Dawson City – Whitehorse: Wind von Süd-Ost?!?!

Von Monikaloder
Also, der letzte Text ist ja in Inuvik stecken geblieben, ebenso wie wir. Wir wollten nämlich den Dempster nicht nochmals abstrampeln und suchten deshalb nach jemandem, der uns nach Dawson mitnehmen konnte. Zu diesem Zweck hängten wir Zettel im Visitor Center, an der Reception des Zeltplatzes und in einer Art Kiosk auf. Sehr viel Erfolg hatten wir damit allerdings nicht. Soo lange waren wir ja aber auch noch nicht in Inuvik uns es gab noch einige kleinere Sachen zu tun bzw. zu sehen. Was nicht geplant gewesen war, war die riesige Rauchwolke von einem Buschbrand nördlich des Dorfes, die alles in einen grauen Schleier hüllte. Wie sich herausstellte, hatte das auch seine Vorteile. Mücken mögen keinen Rauch und verstecken sich in den Büschen. Wunderbar. Geplanterweise besuchten wir das Community Greenhouse, das Gemeinschafts-Gewächshaus des Dorfes. Dazu wurde die alte Eishockey-Halle umfunktioniert und dort kann man nun für $ 80 pro Jahr und 15 Arbeitsstunden im/am Haus ein Beet mieten und anpflanzen, was man möchte. Vielerlei Gemüse und Salat wächst da, Blumen und sogar Mais. Die Saison ist natürlich kurz, in dieser Zeit ist es aber so lange hell, dass das Grünzeug fast explosionsartig wächst. 

Community Greenhouse in Inuvik.

Bewohner des Greenhouses.


An unserem dritten Tag im hohen Norden begannen wir ernsthaft nach einem Ausweg zu suchen und wanderten auf dem Campground herum und quatschten Leute mit RVs an, ob uns jemand mitnehmen könnte. Erfolg hatten wir beim dritten Versuch bei Johnny und Petz aus dem Thurgau. Die beiden heissen eigentlich Werner und Arthur, die Pfadinamen sind aber bis nach der Pensionierung hängengeblieben. Sie wollten am nächsten Tag, dem 2. Juli, zurückfahren und waren bereit, uns mitzunehmen. Ihr Camper war zwar recht klein, einer jener Pick-ups mit Aufsatz, die Velos passten mit schräggestellten Lenkern aber in den Gang und wenn der ausfahrbare Seitenteil nicht ganz eingefahren wurde, waren sie dort perfekt sicher. Und die beiden „Jungs“ schienen ganz happy über die Gesellschaft zu sein. Und wir natürlich über den Ride. Und über den super Znacht, zu dem wir kurzerhand eingeladen wurden. 
Am folgenden Tag ging es los. Da per Auto, musste das nicht unbedingt am Morgen früh sein, da wir sowieso nur bis Eagle Plains fahren würden. Abfahrt am frühen Nachmittag reichte aus. Naheliegenderweise waren wir beide sehr fasziniert ab dem Konfort und Gemütlichkeit in der Kabine des Pick-ups und stellten fest, das auch die Landschaft, die wir auf dem Hinweg als herzlich langweilig empfunden hatten, aus Autofahrer-Sicht gar nicht so öde war. Das ging eben alles viel schneller und schon bald hatten wir über beide Flüsse gesetzt und hatten die Richardson Mountains und den Polarkreis überquert. Der Hausdrachen der Eagle Lodge kannte uns offensichtlich noch und war so unfreundlich wie eh und je. Dafür fanden Johnny und Petz, dass es nicht ginge, wenn sie im Restaurant ässen und wir draussen am Campingkocher herumbastelten und so kriegten wir gleich nochmals genialen Food gesponsert. Ebenso am Morgen darauf, was uns langsam etwas platt liess. Das war eigentlich nicht so gemeint gewesen, war aber natürlich mega nett. Nun kam der interessantere Teil der Strecke und beim Two Moose Lake sahen wir sogar einen Elch im Wasser und kurz darauf eine Mutter mit Jungem weiter weg im Gebüsch. 

Elch im Two Moose Lake.


