Die Kritik an der Deutschen Islamkonferenz ist üblich und zweifelsohne gerechtfertigt. Ebenso die Kritik an der Stellung vieler Mädchen in vereinzelten Haushalten des mehrheitlich türkisch-arabischen Kulturkreises. Dagegen ist aber der Vorwurf nicht gerechtfertigt, dass das Kopftuchgebot im Islam eine Diskriminierung der Frau bedeutete. Denn diese Behauptung stellt die Verdammung der Praxis einer ganzen Religion dar. Die Islamische Erziehung ist gemäß Kelek ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Ja, sprechen wir es doch aus: Muslimische Eltern sind eigentlich Straftäter, behauptet Kelek. Generell seien die “streng” religiösen Muslime und ihre Interessenverbände das Problem, da sie eine unterschiedliche Behandlung nach islamischem Geschlechtermodell forderten. Doch geht es wirklich um die unterschiedliche Behandlung, oder vielmehr um die Unterdrückung der Frau nach patriacharlischen Traditionen einer zumeist ungebildeten Schicht? Und wer sind diese bösen “streng” religiösen Unmenschen in der Kelek’schen Gedankenwelt, deren Gegenspieler die liberalen “nicht so sehr” religiösen sind? Wir werden es wohl nie erfahren, weil Kelek gerade mit diesen schwammigen Aussagen ihren Lebensunterhalt verdient.
Raus aus der Kinderstube!
Der Staat soll also muslimische Kinder erziehen, weil Eltern die Kinder in ihrer freien Entfaltung einschränken? Na, dann! Gleiches Recht für alle! Wir brauchen eine staatliche Erziehung, ähnlich wie im Dritten Reich oder in der DDR? “Hotel-Mama” wird per Gesetz zur Übernachtungsstätte? Keine Erziehungsprobleme mehr bei “Familien im Brennpunkt”? Die “Super Nanny” braucht auch kein Comeback zu planen? In Keleks Märchenwelt können sich die Eltern endlich entspannt zurücklehnen und einfach die Verantwortung auf den Staat abschieben. Nein, Frau Kelek! Eltern zeugen Kinder, sie ernähren Kinder, sie leben mit ihnen unter einem Dach und sie erziehen ihre Kinder - so gut es geht. Ob das Kind nun atheistisch, agnostisch, jüdisch, christlich oder islamisch erzogen wird, Eltern geben ihren Kindern immer Werte und Normen mit, auch Gebote und Verbote ganz unabhängig von religiöser Erziehung. Diese elterliche Erziehung ist dann die Grundlage für das Lernen in den Schulen, die Beschäftigung in der Arbeitswelt und das Interagieren in der Gesellschaft. Es scheint, als würde Kelek die islamische Erziehung mehr als Trainingscamp für Islamisten, als Stätte für Brainwashing oder als Lager für Zwangsarbeit sehen, als eine Erziehung nach einer sich selbstauferlegten Lebensphilosophie, die es zum Ziel hat ein angenehmes Leben nach dem Willen Gottes zu führen. Muslime sollen zwar die islamischen Gebote einhalten, aber sie wollen es auch.
Gerne würde Kelek die Deutungshoheit über den Islam für sich beanspruchen und alle anderen Auslegungsarten des Koran kategorisch verbieten, weil sie es natürlich besser weiß! Ich verstehe, sie würde zu gern’ ein Online-Mufti sein und den bösartigen “Traditionalisten” eine schöne Abreibung verpassen - auf theologischer Ebene, versteht sich. Wer das Kopftuch will, ist “Traditionalist”, meint Kelek. Seit wann ist das ein Schimpfwort? Also Muslime, die der islamischen Tradition nach Praxis des Propheten folgen? Welcher Muslim würde das eigentlich nicht wollen? Man sieht, dass Kelek nicht weniger fanatisch ist, als radikale Islamisten, die jeder abweichenden Meinung gegenüber taub sind. Zu sagen, dass man(n) die Frau zum Kopftuch zwingt, ist das Produkt eines gefährlichen Klischeedenkens, das aus der Basis eines pervertierten Verstandes, infolge von persönlichen Traumata ihres Elternhauses, entspringt.
Runter vom Kopf!
Kelek möchte uns doch nur zu gerne suggerieren, dass das Kopftuch ein Symbol für eine unterdrückte und ungebildete Frau ist, die in ihrem Leben sicherlich einmal verkauft oder misshandelt wurde. Und dies nur aus dem einfachen Grund, weil Kelek sich selbst keine gebildete und selbstbewusste kopftuchtragende Frau vorstellen kann. Und dann fällt in ihrem Artikel endlich die sich selbst entwaffnende Formulierung, dass sie selbst “extreme Beispiele” nutze. Ja, genau Frau Kelek. Dieser Zwang mag zwar in Einzelfällen vorkommen, doch wie sieht es mit der Mehrheit der Kopftuchträgerinnen aus, die das Kopftuch aus freien Stücken und gerne tragen, da sie darin eine gewinnbringende Zweckmäßigkeit für sich und für die Gesellschaft sehen. Sie argumentieren aus dem Koran. Dort werden muslimische Frauen nämlich dazu aufgefordert, ihre Reize nicht zur Schau zu tragen. Einen Schritt zuvor wird der Mann im Koran dazu ermahnt, vor der Frau respektvoll „seine Blicke zu Boden zu schlagen“ (Sure 24:31) und sie nicht anzüglich anzustarren. Dann erst wird den Frauen empfohlen, sich zu bedecken, um als Muslima „erkannt und nicht belästigt“ (Sure 33:60) zu werden.
