David gegen Goliath: Olympus OM-D E-M1 gegen Nikon D810

Erstellt am 13. Juni 2015 von Markuswaeger @markuswaeger

Eigentlich ist der Titel dieses Artikels (wieder einmal) nicht ganz korrekt. Tatsächlich geht es mir nicht um einen Vergleich der OM-D mit der D810 sondern um die Erörterung des Nutzens hochauflösender Sensoren. Dass ich eine OM-D zum Vergleich heranziehen würde bot sich an, da ich damit arbeite. Ich hätte sie aber ebensogut gegen die neue 50-Megapixel-Canon oder die angekündigte 42-Megapixel-Sony antreten lassen können – es war für mich halt eben nur eine D810 mit 36 Megapixel verfügbar (mein Dank an Foto Hebenstreit für das Leihgerät).

Ich hege keinen Zweifel, dass die Nikon D810 mit entsprechenden Objektiven die Möglichkeiten der Abbildungsqualität einer E-M1 in den Schatten stellt. Es ist keine Frage, dass eine Kamera mit APS-C- oder Kleinbildsensor das kleinere Micro-FourThirds-Format noch lange, vielleicht auch dauerhaft, ausstechen wird. Wer reine Abbildungsqualität über alle anderen Aspekte stellt, für den gilt tatsächlich: Je größer (der Sensor) desto besser.

Für mich jedoch ist eine Kamera mehr als eine Summe von Messwerten aus Labortests. Es gilt die Vorzüge maximaler Abbildungsleistungen gegen andere Qualitäten abzuwägen. Natürlich kann ein LKW mehr transportieren als ein PKW – aber soll ich mir deshalb einen kaufen und die Nachteile beim Tanken und Parken in Kauf nehmen nur weil ich vielleicht einmal im Jahr etwas wirklich Großes transportieren will?

Nach zwei Jahren OM-D erscheint mir die D810 klobig und fett in Händen – kein Gedanke daran, dass ich zu dicken Spiegelreflexapparaten zurück kehren möchte. Geil jedoch finde ich den Shutter-Sound der D810. Klang meine Nikon D700 im Serienbildmodus wie ein Maschinengewehr, erinnert mich der Auslöserklang des D810-Shutters eher an eine Photonenpistole.

Dynamikumfang

Besitzer der D810 schwärmen nicht zu Unrecht vom enormen Dynamikumfang der D810 – mit beinahe 15 Lichtwerten eine andere Liga als die OM-D mit etwa 12,5 Lichtwerten. Zwar ist der Vergleich des Dynamikumfangs nicht Teil meines kleinen Tests hier, aber da es kaum Mehraufwand darstellt zeige ich zwei Aufnahmen um den Unterschied zu veranschaulichen.

Realtextmotiv 1, Nikon D810 mit Stativ aufgenommen

Für meinen Test habe ich mich für drei Motive entschieden. Als Realmotiv mit Stativ habe ich mich für den Saal einer Kirche (oben). Die beiden nachfolgenden Bilder zeigen je eine Aufnahme der D810 und der E-M1 bei der ich in Capture One das Maximum an wiederherstellbaren Lichtern heraus gekitzelt habe.

Der große Dynamikumfang erlaubt eine umfangreiche Wiederherstellung von überbelichteten Lichterpartien (vergleiche mit den völlig weiß ausgefressenen Fenstern in der Abbildung oben).

Mehr war aus dem Dynamikumfang der OM-D E-M1 (ca. 12 LW im Unterschied zu ca. 14 LW bei der D810) nicht rauszuholen.

Aufnahmen aus freier Hand

Wer sich für eine Kamera mit hoher Auflösung entscheidet muss sich bewusst sein, dass Verwackelung entsprechend feiner aufzeichnet wird – hohe Auflösung ist wie eine Lupe für die Unruhe bei der Kamerahaltung.

Üblicherweise gilt die Faustregel man könne etwa den Kehrwert der Brennweite aus freier Hand halten. Das bedeutet bei 200mm sollte sich 1/200s halten lassen, bei 100mm 1/100s und bei 35mm 1/35s. Für diesen kleinen Test habe ich Topfpflanzen mit unterschiedlichen Verschlusszeiten mit D810 und 35mm- und E-M1 mit 17mm-Objektiv fotografiert.