Dank Petz‘ zügigem Fahrstil hatten wir Dawson bald erreicht und dort wieder im Gold Rush RV Park unser Zelt aufgestellt. Am folgenden Morgen verabschiedeten wir uns von unseren grosszügigen Sugar Daddies, Johnny und Petz, allerbesten Dank für alles, ihr wart unglaublich!. Wäre cool, wenn wir uns in der Schweiz mal treffen könnten. Die beiden fuhren weiter, wir blieben noch einen Tag, dann verliessen auch wir die Goldgräber-Stadt am Yukon. Die ersten 40 km kannten wir ja, der Gegenwind war etwas stärker als das letzte Mal, sonst hatte sich nicht viel verändert. Stopp, stimmt nicht. Nun, rund zwei Wochen später, blühten da jede Menge Blumen am Strassenrand. Nicht nur die vielgerühmten pinken Fireweeds, da blühte auch gelb, violet und weiss und einige der Blumen verströmten auch einen guten Duft. Juhu, nun ist‘s richtig Sommer geworden. 

Duftendes Gewucher...

leuchtendes Gelb...

und felderweise Fireweed.


Nach der Klondike River Lodge ging es nochmals etwa 10 km flach weiter, dann begann eine gut 10 km lange Steigung. Nicht sehr steil aber einen grossen Teil ohne Asphalt, dafür mit stark gewässertem Gravel. So schnell kann’s gehen und unsere peinlich sauber geputzten Velos waren wieder verdreckt. Gegen Ende der Steigung, genau 60 km nach Dawson, machten wir bei einem Vista Point Zmittagpause. Von dort oben hatte man Aussicht auf den Tintina Trench, einem grünen Tal, das sich bis nach Alaska hinein erstreckt und in dem sich auch Dawson befindet. Angeblich soll vor 8 Millionen Jahren die Kontinentalplatte gebrochen sein und die beiden Teile haben sich bis heute um 450 km gegeneinander verschoben. Die Öffnung dieses Tals habe sogar die Flussrichtungen geändert, da sie eine Entleerung in Richtung Süden ermöglichte. Spätere Vergletscherungen während Eiszeiten haben diesen Weg verbaut und das Wasser musste sich wieder einen neuen Weg suchen. Der Yukon, der nun ins Beringmeer fliesst, habe früher (sehr viel früher natürlich) mal zum Golf von Alaska geführt. 
Sehr interessant. Für uns ging die Sache nun auf einer Art Hochebene weiter, so wirkte das zumindest, nachdem wir aus dem Tintina Trench herausgeklettert waren. Wobei Hoch“ebene“ natürlich wie immer nicht korrekt war, es ging non-stopp auf und ab. Nie lange, nicht immer steil, hörte aber nie auf. Und es gab keine Flüsse mehr, wir mussten uns also etwas einfallen lassen. Was, war auch klar. Nachdem wir nach 96.36 km und 6:53 Stunden genun hatten und einen geeigneten Campspot ausgemacht hatten, stellte Martina das Zelt auf und ich mich mit Flaschen bewaffnet an die Strasse. Das nächste RV, ein Pick-up mit Anhänger, hielt auf meine Flaschenwinkerei an und ich bekam alles randvoll gefüllt. Von der netten dänischen Familie erhielten wir auch noch einige megafeine Getreideriegel, was wir natürlich dankend annahmen. Der Wind, der uns lange genervt hatte, war nun willkommen, denn er hielt die Mosies fern. Gegen 22 Uhr liess das Gebläse nach und wir konnten uns wieder mit unsren Lieblings-Plaggeistern herumschlagen. 
Der zweite Tag war nicht viel aufregender. Auf und ab durch grüne Wälder. Wobei das natürlich nicht einfach uniformes, immergleiches Grün ist. Da gab es alle möglichen Schattierungen von hell  (Birkenwälder) bis dunkel (Tannen und Spruce Trees) und am Strassenrand leuchteten, so richtig Patchwork-mässig, bunte Blumen. Der Wind nervte und weil man Wind schnell mal als Gegenwind empfindet, verliess ich mich da nicht auf mein subjektives Gefühl, sondern ich beobachtete Gras und Büsche zur Beurteilung des Windes. Eindeutig: starker Gegenwind. Aha, als ob wir das nicht geahnt hätten. Eine Frage drängte sich sowieso auf: Während zweieinhalb Jahren sind wir nordwärts gefahren und hatten, wenn wir Wind hatten, zu etwa 95 % Nord- Nord-Westwind, sprich Gegenwind. Nun drehten wir um und pedalten in Richtung Süd-Osten und der Wind kommt aus haargenau dieser Richtung! Wo liegt da die Logik oder die Fairness oder was auch immer?!?

