De auditu

Man liest und man hört dieser Tage, dass Bundespräsident Wulff nicht die ganze Wahrheit gesagt habe. Er habe, ob nun wissentlich oder unwissentlich, einige Details seiner privaten Verbandelungen mit der Wirtschaft verschwiegen. Diese Deutung der Ereignisse rund um seine Person sind Allgemeinplatz - das Vertrauen in den Bundespräsidenten scheint erschüttert, weil er nicht die ganze Wahrheit sagte. Diese Floskel, zeugt aber auch davon, dass er doch wenigstens nicht gelogen hat. Er war ehrlich, wenn auch nicht gänzlich. Er druckste herum, stotterte sich ein Geständnis zusammen, war aber vom Mut abgeschnitten, alles auf den Tisch zu bringen. Wulff ist somit kein Lügner, nur eine unentschlossene Person, die ruhigen Gewissens ehrlich sein sollte und auch dürfte - dann würde die Öffentlichkeit ihm seine Tête-à-têtes mit dem ganz großen Geld nachsehen.

Wie man die Affären um Wulff medial behandelt, zeugt wiederum vom fehlenden Mut der Medien. Sie sagen uns nicht die ganze Wahrheit - sie lügen nicht, aber völlig ehrlich sind sie nicht. Wulffs Nähe zum Kapital, die exemplarisch für den ganzen Stand des Politikers anzusehen ist, der in diesen Zeiten kein Volksvertreter, sondern ein Mittler zwischen Gesetzgebung und wirtschaftlichen Interessen ist - Wulffs Nähe zum Kapital also, sie wird verharmlost. Man fordert von ihm Ehrlichkeit, als sei der skandalöse Umstand, dass sich die Politik von Wirtschaft bezahlen, schmieren und aushalten läßt, damit entschuldbar.

Tritt ein Skandal ins öffentliche Leben, konstruieren Medien Schutzfloskeln, um die wirklichen Skandale zu kaschieren. So baut man Wulff eine Brücke, die auf Ehrlichkeit fußt - damit wären Wulffs Abenteuer auf der Spielwiese potenter Geldgeber vergolten. Dass es ein grundsätzliches Problem, ein an die Wurzel gehender Skandal ist, wenn hohe Politik mit großem Geld privatim umgeht, wird damit "als normalste Sache der Welt" abgetan. Welche Freunde Wulff, welche Freunde die Politik an sich hat, und zu welchen Verquickungen von Interessen es hierbei kommen kann, wird hinter "Er hat nicht die ganze Wahrheit gesagt" verborgen.

Wulff tat vor etwa drei Jahren einen Ausspruch, der aus heutiger Sicht völlig konsequent und verständlich ist. Er befand, man solle keine Neiddebatte und Pogromstimmung gegen jene gesellschaftliche Gruppe entfachen, die Arbeitsplätze schaffe. Gemeint waren damals Manager und jene Klientel, bei der Wulff stets seine Urlaube verbrachte...


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