Die nachfolgenden Abbildungen sind 100-%-Ausschnitte aus diesem Motiv und entstanden aus freier Hand

Viel Kaffee und eine etwas unglückliche Körperhaltung haben wohl dazu beigetragen, dass diese 35-mm-Aufnahme bei 1/25s »so extrem« verwackelt ausgefallen ist (Nikon D810, Sigma 35mm ƒ1.4, 1/25s).

1/50s sollte sich nach Faustregel eigentlich aus freier Hand halten lassen. Allerdings nicht, wenn der Sensor mit 36 Megapixel auflöst! (Nikon D810, Sigma 35mm ƒ1.4, 1/50s)

Dass 1/100s bei 35mm noch immer so verwackelt ausgefallen ist, ist mit Sicherheit einer übertriebenen Tagesration Kaffee und einer gebückten Körperhaltung zuzuschreiben (Nikon D810, Sigma 35mm ƒ1.4, 1/100s).

1/200s – jetzt ist’s scharf (Nikon D810, Sigma 35mm ƒ1.4, 1/200s). Allerdings nur relativ scharf, denn selbst exzellente Objektive liefern einem 36-MP-Sensor nicht mehr genug Schärfe um dieselbe Detailzeichnung wie bei einer Nahaufnahme zu erzielen.

Diese Nahaufnahme (E-M5, M.Zuiko 60mm ƒ2.8 Macro, Nahaufnahme bei Blende ƒ4.5 bei 1/200s) hat dieselbe Auflösung wie der 100-%-Ausschnitt aus dem D810-Bild darüber, allerdings ist es eine Nahaufnahme die darauf hinuntergerechnet wurde. Es ist eben ein Irrglauben man könne durch einen »Crop« dieselbe Qualität wie mit einer näheren oder Teleaufnahme erzielen – je enger der Crop gezogen wird, desto größer wird der Unterschied der Detailschärfe im Vergleich zur näheren Aufnahme!

Olympus OM-D E-M1, M.Zuiko 17mm ƒ1.8, 1/60s – trotz großer Mengen Kaffees und verkrampfter Körperhaltung zeigt die Abbildung akzeptable Schärfe. Da es sich jedoch auch hierbei um einen (100%) Crop handelt kann die Schärfe natürlich auch nicht mit der Nahaufnahme aus dem Beispiel darüber mit halten.

Olympus OM-D E-M1, M.Zuiko 17mm ƒ1.8, 1/30s; ja, ja – Kaffee ist der Feind scharfer Bilder.

Schärfevergleich anhand eines Testcharts

Der Kern des Vergleichs dieses Artikels war herauszufinden um wie viel besser die Detailschärfe ist, wenn eine hohe Auflösung durch native Auflösung des Sensors erreicht wird, als durch Interpolation einer Aufnahme eines Sensors mit geringerer Auflösung.

Wie komme ich überhaupt auf die absurde Idee, dass eine vergleichbare Qualität zu erreichen sein könnte? Ganz einfach: Das Resultat des Aufblasens von Bildern via Interpolation ist Unschärfe. Je höher wiederum die Auflösung eines Sensors, desto eher zeichnet er statt schärferer Details, Schwächen in der Detailschärfe der Optik auf – das Resultat ist ebenfalls Unschärfe.

Für einen ersten Test pappte ich wieder mein Testchart an meine Bürotür und nahm eine Reihe von Testbildern auf.

Testchart – orange markiert: Die Ausschnitte der nachfolgenden Abbildungen

Die Nachfolgenden Aufnahmen zeigen 100-%-Ausschnitte von Aufnahmen des Testcharts oben. Die beiden D810-Abbildungen sind unveränderte Ausschnitte aus den Originalen, die Ausschnitte der E-M1-Abbildungen hingegen stammen aus Bildern die von Capture One von 16 Megapixel auf 36,3 Megapixel hochgerechnet wurden (151%).

Links oben befindet sich jeweils das interpolierte E-M1-Bild – mit M.Zuiko 12–40mm bei 38mm und Blende ƒ4.0 aufgenommen. Rechts daneben je eine Aufnahme der D810 mit 24–120mm ƒ4 bei Blende 8. Unten links der Ausschnitt von Aufnahmen mit D810 und Sigma 35mm ƒ1.4 bei Blende ƒ4.