Objektive Windmessanlage.


Beim Moose Creek CG gab es dann zumindest etwas Abwechslung: die Moose Creek Lodge, von einer Bernerin geführt und mit feinen aber teuren Backwaren. Am Nachmittag kamen wir an den Steward River, an dessen Nebenarmen vor rund hundert Jahren auch nach Gold geschürft wurde. Der Wind hatte interessanterweise etwas nachgelassen, was die Stimmung natürlich sofort hob. Einen hübschen und schön flachen Übernachtungsplatz fanden wir wenige Kilometer vor Steward Crossings bei einem Kraftwerk (82.69 km in 6:35 Stunden). 
Am Morgen darauf erreichten wir Steward Crossing noch bevor das kleine Lädeli bei der Tankstelle öffnete. Es ging aber nur um wenige Minuten, um Punkt 9 Uhr wurde das „Closed“-Schild zu „Open“ gedreht und wir gingen den Kaffee abchecken. Der war schon bereit und obwohl die Dame nicht besonders freundlich war, uns den Rücken zudrehte und unser „Good Morning“ ignorierte, setzten wir uns mit den Tassen an den Mini-Tresen damit wir unsererseits die Mücken vor der Tür ignorieren konnten. Ich sponserte unserem Znüni noch zwei Säckli Jalapeño-Cheddar-Doritos, Geburtstage wollen schliesslich gebührend gefeiert sein. Geburi hin oder her, besonders actionreich wurde auch dieser Tag nicht. Mal Gegenwind, mal kein Wind, ergo mal Mücken, mal keine Mücken, Blumen am Strassenrand und dunkler Wald im Hintergrund. Ja, und jede Mengen kleine Walderdbeeren, die aber leider eben noch nicht ganz reif ware. Wir probierten einige, sie schmeckten aber noch nicht nach viel. 
Um 17 Uhr kamen wir in Pelly Crossing an. Zu meiner Überraschung tatsächlich ein richtiges Dorf und das wurde mehrheitlich von Leuten des Selkirk-Volkes bewohnt. Der Laden dort war auch unerwartet gross und wir fanden sogar unsere geliebten Refried BeansJ. Der strahlend blaue Himmel wurde schon seit Mittag immer grauer und beim Zmittag hatten uns ein paar Tropfen geneckt. Auf unsere Frage meinte der Herr des Ladens, dass es „more than likely“ sei, dass es regnen würde. Auf der anderen Strassenseite lag ein Campingplatz, von dem wir aber gehört hatten, dass er eigentlich nicht mehr funtionell sei. Die Locals meinten aber, es gäbe dort eine Shelter, wo man auch ein Feuer machen könne. Hmm, schwierige Entscheidung... Wir hatten erst 72.73 km (in 5:03 Stunden) hinter uns gebracht und eigentlich wollten wir einen Durchschnitt von etwa 90 km schaffen. Aber warum weiterfahren und verpisst werden, wenn es hier eine Hütte gab? Wir gingen uns den Zeltplatz mal anschauen und da standen auch ein paar wenige RVs, die aussahen, als hätten sie Stromanschluss. Hingegen fanden wir kein Wasser, die Sites waren klar ungepflegt und in der Shelter lag ein zertrümmerter Tisch neben einem Ofen, der als einziges noch intakt war. Die Abfalleimer, ursprünglich mal bärensicher, quollen über und schlossen für uns ein zelten daneben aus. Nach langem Werweissen und Hin und Her versuchten wir schliesslich das Zelt in der Hütte aufzustellen, was sogar klappte. Das war ziemlich bemekenswert, da wir das Zelt auf einen Holzboden stellen mussten, wo die Latten längs verliefen. Wie also Heringe einschlagen? Nun, diejenigen auf der einen Seite ersetzten wir mit Schnüren um die am Boden liegende Tischplatte, auf der anderen Seite schlugen wir erst winzige Keile (die da so rumlagen) zwischen die Latten und dahinter die Nägel. Hat funktioniert. 