Absurder geht es nicht! Kelek hat sich dem Kampf gegen den sogenannten “Scharia-Islam” verschrieben. Was die gute Frau der Öffentlichkeit bewusst verschweigt, ist die Tatsache, dass keine Form des Islam ohne “Scharia” existieren kann. “Scharia” hört sich eben gefährlich an und bringt Stimmung in die Debatte. Frau Kelek, wenn Sie meine Entgegnung lesen, dann würde ich Ihnen empfehlen, meine folgenden Worte zu kopieren und in das Manuskript ihres nächsten Buches einzufügen: Der Begriff “Scharia” bedeutet “Weg zur Quelle” und ist eine Komposition aus den Inhalten des Koran, den Aussprüchen (Hadith) und der Praxis (Sunna) des Propheten Muhammad. Es gibt kein für Muslime verbindliches Buch, wo “Scharia” draufsteht, sondern unterschiedlichste Auslegungen von Land zu Land, sogar von Gelehrten zu Gelehrten der islamischen Welt. Die “Scharia” ist also die gesamte Lehre des Islam, mittels der die Muslime zum Ziel ihres Daseins geführt werden sollen. Wenn Muslime beten, auf ihre Körperhygiene achten oder loyal gegenüber dem Staat sind, indem sie leben, handeln sie nach ihrer islamischen Lebensphilosophie, der "Scharia". Für die meisten Muslime steht sie in keinerlei Widerspruch zum deutschen Grundgesetz.
Sie werden es schon richten!
Das “religiöse” Muslime nicht nach Deutschland gehören, möchte Kelek durch die mutmaßliche Gefährdung unseres Rechtsstaates durch “islamische” Paralleljustiz beweisen. Zu lange habe man das Problem der Parallelgesellschaften totgeschwiegen, lamentiert sie. Doch Kelek wird man nie zum Schweigen bringen können und gerade nicht bei ihrem zweiten Lieblingsthema. Die muslimischen Friedensrichter oder Schlichter seien eher Richter und Henker, deren Aufgabengebiet längst die Beschäftigung mit familiären Angelegenheiten überschreite. Gemäß Kelek gebe es “ausreichend Belege dafür, dass sich die Vorbeter sowohl in Strafsachen einmischen als auch darum sorgen, dass den Ehrvorstellungen muslimischer Männer Genüge getan wird.”, Der Verstoß gegen das deutsche Grundgesetz ist kein religiöser Akt, genauso wie der Besitz von Pseudo-Ehrvorstellungen einiger Männer. Dagegen sind es vielmehr areligiöse kulturelle Traditionen und soziale Normen, die nichts mit dem Islam zu tun haben. Kelek weiß halt durch mehr als ein Jahrzehnt der Erfahrung, wie man, die einfachen Gemüter durch die Heraufbeschwörung eines Angriffes auf das deutsche Recht in Wallung bringt. Ja, sie hat das sogar in einem Buch gelesen, in einem sehr schwachen Buch von Joachim Wagner “Richter ohne Gesetz”. Die Welt schrieb in einer Rezension von Wagners Werk: “Genau hier liegt – neben einigen Redundanzen – auch die einzige Schwäche des Buches: Es liefert keine verlässliche Zahl, die die statistische Größenordnung der islamischen Paralleljustiz in Deutschland auch nur grob umreißen würde. [...]” Eben dieses Problem wird der ständiger Begleiter Keleks auf ihrem Feldzug gegen die “religiösen” Muslime bleiben.
Über vier Millionen Muslime leben inzwischen in Deutschland, die meisten identifizieren sich nicht mit der Gedankenwelt Keleks. Denn für Kelek gibt es lediglich auf der einen Seite Fanatiker und auf der anderen Seite liberale, also “weniger” religiöse Muslime. Es bedarf mehr Muslime, die in der Gesellschaft endlich Gehör finden und die Friedfertigkeit ihres Glaubens propagieren. Sie müssen klarstellen, dass derjenige, der Zwang in Glaubensdingen praktiziert, die islamische Lehre der Barmherzigkeit und Liebe widerspricht. Sie müssen hervorheben, dass nur derjenige ein guter Muslim ist, “der seinen Mitmenschen am nützlichsten ist” und “vor dessen Hand (Taten) und Zunge (Worte)” seine Mitmenschen in Sicherheit sind (Hadith). Muslime können nichts für die Missdeutungen einiger Fanatiker, dagegen aber sicher etwas für die Gestaltung eines harmonischen Zusammenlebens in ihrem persönlichen Wirkungskreis. Muslime sollten nicht nur ihre Stimme gegenüber Verleumdungen ihrer Religion erheben, sondern gegen alle Ungerechtigkeiten, unabhängig davon, wer sie ausübt und wo immer sie auch auftreten mögen, ob in ihrer Familie, in ihrer Stadt, in ihrem Land oder in der Welt. Erst dann gelten sie als wahre Muslime, die überall willkommen sind und als Teil eines Ganzen aufgefasst werden. Nur dann kann Friedrich Dürrenmatts weitsichtiger Gedanke: "Was alle angeht, können nur alle lösen. Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern." den Eingang in die kollektive Mentalität einer Gesellschaft finden.
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