THREE GODFATHERS
USA 1936
Regie: Richard Boleslawski
Darsteller: Chester Morris, Lewis Stone, Walter Brennan, Irene Hervey, Sidney Toler, u.a.
Drehbuch: Edward E. Paramore Jr. und Manuel Seff
Studio: MGM
Deutschsprachige TV-Auswertung 1986 unter dem Titel Das Wunder in der Wüste
Dauer: 86 min
DER FILM:
Three Godfathers ist eine Verfilmung von Peter B. Keynes gleichnamigem Roman von 1913. Es gibt einen weiteren Film mit diesem Titel, er stammt aus dem Jahr 1948 und wurde von John Ford realisiert – und dieser hatte den Stoff bereits 1919 einmal verfilmt. Streng genommen ist nur Fords zweiter Film ein Remake, während es sich bei allen anderen Werke um Adaptionen handelt.
William Wylers Version, Hell’s Heroes von 1929, wurde in diesem Blog bereits behandelt – siehe hier. In der folgenden Rezension wird darauf Bezug genommen.
INHALT:
Zur Adventszeit besuchen drei Reiter das friedliche Western-Städtchen New Jerusalem. Der eine, Bob, ein übler Geselle, ist hier aufgewachsen. Er und seine zwei Kumpels mischen sich unter die Gäste einer Vorweihnachtsfeier – am nächsten Tag rauben sie die örtliche Bank aus und verschwinden in der Wüste. Dort finden sie in einem verlassenen Planwagen eine sterbende Frau und ein Baby. Bobs beiden Kumpane beschliessen gegen den Willen ihres Anführers, das Kind mitzunehmen und zu versorgen. Den mörderischen Weg durch die Wüste überlebt nur Bob – und das Kind. Am Ende seines Lebens rafft sich der Ganove auf und wird zum Märtyrer.
Richard Boleslawski (links) am Set von “Three Godfathers” mit zwei Baby-Darstellern und Kameramann Joseph Ruttenberg
REGIE:
Richard Boleslawski gehört zu den heute kaum mehr bekannten Filmregisseuren. Er drehte in den USA nur gerade 16 Filme, davon sind heute den Filmkennern höchstens The Painted Veil (dt.: Der bunte Schleier, 1934) mit Greta Garbo und The Garden of Allah (dt.: Der Garten Allahs, 1937) mit Marlene Dietrich bekannt. In der Theaterwelt Amerikas allerdings spielte Boleslawski eine sehr grosse Rolle; sein Wirken beeinflusste Generationen von Schauspielern – bis heute.
Richard Boleslawski (eig. Boleslaw Ryszard Srzednicki) stammte aus Polen und absolvierte die Schauspielschule in Moskau unter Konstantin Stanislawski (ja, der mit der Stanislawski-Methode!). Nachdem Boleslawski in drei russischen Filmen mitspielte und in drei weiteren Regie führte, war er im deutschen Stummfilm Die Gezeichneten von Carl Theodor Dreyer letztmals als Schauspieler zu sehen. Danach ging er nach Amerika, wo er zusammen mit Maria Ouspenskaya zum Wegbereiter der Stanislawski-Methode wurde (in den USA bald in “method acting” umbenannt). Er gründete die Theaterschule American Laboratory Theater. Lee Strasberg, Stella Adler und Harold Clurman gehörten zu seinen Schülern – alles Mitglieder des späteren Group Theater, welches das erste Ensemble war, das in den USA Stanislawskis Techniken anwendete.
Boleslawski verfasste auch zwei damals vielbeachtete Bücher über das Schauspielen (Acting. The First Six Lessons, USA 1933, deutsch 2001 im Verlag Eigene Werte unter dem Titel Acting. Die ersten sechs Schritte. Das zweite war New Features In Acting, USA 1935).
Als er 1930 angefragt wurde, im Tonfilm Regie zu führen, begann damit für ihn eine zweite Karriere. Er drehte damals vielbeachtete Prestigeprojekte mit den grössten Stars jener Zeit, verstarb aber zu früh, um zu dauerhaftem Ruhm als Filmregisseur zu gelangen. Während der Dreharbeiten zu seinem letzten Film (The Last Of Mrs. Cheyney, 1937, mit Joan Crawford) und kurz vor seinem 48. Geburtstag verstarb er plötzlich und ohne Vorzeichen unter ungeklärten Umständen.Three Godfathers war sein viertletzter Film.
Weiss man um seinen Werdegang und schaut sich diesen Film an, dann überrascht einen die Erkenntnis, dass Boleslawskis Hauptaugenmerk den Schauspielern gilt, nicht. Immer wieder zeigt er ihre Gesichter in – manchmal extremen – Nahaufnahmen, um ihre Gefühle hautnah einzufangen; auch in Halbtotalen verweilt er oft lange auf ihren Gesichtern, lässt sie längere Monologe vor der Kamera durchziehen. Der Landschaft widmet er nicht halb so viel Zeit, auch nicht gelungenen Cadragen. Die Bildsprache scheint den Bühnenmenschen Boleslawski weniger zu interessieren als die Akteure – sie weiss er dafür besonders gut in Szene zu setzen. Er hält sich genau ans Drehbuch und nimmt dabei – anders als Wyler – Sentimentalitäten und Pathetismen in Kauf.
