"Innerhalb von drei Monaten sollen Arbeitslose bei Fehlverhalten künftig sanktioniert werden. Das Arbeitsministerium will den komplizierten Gesetzestext vereinfachen, damit Jobcenter-Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit einfacher durchgreifen können. Gleichzeitig sollen Sanktionen so in allen Jobcentern gleich angewendet werden. Bisher liegt es oft auch im Ermessen der Arbeitsvermittler, wie hart sanktioniert wird."Zum Gesagten sei angemerkt: Obige Belegstelle entstammt einem Text, der unter dem Aufmacher "Hartz IV-Revolution" logiert. Was von einem Elaborat unter diesem Label zu halten ist, muß nicht gesondert konkretisiert werden. Fraglich ist aber dennoch, was die BILD-Zeitung mit der Textstelle ausdrücken will. Reichlich Fragezeichen blühen auf; drei Seltsamkeiten springen dabei besonders ins Auge:
- Paul Ronzheimer, BILD-Zeitung vom 20. September 2010 -
- Das beginnt bereits damit, dass Fehlverhalten bereits heute nicht "innerhalb von drei Monaten" sanktioniert wird, sondern umgehend. Wer sich heute fehlverhält, wird umgehend sanktioniert und erhält bereits im Folgemonat, bei der nächsten Überweisung auf das Konto, den gekürzten Regelsatz.
- Der Arbeitsvermittler hat Ermessensspielraum - so weit stimmt es noch. Er kann ermessen, ob ein bestimmtes Verhalten ein Fehlverhalten war oder nicht. Kommt er zu dem Eindruck, dass sich jemand etwas zuschulden kommen ließ, so sind die Sanktionsmechanismen eindeutig. Zehn Prozent der Regelleistung werden abgeschlagen, wenn es sich um ein so genanntes Meldeversäumnis handelt - dreißig Prozent der Regelleistung sind fällig, wenn man eine Pflicht verletzt, beispielsweise eine zumutbare Arbeit ablehnt. Es ist nicht so, wie es die BILD oder namentlich Paul Ronzheimer suggerieren möchte, dass der Arbeitsvermittler willkürlich mit Prozentwerten um sich werfen darf. Dir gebe ich fünf Prozent Kürzung, Dir fünfzehn - und Du da hinten, Du hast nicht ordentlich gegrüßt: Du kriegst vierzig Prozent! - So wird das jedenfalls (noch) nicht gehandhabt...
- Sanktionen sollen bundesweit angeglichen werden? Aber das sind sie doch schon: das SGB II läßt da kaum Fragen offen - der oben dargelegte Ermessensspielraum der Vermittler, der womöglich mit der Angleichung gemeint sein könnte, fällt als Angleichungsfaktor jedenfalls raus. Es besteht nämlich die behördliche Verpflichtung, jeden Fall einzeln zu prüfen - eine pauschale Ermessensangleichung kann damit überhaupt nicht umgesetzt werden, zumal dieser Spielraum ohnehin nur zwischen schuldig und unschuldig aussiebt.
Ob indes diese frohe Botschaft aus dem Hause Springer stammt oder selbst vom Arbeitsministerium entworfen wurde, um eine Art quid pro quo zu suggerieren, wird noch zu prüfen sein. Auszuschließen ist es nicht, denn wie soll eine verschärfte Sanktionspraxis in einem Rechtsstaat - selbst wenn dieser peu a peu bröckelt! - aussehen? Naiv gesagt: schärfer als heute schon bestraft wird, kann es in einem rechtsstaatlichen Gesellschaftssystem (noch) nicht zugehen...