Michael Müller, Sportdirektor des Deutschen Boxverbandes (DBV), den ich, um ihn nicht mit anderen Müllern zu verwechseln, DBV Müller nenne, konnte oder wollte nicht die Zeit finden, bei dem letzten DBV Kongress zu erscheinen, um über sein Finanzgebaren Rechenschaft abzulegen. Dafür schaffte DBV Müller es aber dann, unlängst dem Nachrichtenmagazin Spiegel (28/2011 vom 11.07.1011) ein Interview zu geben. Dabei wird offenkundig, dass er explizit gegen den Kopfschutz beim Amateurboxen ist.
Beeindruckend und interessant ist, wie er argumentiert. DBV Müllers erstes und wohl wichtigstes Argument lautet: „Der Kopfschutz stört enorm. Er verrutscht, wenn die Haare nass sind, und ist unhygienisch. Der Weltverband Aiba schreibt vor, dass der Veranstalter den Schutz stellt. Niemand zieht sich gern eine Lederhaube über, die gerade ein Gegner vollgeschwitzt hat. Außerdem verhindert die Vorschrift, dass Amateurboxen zeitgemäß wird.“
Wenn ich DBV Müller nun richtig verstehe, ist er vor allem gegen den Kopfschutz, weil die Veranstalter den Kämpfern nicht genügend Kopfschutze zur Verfügung stellen können. Dadurch seien die Boxer gezwungen, welche zu tragen, die von einem Vorgänger durchgeschwitzt wurden. Auf Nachfrage erläutert DBV Müller, was er unter zweitgemäßem Boxen versteht. „Modernes Boxen ist auch die Fähigkeit, Schläge zu erkennen und ihnen auszuweichen. Das haben wir zuletzt im Profikampf Wladimir Klitschko gegen David Haye gesehen. Der Schutz versperrt die Sicht, der Boxer fühlt sich wie in einer Ritterrüstung und kann diese Reflexe nur bedingt trainieren.“ DBV Müller erklärt hier wohl ernsthaft, dass „die Fähigkeit, Schläge zu erkennen und ihnen auszuweichen“ nicht im Training, sondern im Wettkampf trainiert wird. Wohlgemerkt DBV Müller ist Sportdirektor des DBV.
Auf den Einwurf, dass es Fachärzte gibt, die vor einer Regeländerung warnen, wegen des Risikos von Folgeschäden, entgegnet er: „Wenn gleich gute Boxer gegeneinander antreten, kommt es selten zu Volltreffern. Wenn doch, sind die mit Kopfschutz fast genauso schlimm.“ DBV Müller geht also davon aus, dass bei den vielen Amateurboxveranstaltungen, die jedes Wochenenden überall in Deutschland stattfinden, immer nur gleich starke Boxer aufeinander treffen.
Eine ernsthafte Diskussion über Sinn und Unsinn des Kopfschutzes ist sinnvoll und überfällig. Aber das, was DBV Müller hier als Argumentation vorlegt, halte ich schlicht für nicht ernst zu nehmen und eines hauptamtlichen Funktionärs des Fachverbandes für unwürdig. Eventuell hat ja der Pressesprecher des DBV Alexander Mazur noch immer recht, denn er beschrieb DBV Müller, der erst vor kurzem vom Rudern zum Boxen gekommen ist, wie folgt: „Michael Müller ist vielleicht kein ausgewiesener Box-Experte, doch das ist nicht schlimm. Wir brauchen jemanden, der von Finanzen, Marketing und Sponsoren Ahnung hat.“
Ich persönlich würde mir nämlich wünschen, DBV Müller würde endlich Rechenschaft über das Geld der Boxerinnen abgeben, anstatt eine Kopfschutzdiskussion auf diesem Niveau anzuzetteln.
© Uwe Betker