Zelt in der Shelter.

Man muss sich zu helfen wissen.


Natürlich regnete es an jenem Abend nie, im Gegenteil, die Wolken verzogen sich und die Sonne schien wieder. Nachdem wir uns eingerichtet hatten selbstverständlich. Der Wind war aber trotzdem saukalt und wir waren nicht soo unglücklich über die Shelter, wo interessanterweise nur ganz wenige Mücken reinkamen. Zum Abendessen gab es zur Feier des Tages etwas Spezielles: Gefriergetrocknetes Nepalesisches Linsencurry und Schoggimousse zum Dessert. Der Verdacht, dass wir uns an meinem Geburtstag irgendwo im Nirwana befinden würden, war schon in Anchorage aufgekommen und so hatte ich vorgesorgt und gefriergetrocknetes Backpacking-Futter gekauft. Wir hatten keine Ahnung, wie gut das Zeugs sein würde oder wieviel es wirklich braucht, um jemanden satt zu kriegen. Auf der Packung steht, dass zwei Portionen drin sind und angeblich enthält eine Portion 340 kcal. Da das für uns fast eher nach einem Witz aussah, hatten wir je einen Sack gekauft. Nur so, um sicher zu gehen. Da wir nun aber beide schon jenes Guetslis und anderes gegessen hatten, plus ja noch ein Dessert à je 200 kcal dazukam, bereiteten wir erst mal eine Packung zu. Abgesehen von etwas wenig Salz war das gar nicht so schlecht und der Dessert war sogar so richtig fein. Wer hätte das gedacht. 

Geburi-Menu mit Geburi-Rabe (Geschenk von Martina).


Ein weiterer Tag begann, den man von allen anderen kaum unterscheiden könnte, hätten wir nicht einen Freund getroffen. Lorenzo einen baskischer Ciclista, der seit 15 Jahren unterwegs ist und den wir in Santiagos Casa de Ciclistas in Tumbaco, Ecuador kennengelernt hatten. Wir waren in E-Mail-Kontakt gewesen und hatten angenommen und gehofft, uns hier auf der Strecke zu begegnen, aber wissen kann man das ja nie. Hat aber geklappt und war echt cool, hier in der kanadischen Wildnis jemanden zu sehen, den man kennt. Lorenzo hatte sich vor einigen Tagen mit Julian, einem jungen Lausanner zusammengetan, der ebenfalls in Südamerika und dann eine Weile in den Staaten herumgekurvt war. Die beiden waren nun auf dem Weg nach Dawson und dann Inuvik, viel Gück ihr zwei, lasst euch von den Moskitos nicht fertigmachen. Obwohl noch etwas früh, entschieden wir uns, zusammen Zmittag zu essen um unsere Plauderzeit noch etwas zu verlängern. Trotzdem hiess es schon bald weiterfahren, für dei beiden Männer mit coolem Rückenwind, für uns beide mit dem üblichen, nervenzerrenden Gegenwind. 

Martina, Lorenzo, ich und Julian.


Viel mehr passierte nicht, wir wurden aber mit einigen sehr guten Aussichten auf den Yukon entschädigt, wie er sich da um unzählige kleine Inselchen schlängelte und nach einer Steigung kamen wir zur „Five Finger Rapids Rest Area“, von wo aus man gute Aussicht auf den Yukon und seine berüchtigten Stromschnellen hatte. So krass wie im Lucky Luke Comics sah das Ganze nicht aus, hatte aber anscheinend früher für Schiffe wegen Unterwasser-Felsen durchaus ein grösseres Problem dargestellt. Der Ort wäre zum campen geeignet gewesen, wir konnten uns aber nicht schon wieder einen kurzen Tag erlauben und so strampelten wir nach einer Paus weiter. 

Yukon River.


