Das Wahrnehmungs-Paradoxon der Wirtschaft

Von Lutz Hausstein
Seit Jahr und Tag beklagen sowohl Wirtschaftsverbände als auch namhafte Vertreter der vornehmlich konservativen und liberalen Parteien die mangelnde Flexibilität des Kündigungsschutzes in Deutschland. Dies gefährde in hohem Maße die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Zu einem aktuellen Fall jedoch gab es von diesen Seiten noch keinerlei diesbezügliche Stellungnahme zu vermelden. Dabei ist er besonders gravierend.
Hier handelt es sich aber nicht um zu unflexible arbeitsrechtliche Regelungen für Friseusen oder Krankenschwestern, bei Mitarbeitern von Autoherstellern, Sanitärfirmen oder Call-Centern. Deren Kündigungsfristen liegen, gerade in Zeiten zunehmend temporärer Arbeitsverhältnisse, häufig nur bei 4 Wochen. Zudem erfüllen diese Mitarbeiter meist auch noch nach erfolgter Kündigung ihre Aufgaben, sodass auch während dieses Zeitraums dem jeweiligen Unternehmen durch sie Gewinne erwirtschaftet werden. Ein Schaden entsteht den Unternehmen nicht. Auch belaufen sich deren Löhne nicht selten auf ein paar Hundert bis zu wenigen Tausend Euro, welche gerade für Großunternehmen mit Millionen- bis Milliardengewinnenkeine keinen ernstzunehmenden Posten darstellen.
Wenn nun jedoch der Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, seine Kündigung erhält, geht es nicht um Kündigungsfristen von 4 Wochen. Seit mehr als einem Jahr wird geprüft, welche der vielfältigen Vorwürfe in Richtung Nonnenmacher nicht nur der Wahrheit entsprechen, sondern wie diese auch gerichtlich beweisbar sind. Die Palette der Vorwürfe reicht vom überhohten Gehalt einer gerade durch staatliche Gelder geretteten Bank (Videobeitrag „Panorama“ ARD), Verstrickungen in die umstrittenen „Omega-Geschäfte“, umfangreichen Bespitzelungen gegenüber Mitarbeitern durch eine extern verpflichtete Sicherheitsfirma bishin zu offenbar fingierten Kinderporno-Vorwürfen gegenüber einem HSH-Manager in New York. Gleichzeitig agierte Nonnenmacher, ganz im Gegensatz zu seinen von ihm selbst geäußerten Grundsätzen, alles andere als transparent. Konkrete Nachfragen von Journalisten blieben in der Regel unbeantwortet (Videobeitrag „ZAPP“ NDR). Stattdessen versteckte sich Nonnenmacher zumeist hinter einem überlegenen Lächeln, ohne dabei auf gestellte Fragen einzugehen.
Das Wahrnehmungs-Paradoxon der WirtschaftEndgültig pikant werden die Umstände um Nonnenmachers Kündigung, wenn man erfährt, dass eine rechtzeitige Kündigung aufgrund der vermuteten Umstände möglich gewesen war, so dass daraufhin keine Abfindung zu zahlen gewesen wäre, dies jedoch vom Aufsichtsrat unter dem Ex-Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper verschleppt wurde. Ist es an sich schon fragwürdig, dass die sonst immer die vermeintlich zu langen Kündigungsfristen beklagende Wirtschaft ausgerechnet das Management ihrer Unternehmen, zusätzlich zu den extrem hohen Gehältern, mit solchen langfristig datierten Verträgen ausstattet, so wird es völlig unglaubwürdig, wenn mutwillige Verzögerungen zur Beendigung der Tätigkeit zu einer Zahlungsverpflichtung durch dieses Unternehmen führen. Dass die Aufsichtsräte der Unternehmen ausnahmslos mit Managern anderer Unternehmen sowie führenden Politikern besetzt sind, beweist die vielfältigen Verquickungen und gegenseitigen Bevorteilungen. So existiert ein in sich geschlossenes System, welches sich selbst wechselseitig protegiert.
Als Begründung für diese hohen Abfindungen werden regelmäßig die abgeschlossenen Arbeitsverträge mit den Mangern angeführt. Diese müssten auf jeden Fall eingehalten werden, um einen höheren Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Es ist schon mehr als fraglich, wenn in solchen extremen Fällen von Fehlverhalten keine Gründe für eine außerordentliche Kündigung zu finden sein sollten. Im Gegensatz dazu führe jedoch die Einlösung eines Pfandbons im Wert von 1,30 Euro, welcher zwar nicht der Einlöserin, aber auch nicht dem Unternehmen gehörte, zu einem nicht wieder herstellbaren Vertrauensverlust. Hier muss zurecht die Frage gestellt werden, aus welchem Grund überhaupt Verträge mit diesen Laufzeiten und materiellen wie auch inhaltlichen Konditionen abgeschlossen werden. Verträge, denen auch deutlichstes Fehlverhalten nichts anhaben kann. Würde die deutsche Wirtschaft wirklich aufgrund der Kündigungsfristen von 4 Wochen am Rande des Exodus stehen, so würde sie keine exorbitant hoch vergüteten Managerverträge mit Laufzeiten von zwei, drei oder noch mehr Jahren abschließen. Erst recht nicht solche, welche im Mißbrauchs- oder Misserfolgsfall, dem also nachgewiesenen Fall der Nicht-Leistungserbringung, diese hohen Zahlungen vertraglich absichern.
Unter dem Strich bleibt das Paradoxon festzuhalten, dass die Vertreter der Wirtschaft einerseits Arbeitsverträge mit kurzen Kündigungsfristen und niedrigen Löhnen als Bedrohung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit darstellen, gleichzeitig jedoch Verträge mit langen Laufzeiten, bei exorbitant hohen Entlohnungen, dieselbe nicht in Frage stellten. Diese Paradoxie aufzulösen, verbleibt wohl auf ewig in der Deutungshohheit der deutschen Wirtschaftsvertreter.Eine kurze Zusammenfassung aller Vorgänge um die HSH Nordbank ist in diesem Beitrag von ZAPP (NDR) zu sehen.

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