht. Bezeichnend ist auch, dass die Frauenministerin vor der Bundesheer-Volksbefragung Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen als angeblich “traditionell männlich” eine Absage erteilte (aber unreflektiert einer Umwandlung des Heeres in eine Interventionsarmee zugestimmt hätte – mehr “Militarismus” und Patriarchat ist aber kaum denkbar).

Steht frau auf, statt sich zu bücken, und kämpft, oder verharrt sie in Appellen und darin, gemeinsam mit anderen Frauen die Zustände zu beklagen, also eine Gruppe von Bittstellerinnen zu bilden? Erfahrene Kommandanten – die übrigens auch in der Privatwirtschaft gefragt sind, weil sie etwas von Leadership verstehen – würden sagen, dass frau Angriffe nie persönlich nehmen darf und sich von Widerständen nicht beeindrucken lassen soll. Auch wenn manches nicht sofort wirkt, bringt frau, bleibt sie entschieden und konsequent, irgendwann das Fass zum Überlaufen.

Und selbst wenn der Weg hart erscheinen mag – mit “Verhalten und Haltung” (c Maiziere) ist es ein wesentlich besseres Gefühl als wenn aus der Opferrolle heraus appelliert wird. Was würde wohl aus manch einem verpufften Protest von Frauen, aus der einen oder anderen Kampagne zu Anliegen, wo es schon seit Jahren immer wieder Aktionen gibt, ohne dass sich viel ändert, mit entsprechendem Coaching? Bei “was alles nicht geht und wie frustrierend das doch ist” würde frau sich nicht lange aufhalten, sondern zur Tat schreiten. Dabei kommt nicht immer sofort eine zündende Idee, eine neue Strategie, aber die Zielrichtung muss sein, sich eben nicht zu bücken und zu beugen, sondern aufzustehen.

Natürlich legen Einkommensunterschiede und die unausgewogene Verteilung von bezahlter und unbezahlter Tätigkeit nahe, dass sich Frauen unterlegen und als Bittstellerinnen fühlen. Ebenso wie Männern die vermittelte Muss-Überlegenheit aufoktroyiert wird, dass sie es sind, die immer weiterwissen müssen, die immer alles alleine schaffen und mit sich ausmachen. Dabei ist alles situationsbedingt – weder sind Frauen grundsätzlich Umständen ausgeliefert noch sind Männer stets in der Lage, alles allein auf die Reihe zu kriegen.

Interessanterweise wird der zukünftige Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Norbert Darabos, nun bereits in der Berichterstattung ganz anders wahrgenommen. Man könnte auch sagen, nachdem er dank des “Maskulinismus” der Militärjournalisten zu Unrecht als “unmännlich” dargestellt wurde, wird er nun als “männlich” beschrieben – was er natürlich immer war, nur eben nie “Maskulinist”. Da gibt es Schlagzeilen wie “Ich bin der Chef, das war die Bedingung” bezogen auf sein neues Arbeitsgebiet. Außerdem wird er nun doch manchmal “militärisch” beschrieben, etwa als “Stratege” – auch das war er immer; man denke daran, dass er sein Versprechen gehalten hat, dass es mit ihm zu keiner Abschaffung der Wehrpflicht kommen wird….

ein Artikel von Alexandra Bader, Wien

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Quellen – weiterführende Links

Artikel mit freundlicher Erlaubnis von Alexandra Bader, www.ceiberweiber.at
Zitate aus den angegebenen Quellen mit Artikelverlinkung im Text durch die Verfasserin.

@ Internationaler Frauentag:
Aktion Männer und Vereinbarkeit
Erwin Pröll und der gefährliche Geschirrspüler
(Kommentar zu Beitrag in der Zeit im Bild)

@ Heer und Frauen z.B.:
Das Militär und die Frauenfrage
Gender und Militär