Von der Rest Area bis Carmacks waren es noch etwa 20 km, wobei wir aber eigentlich nicht bis ins Dorf wollten um nicht einen CG bezahlen zu müssen. Wir fanden aber keinen Ort, der uns zum campen so richtig gut erschien und so standen wir um etwa 20.30 Uhr doch plötzlich vor dem Zeltplatz. Der hiess irgendwss mit Hot Coal Mine CG und für ein Zelt mussten wir $ 15.75 bezahlen. Ok wass soll’s, so machten wir das eben (103.98 km in 7.29 Stunden). 
Am Tag darauf war die Landschaft immer noch genau gleich mit Ausnahme zweier wunderschöner Seen mit kristallklarem Wasser und teilweise hellen Böden, so dass das Ganze fast wie karibisches Meer aussah. Paradisisch hübsch. Da wir aber noch absolut keinen Hunger hatten, war Pause machen witzlos und so ging es eben weiter. Da, wo wir schliesslich Zmittag assen, nach ca. 60 km, war wieder alles voller Erdbeeren, aber immer noch nicht reif. So blöd. Und nach weiteren 17 km hatten wir schon die Braeburn Lodge erreicht. Von diesem Ort hatten wir gehört, das Restaurant ist berühmt für seine riesigen Cinnamon Rolls und für die grossen Portionen guten Essens, das es da gibt. Obwohl noch immer völlig satt, gingen wir rein, redeten mit dem sympatischen Besitzer, kauften eine Cinnamon Roll und nachdem Martina fand, wir könnten ja mal in die Speisekarte gucken, kam es wie es kommen musste und wir bestellten einen Burger, zum teilen natürlich. Auch ohne Hunger war der mega gut und eine Hälfte war locker genug um festzustellen, dass man, wenn man so richtig hungrig wäre, problemlos einen ganzen verputzen könnte. Die Braeburn Lodge, die auch ein Stopp des Yukon Quests ist und ungefähr in der Mitte zwischen Whitehorse und Carmacks liegt, ist also unbedingt einen Zwischenhalt wert, nicht nur für Ciclistas. 

Extrem lärmende Flatterviecher.


Mit sehr vollen Mägen setzten wir uns wieder auf die Velos und strampelten einen Hügel hoch und hofften, dass die drohenden Wolken nicht ernst machen würden. Diesmal hatten wir Pech und es begann zu regnen. Nicht fest zuerst und wir ignorierten das erst mal. Wir checkten einen von einem Autofahrer epfohlenen Kiesplatz ab, fuhren dann aber nochmals weiter. Bei der Fox Lake Fire Rest Area suchten und fanden wir dann einen halbwegs geeigneten Ort. Leider ging Martinas Strategie des Abwartens nicht auf und anstatt in leichtem Regen stellten wir das Zelt schlussendlich im ausgewachsenen Schiffwetter auf (87.77 km in 6:15 Stunden). 
Netterweise war der Regen bis zum Morgen vorbeigezogen, zu verdanken hatten wir das vermutlich aber dem fiesesten Wind seit sehr langer Zeit. Böhig, stark, meist von vorne, oft auch heimtückisch von der Seite, gab er sich alle Mühe, uns fertig zu machen. Stundenlang, immer und immer wieder. Der Himmel war meist bewölkt und es war kalt, zusammen mit der Pusterei sogar sehr ungemütlich kalt. Wieso zur Hölle wird es immer kälter, je weiter wir in den Süden kommen? Das ist falsch, dort müsste es doch wärmer sein. Dabei wäre die Landschaft recht hübsch gewesen, speziell die Fox Lakes entsprachen typischen kanadischen Klischeebildern. Ganz risikolos war es allerdings nicht das Velo abzustellen um Fotos zu machen. Da musste man sich schon vergewissern, von wo der Wind nun genau blies, sonst wäre so ein Velo nicht lang stehen geblieben. 

Little Fox Lake.

Fox Lake.

Blumen bunt gemischt.


