"Das zufällige Leben der Azalea Lewis" und wie irritierend doch manche Cover sind
Von CollectionofbookmarksIch mag es sehr gerne, von Büchern überrascht zu werden; wenn man den Klappentext liest und merkt, dass sich dahinter einer wundervolle Geschichte verbirgt, man aber selbst noch nicht erahnen kann, welche Richtung diese einschlagen wird. Wie ihr euch an dieser Stelle bereits denken könnt, ist Das zufällige Leben der Azalea Lewis genau solch ein Werk. Cover und Beschreibung ließen auf ein positives, vielleicht sogar etwas verrücktes Buch schließen; wahrscheinlich mit einer süßen Liebesgeschichte darin; nicht flach, aber auch nicht besonders anspruchsvoll. Aber dann liest man die ersten Seiten und spürt, dass man wohl etwas fehlgeleitet wurde, dass hier Größeres versteckt liegt, dass man auf eine Geschichte gestoßen ist, die man nicht mehr so einfach vergessen wird.
Ja, es geht um Schicksal und Zufälle; ja, es gibt eine Liebesgeschichte (eigentlich sind es sogar ein paar mehr) und ja, dieses Buch passt sehr gut ins script5-Programm, da es den gewöhnlichen Jugendbuchrahmen so sehr sprengt, dass wir hier eher von junger Belletristik sprechen müssen. Aber das eigentlich Aufwühlende - das Tiefgründige - erleben wir nicht im Büro des Zufallsexperten Thomas Post, sondern in einer Mission in Afrika, wo wir auf gutherzige Menschen, aber auch auf brutale Religionsfanatiker und blutige Bürgerkriege stoßen. Der Autor umgarnt uns so mit seiner Protagonistin und deren Vergangenheit, dass wir erst gar nicht bemerken, auf welchen anderen Weg er uns gleichzetig führt. Welche Welt er uns sehen lässt, die wir, hätten wir vorher gewusst, was uns erwartet, vielleicht gar nicht hätten sehen wollen.
Selten lässt mich ein Buch so verstört zurück und kann mich gleichzeitig mit seinem Humor und seiner Sprache dermaßen packen, dass es mich auch im geschlossenen Zustand die ganze Zeit verfolgt. Ich habe mich vorher für einen aufgeklärten Menschen gehalten, der um die Leiden der Welt weiß; doch muss ich gestehen, dass ich nicht besser bin als jene Ignoranten, die glauben, es reiche, zu Weihnachten eine UNICEF-Spende zu tätigen um mit seinem Gewissen im Reinen zu sein. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich behaupte, ein Buch hätte mir die Augen geöffnet, aber hier fällt mir keine bessere Aussage ein.