David Byrne: In gutem Glauben

David Byrne: In gutem GlaubenDavid Byrne
„American Utopia“

(Nonesuch Records)
Daß der Gutmensch in letzter Zeit so in Verruf geraten ist, liegt nun wirklich nicht daran, weil es einige wenige mit dem Engagement etwas übertrieben haben (denn das, liebe Freunde, geht gar nicht). Es hat vorrangig damit zu tun, daß viele mittlerweile der Ansicht sind, zuviel Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit schade dem eigenen Karma, mache weich und schwach und ob man nun etwas Gutes tue oder nicht sei sowieso egal, denn die Welt gehe eh über kurz oder lang vor die Hunde. Also besser weiter Ellbogen raus und mir das meiste. Wie gut tut es da, einen wie David Byrne, kluger Kopf der einstmals so wunderbaren und unerreichten Talking Heads, zu hören. Denn anders als viele von uns will der nicht in die grassierende Schlechtmacherei und das laute Gejammer einstimmen, sondern behauptet frech das Gegenteil – mittels seiner Website und Vortragsreihe „Reasons To Be Cheerful“ möchte er uns glaubhaft vermitteln, es gäbe weitaus mehr gute Dinge zu berichten als angenommen. Er ist also nicht nur ein Gutmensch, sondern auch ein Gutgläubiger.

Was Wunder, daß auch sein aktuelles Album „American Utopia“ recht aufmunternd daherkommt. Byrne ist ja seit jeher ein großer Anhänger der Weltmusik, seit Jahren musiziert er mit den verschiedensten Künstlern und Künstlerinnen und verspürt einen ungebändigten Spaß am Mix der Genres und Kulturen, er schreibt für Musicals, Opern, Filmscores und TV-Serien. Ein Macher, ein Wusler, ein Arbeitstier, dem man gern zuhört, weil er etwas zu sagen hat und weil das (wie in letzter Zeit ja gern getitelt wird) auch wirklich Sinn macht – Stichwort: „Start making sense“. Denn von Plattheit und Heileweltgedöns ist sein Utopieentwurf natürlich Lichtjahre entfernt, vielmehr geht er die Sache gewohnt provokant und humorvoll an.
Und der Humor ist bitterböse, vom ersten Takt an: „I Dance Like This“ gibt die Richtung vor mit Zeilen wie “And the truth don't mean nothing, if you ain't got the cash, a credit card mommy, an invisible dad, career opportunities, that you never had“ –  ist das schon der Tanz auf dem Vulkan? Das Leben als Wunder oder als unbezahlte Rechnung (je nach Sichtweise), der Mensch mit dem Hirn eines Hundes, gefangen im Themenpark, den er das Leben nennt, Song auf Song viel Bissiges, Amüsantes, Befremdliches, man fühlt sich bestens unterhalten, auch wenn einem das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt. Allein die Beschreibung, wie sich ein Geschoss durch Haut, Magen, Herz und Kopf eines fiktiven Opfers bohrt, ist von ungemein schräger Poesie.
Der Sound dazu ist nicht minder spannend. Fast so, als ob Byrne seinem eigenen Genie nicht trauen wollte, hat er sich für die Kompositionen noch jede Menge erlesene Verstärkung ins Studio geholt – dort trifft man dann Brian Eno, Daniel Lopatin aka. Oneohtrix Point Never, Jack Penate, Sampha, Thomas Bartlett, Dev Hynes und mehr. Dafür, daß Byrne in diese Männerschar keine einzige Frau lud, hat er im Zeichen von #metoo gerade ein wenig Prügel einstecken müssen – die Entschuldigung seinerseits kam prompt, weshalb man (eingedenk seiner herausragenden Arbeiten mit Anna Calvi, St. Vincent oder Cindy Sherman) an die Sache auch gleich wieder einen Haken machen kann. Das Album jedenfalls groovt, federt, funkt ganz fabelhaft, zum Piano gibt’s mal wuchtige Drums, gleich zu Beginn ein paar garstige Technosequenzen und mittendrin pfeift er sich sogar eins: „There's only one way to read a book and there's only one way to watch tv, well there's only one way to smell a flower, but there's millions of ways to be free“, heißt es dann. Mit den Songs wird’s noch leichter… http://davidbyrne.com/
26.06.  Wien, Museumsquartier
27.06.  Berlin, Tempodrom
17.07.  Zürich, Theater 11

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