De auditu

Deutschland im Herbst. Blätter fallen - und traditionelle Herbstbegriffe. Einer davon lautet Linksterrorismus. Der ist auch jetzt wieder in aller Feder. Das ist seltsam, denn einen Rechtsterrorismus, den gibt es, von dem liest man nicht. Ein solches Wort stapft nicht durch die Gazetten, durch die Nachrichten. Der Terrorismus ist eine linke Angelegenheit. Fahndet man per Suchmaschine im Internet danach, so finden sich 112.000 Einträge linksterroristisch, aber weniger als 26.000 rechtsterroristisch. Es gibt Rechtsextreme, bloß keine Vertreter des Rechtsterrorismus.

Nun hat der Begriff des Terrorismus eine Wandlung durchgemacht. Terror war dazumal eine Herrschaft, die der Staat manchmal gegenüber seine Bürgern walten ließ, damit die furchterfüllt parieren. La Grande Terreur 1793/94, leninistisch-stalinistischer Terror, Nazi-Terror! Heute richtet sich der Terror gegen den Staat, kommt nicht mehr von ihm und seinen Vertretern - jedenfalls nicht offiziell. Demzufolge definieren sie, was Terror ist und was weniger. Terror klingt immer auch nach Strukturen, nach Plänen, nach Aufmarschplänen genauer, nach Kalkül - kurzum, danach, dass es eine organisierte Gewaltbereitschaft ist. Das traut man "den Linken" zu - "den Rechten" aber nicht, gleichwohl viele von ihnen in Parteien organisiert sind, in Burschenschaften und Vereinen. Dennoch verleiht man ihnen nicht die terminologische Organisationsbefungnis. Wenn sie einen tristen Herbsttag mit dem Verprügeln eines Türken oder Afrikaners beschließen, dann haben sie das nicht organisiert und durchdacht, dann haben sie eine Gewalttat begangen, vielleicht sogar eine Affekthandlung.

Deshalb gibt es auch Opfer linken Terrors und Opfer rechtsextremer Gewalt. Wenn Terror nach Organisation klingt, so suggeriert Gewalt Einzelfall oder Verfehlung. Das Opfer linken Terrors ist Opfer einer strukturierten, organisierten Bande - das Opfer rechtsextremer Gewalt ist bedauerlicherweise das Opfer eines chaotischen, ungeordneten Haufens. Der Linksterrorismus ist einer verworrenen Ideologie entsprungen, womit Opfer dieses Terrors auch immer Opfer ideologischen Wahns sind - der Rechtsextremismus ist nur das Resultat einiger vergaloppierter Außenseiter, die mit ihrer Zeit nichts besseres anzufangen wissen, womit das Opfer des Rechtsextremismus auch immer das Opfer der Langeweile dieser Leute ist. Extremisten mit extremer Langeweile. Keine Terroristen, Extremisten eben - ein bisschen extrem in ihrer Weltanschauung, hört man da beschwichtigend heraus. Der Begriff Terrorismus beschwichtigt hingegen gar nichts, er läßt in Feindrecht-Kategorien denken.

Diese Trennung zwischen Linken und Rechten, die Straftaten begehen, kaschiert zudem eine wesentliche Komponente. Linke Straftaten verursachen weitestgehend Sachschaden - rechte Straftaten zeitigen Personenschäden. Kurios folglich, dass linke Straftaten Linksterrorismus sind, rechte Straftaten aber lediglich Rechtsextremismus. Da könnte man psychoanalytisch hinterfragen, ob eine konsumistisch-materiell ausgerichtete Gesellschaft zwangsläufig den Sachschaden für dramatischer erachten muß, als den Schaden an einem Menschen. Vielleicht wäre das ein Erklärungsansatz...


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