De auditu

Das geht ja mal gar nicht! oder Das geht ja mal überhaupt nicht! - diesen zähen Satz vernimmt mal medial häufig. Kommentiert man eine Haltung, ein Benehmen, eine Ansicht oder eine Form von Anderssein, so kann man diesen Satz in verschiedener Variation hören. Er soll uneingeschränkt zum Ausdruck bringen, dass eben diese Haltung, Ansicht und so weiter, auf keinen Fall Toleranz zu erwarten hat. Das geht ja mal gar nicht! ist der sprachlich ungeschliffene Ausdruck des Mittelschichtsspießers, der alleine seine Weltsicht als Zollstock für seine Umwelt verwendet.
Es handelt sich um eine rigide sprachliche Haltung von Menschen, die sich untertänig an Konventionen klammern und in ihrem Untertanengeist auch noch so anspruchslos sind, ernsthaft zu glauben, es gebe nur dieses eine Modell, nur diese eine Haltung, diese eine Form des geregelten (Zusammen-)Lebens. Anderes Auftreten bei einem Bewerbungsgespräch, unrasiert zu einem wichtigen Termin, Alkoholfahne - das schwant einem schon: Das geht ja alles mal gar nicht! Bezeichnenderweise kramt man diese Floskel bei Sachgebieten hervor, die das Mittelstandsleben tangieren. In politischen Fragen, in ökonomischen Belangen keine Spur davon. Das geht ja mal überhaupt nicht! ist die bürgerliche Sprachausformung aus einer Haltung heraus, die nichts toleriert, nichts anderes gelten läßt, sich selbst als Maß aller Dinge bezeichnet. Das geht ja mal gar nicht! ist bürgerlicher und irgendwo auch westlicher Absolutheitsanspruch in plumper Alltagssprache, erhält keinen Raum für das Andere, für das Fremde.

Man hört es oft im Alltag - auch im Fernsehen, bei Befragungen in Fußgängerzonen beispielsweise, wo es ausreichend Leute gibt, die irgendeinen modischen, semimoralischen oder konsumtiven Auftritt mit diesem Satz bewerten. Das geht ja mal gar nicht! ärgert deshalb, weil es ausschließt, isoliert und bannt. Vornehmlich die, die sich zur bürgerlichen Mittelschicht zugehörig wähnen, "argumentieren" mit dieser inhaltslosen, rein auf Bauchgefühl abzielenden Floskel. Das unterstreicht auch die Inhaltslosigkeit mit der diese Gesellschaftsschicht laviert. Sie baut sich Ansichten nicht mit Argumenten auf, sie mahnt mit dem Zeigefinger und sagt: Das geht ja mal überhaupt nicht! Die schwächelnde Lesekompetenz und der Drang zur schnellen Information und Schlagzeile bewirken auch, dass sachkundige Meinung heute als Das geht ja mal gar nicht! formuliert wird. Dabei sehen sie ganz oft, dass es sehr wohl geht. Phantasie ist deren Gabe nicht und wenn es etwas gibt, was es überhaupt nicht geben soll, dann igeln sie sich in Satzhülsen ein, die nichts zum Ausdruck bringen, außer moralingetränkte Abstraktionen einer Gesellschaft, die in ihren Werten und Normen gleichgeschaltet zu sein hätte.
Die adäquate Antwort auf diese eliminierende Redensart folgt selten. Doch, das geht! wäre eine solche. Es geht sehr wohl sich anders zu geben, anders aufzutreten, anders zu denken und zu handeln. Das geht ja mal überhaupt nicht! ist einem dikatorischen Impuls entsprungen - zerschellt aber unmittelbar, wenn man angemessen kontert. Es ist glücklicherweise nur ein sprachliches Diktat, das jedoch viel über die Geisteshaltung des Benutzers dieser Floskel preisgibt.
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