Wenn man gerade 40 km lang gegen den Wind gekämpft hat, ist der Anblick des Schildes mit der Information, dass es bis Whitehorse noch weitere 50 km sind (uns es ja vermutlich so weitergehen wird), nicht gerade übermässig motivierend. Allerdings muss man zugeben, dass der Wind auf ein paar Kilometerlis etwas schwächer gewesen war, was natürlich schon Hoffnungen geweckt hatte. Nach der Mittagspause ging es dann aber über ein kleines Hügeli und wir hatten eine rund 10 km lange Gerade vor uns. Keine Kurve, kaum Wellen, einfach schnurgeradeaus ging es da. Und natürlich gab es da auch nichts, dass die agressive Luft aufhalten oder sonst irgendwie beschwichtigen könnte, sprich es war schlicht beschissen. 
Etwa 12 km vor Whitehorse bogen wir schliesslich auf den Alaska Highway ein. Positiv: andere Richtung und damit etwas weniger Wind, negativ: viel mehr Verkehr. Aber auch diese letzte Strecke hatten wir irgendwann gebodigt und es ging den 2 Mile Hill hinab ins Zentrum von Whitehorse. Dieser Hügel war recht steil, was ich normalerweise unterhaltsam finden würde, da ich aber immer noch mit nur einer Bremse unterwegs war, war das diesmal nicht so witzig. Ist einfach ein doofes Gefühl zu wissen, dass man unmöglich schnell bremsen könnte, wenn man denn müsste. Glücklicherweise muss man aber sehr selten sehr aprupt anhalten und so war das schliesslich überhaupt kein Problem. Auch die Orientierung in der Stadt stellte uns vor keine Rätsel, abgesehen davon, dass der McDonald’s uns erst mal von der geplanten Route weglockte. Dort gab es Papas Fritas und Internet. Also machten wir einen kurzen Abstecher, assen je eine grosse Portion Pommes Frites und checkten Mails. Gerade als wir gehen wollten, kam Jasmin vorbei, die wir schon auf dem Dempster zweimal getroffen hatten. So blieben wir eben nochmals sitzen und tauschten Neuigkeiten aus. 
Todmüde wie wir waren, brachen wir aber doch bald auf. Weit konnte es nicht mehr sein und als wir den Yukon, hier noch kein Riese dafür aber schön blaugrün war, überquert hatten, waren wir schon fast da. Ein grosses Gebilde aus Velorädern zeigte uns an, dass wir Philippes Haus gefunden hatten. Er, ehemaliger Besitzer eines Bike Shops und nun Bastler und Künstler, hat immer noch Unmengen von Velos und Veloteilen in seiner Werkstatt und Hinterhof. Ein kleines Flecklein Wiese war frei und irgendwie gelang es uns sogar, dort das Zelt draufzustellen. Und Philippe als professioneller Velomech konnte mir am nächsten Morgen denn auch helfen, mein Bici zu flicken, sprich er hat in seinem unerschöpflichen Vorrat an Ersatzteilen eine passende Bremse gefunden und auch meine Gänge neu kalibriert. Er hat auch den Grund für die andauernden Schaltprobleme entdeckt. Anscheinend hat die Distanz zwischen Derailer und Ritzel nicht genau gestimmt, und zwar seit Beginn weg. Mit einem kleinen Scheiblein zwischen Drop-out und Derailer soll das Problem nun gelöst sein. Werden wir ja sehen. Martinas Veloständer hat eine Verstärkung angeschweisst gekriegt und nun sind unsere Velos schon wieder startbereit. Ich habe auch einen neuen Rückspiegel und einen billigen Bidon gefunden, da ich einen auf dem Zeltplatz in Carmacks stehen gelassen habe. 

Radgebilde vor dem Haus...

...und unzählige Velos und -teile hinter dem Haus.


Weitre interessante Feststellung. Hier in Whitehorse ist es nicht nur viel kälter als z.B. in Inuvik, es wird inzwischen auch schon wieder fast dunkel, was natürlich zur Schlafqualität beiträgt. Auch dass es kälter ist, ist gar nicht unangenehm sobald wir in den Schlafsäcken sind, kühlere Temperaturen führen zu weniger Schweissausbrüchen. Inzwischen habe ich auch meine Distanz-Buchhaltung wieder nachgeführt und bin zum Schluss gekommen, dass ich in den ersten paar Tagen auf dem Dempster meinen 25‘000. Kilometer abgestrampelt habe. 
@ Flo: Wie usfahre hät sich die Strecki im Fall nöd agfühlt. Womer z'Whitehorse acho sind, simmer platter gsii we bi de Akunft z'Inuvik. De Wind laat grüesse.