DIE SCHAUSPIELER:
Von den drei Desperados vermag in diesem Film nur gerade Walter Brennan restlos zu überzeugen. Die anderen beiden sind fehlbesetzt, sie wirken deplatziert: Chester Morris ist ein derart schändlicher Bösewicht, dass man ihm die Wandlung zum Guten am Schluss nicht abnimmt. Doch ausgerechnet damit steht oder fällt der Film! Man kann nicht mal sagen, Morris mache seine Sache schlecht; es ist das Drehbuch, das hier nicht das richtige Mass findet, und da Boleslawski zu sklavisch dran klebt, läge es an Morris, wenigstens mimisch Gegensteuer zu geben. Doch Subtilitäten scheinen dessen Sache nicht, und so verkommt seine Figur zum eindimensionalen Abziehbild.
Lewis Stone und Walter Brennan fällt die dankbarere Aufgabe zu – ihre Charaktere sind vielschichtiger. Allerdings erscheint gerade der von Stone gespielte Doc gar kein Desperado, geschweige denn ein Bankräuber zu sein, so kultiviert, belesen und sanft wie er ist. Nur gerade Walter Brennan, der den simplen Analphabethen Gus gibt, nimmt man seine Rolle und seine Funktion im Ganzen ab. Brennan spielt Gus mit komischem Touch und findet genau die Balance zwischen Komik und Tragik; er hat mehrere anrührende Momente im Film, die dank seiner Fähigkeit, ganz in der Rolle aufzugehen, nicht kitschig oder aufgesetzt wirken. So stehen dem beinharten Killer Bob zwei “Softies” gegenüber – man fragt sich ständig, was dieses Trio zusammengeführt hat.
Jean Kircher, die Darstellerin des angeblich neugeborenen Babys notabene, war bei den Dreharbeiten bereits ein Jahr und einen Monat alt. Das sieht man deutlich, was dem Realismus der Sache weiter abträglich ist.
DEKOR & KOSTUEME:
Die Kostüme irritieren: Chester Morris sieht mit seinem schwarzen, deutlich auf Bösewicht getrimmten Outfit aus, als käme er direkt aus einem Western-Comic. Lewis Stone wirkt die meiste Zeit über so, als hätte er seine Klamotten zwischen den Takes reinigen lassen. Keine Spur mehr von Wylers schmutzigem Realismus sieben Jahre zuvor.
Gedreht wurde, wie bereits bei Hell’s Heroes, in der kalifornischen Mojave-Wüste. Teile des Film wurden zudem im Red Rock Canyon State Park in Kalifornien gedreht.
FAZIT:
Three Godfathers 1936 wirkt heute – nicht nur im Vergleich mit der sieben Jahre älteren Version von William Wyler – etwas veraltet und angestaubt. Er legt deutlich mehr Gewicht auf auf die Sentimentalität der Geschichte und die Niedlichkeit des Babys (das immer wieder unmotiviert in Nahaufnahme zu sehen ist) als Wylers Film, der diesen Stolperfallen klug und wohltuend ausgewichen ist.
7/10
VORHER-NACHHER:
Richard Boleslawski dreht vor Three Godfathers im Jahr 1935 den Opernfilm Metropolitan mit dem Sänger Lawrence Tibbett, danach (auch 1936) The Garden of Allah (dt.: Der Garten Allahs) mit Marlene Dietrich und Charles Boyer.
Chester Morris gelangte nie zu grossem Ruhm. Vor Three Godfathers trat er in einer Minirolle als Piratenkäpten in Pirate Party On Catalina Isle von Gene Burdette auf, zusammen mit einem riesigen Aufgebot anderer Hollywood-Stars, danach war er im Mystery-Thriller Moonlight Murderer (Edwin L. Marin) zu sehen. Beide Filme wurden im Jahr 1936 gedreht. Bekannt wurde Morris in der Rolle des Detektivs Boston Blackie in der gleichnamigen Spielfilmserie aus den Vierzigerjahren. Seinen letzten Filmauftritt hatte Morris als Pop Weaver in Martin Ritts Film The Great Withe Hope (dt.: Die grosse weisse Hoffnung, 1970). Noch vor der Fertigstellung dieses Films verstarb er an einer Ueberdosis Schlaftabletten.
Lewis Stone hat vor Three Godfathers im Film Tough Guy (1935) von Chester M. Franklin gespielt, war aber darin nicht zu sehen, weil die Szenen mit ihm aus dem fertigen Film herausgeschnitten wurden; im Film nach Three Godfathers war er wieder zu sehen, und zwar im Sam Wood-Film The Unguarded Hour (1936). Stones trat in vielen Hollywoodfilmen als prominenter Nebendarsteller auf – zuletzt vor allem als Richter oder Anwalt – heute ist er aber praktisch vergessen.
Anders Walter Brennan, dessen Gesicht den amerikanischen Western vom Anfang der Tonfilmzeit bis in die Siebzigerjahre prägte. Er spielt in unzähligen Filmen eingängige Nebenrollen und gewann mehrere Oscars. Brennan arbeitete unter namhaften Regisseuren wie Fritz Lang, John Ford, Howard Hawks, Anthony Mann oder Frank Capra. Vor Three Godfathers war er im Mystery-Drama Seven Keys to Baldpate (William Hamilton & Edward Killy, 1935) in einer kleinen Rolle zu sehen, danach 1936 in William Wylers These Three (dt.: Infame Lügen).