De dicto

"Aber nur die Gemeinschaft von Mann und Frau ist auf die Hervorbringung von Kindern angelegt. Sie ist Keimzelle der Gesellschaft. Daher wird sie als Institution geschützt."- Reinhard Müller, Frankfurter Allgemeine vom 13. August 2012 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Lassen wir mal beiseite, dass es durchaus richtig ist, die Familie als Institution zu schützen - und lassen wir auch beiseite, wie wir als Gesellschaft den Familienbegriff interpretieren wollen, ob nun homosexuelle Paare mit oder ohne Kinder Familien sein sollen oder nicht. Es soll hier um etwas Grundsätzliches gehen: Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft zu benennen ist nämlich ein beliebtes Vorurteil, das sich wissenschaftlich nicht bestätigen läßt.

Die Anthropologie und die Evolutionsbiologie geben durchaus nicht vor, dass Mann und Frau als Keimzeile aller Gesellschaft zu sehen sind. Der Blick auf vom Menschen artverwandte Spezies läßt Rückschlüsse zu, dass die Erziehung und Anleitung der Jungen, einst nicht einem Paar, sondern der Gruppe übertragen wurde. Die Paarung ergibt zwar den Nachwuchs, aber die Kinder gehörten letztlich nicht Mann und Frau, modern gesagt: das Sorgerecht lag nicht bei den Eltern, sondern wurde vergesellschaftet. Die Kinder hatten auch keine explizite Bindung zu den Erzeugern, schliefen nicht abends selbstverständlich in deren Nestwärme und wurden nicht ausschließlich von jenem Weibchen gestillt, das die Mutter war, sondern von einem mehrerer Weibchen, die nicht abgestillt hatten. Richard David Precht schreibt, dass dies mit dem Einzug der Liebe zwischen Männchen und Weibchen einen Abbruch fand, weil Liebe immer auch Absonderung von anderen und damit Exklusion von lästigen Dritten bedeutet. Damit ändert sich an der Keimzelle, die Müller ja zitiert, nichts. Nicht die klassische Familie nach dem Schema "Mann, Frau und Kinder" ist Keimzelle, sondern der archaische "kommunistische Impetus", Fürsorge als Gesellschaftsauftrag zu leisten.
Auch diese These ist natürlich nicht hundertprozentig sicher; sie ist auch nur eine Vermutung. Eine jedoch, die im Hinblick auf Beobachtungen schlüssiger erscheint und die nicht sehr gut in ein Lebenskonzept passt, in dem Eigenverantwortung und soziale Vereinsamung wesentliche Stützpfeiler sind. Hätte nämlich der Mensch ursprünglich Erziehung als Verantwortung für die gesamte Gesellschaft begriffen, wäre er also in seiner Keimzelle ein Kommunist, so würde das bedeuten, dass der homo neoliberalis in einem nicht artgerechten Zustand weilte, kein richtiges Leben im falschen finden könne. Der Mensch ist freilich flexibler, existenzialistisch gesagt, kann er das sein, was er sich einzubilden meint; als Wesen, das sich selbst reflektiert, ist ihm die Selbstdefinition gegeben und die kann in alle Richtungen ausschlagen. Niemand will heute seine Kinder vollauf der Gesellschaft übertragen - denn der heutige Mensch definiert sich (auch) über seine Kinder. Das muß kein künstlicher Zustand sein, sondern ist dieser Gabe zur Selbstdefinition geschuldet.
Dass aber kommunistische Impulse nicht per se ideologisch sind, sondern der conditio humana entsprechen, das reicht aus, um dem konservativen Leitbild von der Keimzelle der Gesellschaft immer wieder Auftrieb zu geben. Denn es darf nicht sein, was nicht sein soll. Mit der Familie aus Mann, Frau und Kindern läßt sich die Hierarchie einer Gesellschaft sauber und ein wenig naturalistisch erklären. Richtig muß dieses Konstrukt aber deswegen noch lange nicht sein. Und ist es vermutlich auch nicht...
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