David Berger
Papst Franziskus gibt ein großes Interview – und ein großes Medienecho folgt. “Aufbruch von oben” titelt der Spiegel. “Neue Töne aus Rom” - so die tagesschau.de. Doch kann man wirklich von einem Aufbruch von oben oder gar von einem Offenbarungseid sprechen? Wir fragten bei David Berger nach.
diefreiheitsliebe: Grüß Dich David. Die Medien & Katholiken sind in Aufruhr. Der Grund: Das große Interview mit Papst Franziskus. Was wird dieses Interview verändern?
David Berger: Dieses Interview wird (hoffentlich) den Ton in der katholischen Kirche generell verändern, wenn es um Homosexualität geht. Und es ist eine Abrechnung von Franziskus mit seinem Vorgänger: wenn Franziskus davon spricht, man solle Fragen wie der nach Homosexualität und Kirche keinen zentralen Platz mehr einräumen, dann ist das eine klare Absage an den homophilen Verfolgungswahn, den sein Vorgänger umtrieb. Benedikts gesamte Moraltheologie und Kirchenpolitik war getrieben von einer neurotischen Angst vor schwulen Männern. Das ist bei Franziskus nicht mehr der Fall.
In einem früheren Interview sprachtest du davon, dass die Anzahl der reaktionären Katholiken zunimmt. Papst Benedikt sorgte dafür, dass im Vatikan Liberale und Reformer durch erzkonservative Katholiken ersetzt wurden. Wie kann Papst Franziskus so strukturelle Veränderungen vornehmen?
Franziskus wird möglichst rasch – noch bevor die Kurie sich seiner erledigt – auch in der Personalpolitik klare Wegmarken setzen müssen. Noch ist fast die gesamte Führungsetage der katholischen Kirche von reaktionären Männern besetzt, die Benedikt dort hinbefördert hat. Schau Dir nur Deutschland an: die wichtigsten Bischofsstellen von München und Limburg über Köln und Essen bis nach Berlin sind von Männern eines homophoben, frauenfeindlichen Katholizismus besetzt. Zuerst kann Franziskus an der anstehenden Nachfolgeregelung für Kardinal Meisner von Köln zeigen, ob er wirklich gewillt ist, eine echte Reform zu wagen.
Während des gesamten Interviews nahm Papst Franziskus kein Blatt vorm Mund und sagt öffentlich “Ich bin ein Sünder” – wie ernst kann man seine Worte nehmen wenn man sich seine düstere Vergangenheit vor Augen führt?
Naja, solche frommen Floskeln besagen gar nichts. Auch Benedikt hat diese fromme Floskel immer wieder gebraucht. Dass wir alle Sünder sind gehört zum Repertoire der frommen Sprüche in der katholischen Kirche, ja ist Bestandteil einer Machtstrategie. Sünder bzw. Menschen, die Leichen im Keller bzw. ein schlechtes Gewissen haben, werden sich immer loyal und gehorsam verhalten. Sie haben nicht den Mut und die Kraft (auch gegen Unrecht) aufzustehen.
Es scheint als spaltet, polarisiert sich die Kirchenanhängerschaft. Ist das der Weg, der zu einer modernen Kirche führt?
Bisher zeigt sich keine wirkliche Spaltung. Das sind einige, sehr kleine reaktionäre Gruppen, die sich jetzt zunehmend von Rom distanzieren. Die große Masse an Menschen sieht eine charismatische Gestalt, ihnen vermittelt durch die Medien, die Franziskus ganz auf seiner Seite hat. Genauso überkritisch wie die Medien (sieht man einmal von der Bild und dem Focus ab) mit Benedikt umgehen, gehen sie nun völlig kritiklos mit Franziskus um. Unter PR-Aspekt hätten die Kardinäle im vergangenen Frühjahr nicht geschickter wählen können.
Wird sich die Rolle der Frau und der Homosexuellen in der Kirche noch mit Franziskus verändern?
Es wird nur einen Mentalitätswandel geben. In der Sache wird alles beim alten bleiben. Das hat Franziskus immer wieder ganz klar gesagt: keine Priesterweihe (Gleichberechtigung) für Frauen, keine Akzeptanz homosexueller Lebensweisen. Die Konservativen Wahrer des reinen Glaubens haben keinen Grund sich Sorgen zu machen. Was sich jetzt verändert hat: die Frauen werden netter behandelt, wenn sie die Sakristei putzen und Schwule werden nicht mehr (verbal) totgeschlagen, wenn sie Sex hatten. Sie werden nun voll Mitleid als reuige Sünder in den Beichtstuhl geschickt. Wo ihnen – vorausgesetzt sie bereuen es, dass sie Spaß an Sex hatten – die Barmherzigkeit der Vergebung durch die Kirche zuteil wird. Dass da nun eine Organisation wie de HUK („Homosexuelle und Kirche“) jubeln kann: „Katholischsein macht wieder Spaß“ ist mir eigentlich nur erklärbar, wenn deren Mitglieder ganz stark an ekklesiogenem Masochismus leiden.
David, wir danken Dir für das Gespräch.
[Übernahme von: Die Freiheitsliebe]