Zwei Nikon-Objektive waren mir wichtig um die Auswirkung der Optik auf die Qualität sichtbar zu machen. Die Tests zeigen, dass 36 Megapixel mit einem Standardzoom kaum bessere Resultate liefern als interpolierte Aufnahmen einer 16-Megapixel-Kamera die mit exzellenter Optik aufgenommen wurden. Die Sigma-Festbrennweite wiederum soll demonstrieren was man etwa Maximal von dieser Auflösung erwarten darf.

Die interpolierte Aufnahme zeigt gegenüber der Aufnahme mit Standardzoom Stärken und Schwächen.

Bei der Interpolation wird in der Regel geschärft was wohl zum Eindruck führt, dass das hochgerechnete Bild etwas besser ist als die Aufnahme des Standardzooms.

Beobachtet man bis zu welchem Bereich sich noch einzelne Linien unterscheiden lassen, stellt die interpolierte Aufnahme das Schlusslicht in diesem Vergleich dar. Auf den ersten Blick jedoch fällt es schwer einen klaren Sieger zu erkennen.

In diesem Bereich scheint speziell das Sigma etwas zu schwächeln und markiert überraschenderweise das Schlusslicht.

Das Raster im Randbereich des Testcharts scheint vom Olympus-Objektiv am schärfsten aufgenommen worden zu sein – hier müsste man die interpolierte Version zum Sieger küren.

Vergleich anhand eines Real-Live-Motivs

Natürlich fotografieren die wenigsten von uns Testcharts, weshalb Laborergebnisse auch immer etwas mit Vorsicht zu genießen sind. Was zählt ist was in der Praxis bei Real-Motiven aus einer Kamera herauszuholen ist.

Zu meiner Überraschung zeigt sich die D810 in dieser Disziplin als klarerer Sieger als vor dem Testchart – ich hätte eigentlich das umgekehrte Ergebnis erwartet. Ob es damit zu tun hat, dass ich für diese Aufnahme an der E-M1 das 17mm ƒ1.8 statt des 12–40mm ƒ2.8 gegen die Sigma 35mm-Festbrennweite antreten ließ – ich weiß es nicht.

Nikon D810, Sigma 35mm ƒ1.4, ƒ8, 1/6s; am Computerbildschirm üblicherweise bei etwa 100ppi dargestellt (in Browser auch bei hochauflösenden Bildschirmen)

Olympus OM-D E-M1, M.Zuiko 17mm ƒ1.8 bei Blende ƒ4.0 – der Unterschied in der Detailqualität ist unübersehbar

Zu meiner Überraschung fiel der Unterschied hier im Browser deutlicher aus als in Photoshop. Der Grund: Photoshop CC nutzt die 220ppi meines Retina-MacBooks in der 1:1-Ansicht und zeigt die Ausschnitte deshalb nur halb so groß an wie der Browser – in der Browser-Darstellung wird in der Regel auch auf hochauflösenden Displays eine (ca.) 100-ppi-Auflösung simuliert.

Im Druck ist die Auflösung sogar noch einmal höher als auf einem Retina-Display – üblich sind 300ppi. Das heißt, dass ein Bild etwa drei Mal kleiner aus einem Drucker kommt als es in euren Browsern (wahrscheinlich) angezeigt wird. Das heißt auf Papier würde das dann etwa so aussehen, wie in den Abbildungen unten. Die kleinere Wiedergabe relativiert natürlich auch die Unterschiede der Detailschärfe zwischen interpoliertem und nativem Bild.

Die Druckwiedergabe erfolgt üblicherweise mit 300ppi, nicht wie am Bildschirm mit 100ppi. Daraus ergibt sich eine Wiedergabe die drei Mal kleiner ist als die Anzeige am Monitor.

Vergleicht man diesen Ausschnitt einer Aufnahme der OM-D E-M1 mit 17mm ƒ1.8 bei Blende ƒ4 mit dem Ausschnitt der Aufnahme darüber der D810 mit Sigma 35mm ƒ1.4 bei Blende ƒ8 relativiert sich der Unterschied.

Fazit

Natürlich ermöglicht die D810 bessere Abbildungsqualität und Detailschärfe als die E-M1 – das war nicht anders zu erwarten. Ein größerer Sensor ist ein größer Sensor – da führt die Physik drüber! Die Beispiele demonstrieren jedoch die Nachteile der hohen Auflösung demonstrieren (Verwackelung) und zeigen, dass der Unterschied zwischen echten  und interpolierten 36 Megapixeln relativ gering sind – die Grenzen der möglichen Schärfeleistung die Linsen heute erreichen können relativieren den Wert einer höheren Auflösung.