De dicto

"Welche Chance gaben Osamas Killer eigentlich den Menschen im World Trade Center? Die verbrannten, zerschmettert wurden oder in Panik aus dem 100. Stock sprangen?
Für Bin Laden zählte ein Menschenleben so viel wie Dreck.

(...)
...
die Kanzlerin hat recht. Es ist gerecht, dass dieser Menschenfeind endlich tot ist."
- Jörg Quoos, BILD-Zeitung vom 3. Mai 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Das ist eine ganz einfache Rechnung, die uns Jörg Quoos da präsentiert. Weil Bin Ladin ein skrupelloser Mörder war, so das Resultat seiner "kleinen Ethik für Rachsüchtige", dürfe man keine Kritik üben an der Hinrichtung Usama Bin Ladins. Falsches Mitgefühl!, nennt er das - und verunglimpft dabei jene, die die Vorgehensweise kritisch begleiten und für einen aggressiven Akt gegen den die Rechtsstaatlichkeit halten. Das geschieht freilich auch - oder vorallem? - zum Schutz der Kanzlerin.
Die Arithmetik der Rache beinhaltet die einfachste aller Losungen: Auge und Auge, Zahn um Zahn - was du nicht willst, was man Dir tut, das füg' auch deinem Feinde zu. Demnach: Bin Ladin war ein Mörder - und daher ist es statthaft, ihn zu ermorden; er war kaltblütig und kannte kein Mitgefühl - deshalb sollte es erlaubt sein, ihn eiskalt zu erschießen; er schiss auf Menschenrechte - also kümmern auch wir uns nicht darum! Das ist eine altertümliche Weltsicht, die Blutrache zu einem Akt der Gerechtigkeit verklärt und Kritiker dieses Kodex' zu romantischen Spinnern degradiert.

Für einen Terroristen sind solche Regungen und Handlungsweisen Normalität - auch für Staaten, die offiziell im Namen von Freiheit und Demokratie - inoffiziell für Erdöl und Erdgas - gegen Terroristen ins Feld zogen?
Für Terroristen zählt das menschliche Leben relativ wenig - und für Staaten, die moderne Rechtsstaaten sein wollen?
Der Terrorist kennt keine Gerichtsverfahren, die Gewalt ist seine Judikative - ist das auch ein geeignetes und aufgeklärtes Mittel für demokratische Gesellschaften?
Man lehrte uns jahrelang, dass Terroristen nicht mit sich reden ließen - ließen deshalb die Kämpfer für Freiheit und Demokratie nicht mit sich reden und schossen stattdessen?
Man sagte uns, dass man die Terroristen lehren müsse, dass der westliche way of life das sei, was die Welt benötige (was immer falsch war!), dass Fairness gegenüber jedermann unabdingbar sei für eine gerechte Gesellschaft - wie fair war die Hinrichtung dieses Verbrechers, hat er keinen fairen Prozess verdient?

Jörg Quoos macht sich mit Terroristen gemein, weil er deren Spielregeln annimmt und sie zum legitimen Instrument der Gerechtigkeit erhebt. Mit dieser Gleichung, dass Gewalt mit derselben Gewalt vergolten werden darf, fing noch jeder Terror an - das ist der Rechenweg den ETA, IRA, RAF und Konsorten einschlugen; sie fühlten sich gewaltsam übertölpelt und kamen zu dem Entschluss, dass man mit den Aggressoren nicht anders verfahren dürfe: Auge um Auge, Zahn um Zahn - Rache statt Besonnenheit. Was die BILD-Zeitung postuliert ist nicht Gerechtigkeit - es ist verbaler Terrorismus; mit solchen Verklärungsmodellen schafft man geistige Grundlagen für den Terror. Einen Terror gegen die Aufklärung, gegen Menschlichkeit, gegen den Rechtsstaat und gegen ethische Werte.


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