Frei nach dem Motto “was einmal seltsam war, muss nicht immer seltsam sein” lasse ich mich überreden der Münchner Ü30 Party eine zweite Chance zu geben. Mein letzter Besuch dort war gänzlich schockierend, denn obschon ich annahm (oder viel mehr hoffte) dort eventuell einen netten Mann über 30 kennenzulernen, wurde ich herb enttäuscht. So kam ich zu dem Schluss, dass ich entweder meine Definition von “über 30″ gründlich anpassen, oder eben zu Hause bleiben muss. Über 30 waren die Gäste wohl, allerdings war ihr 30. Geburtstag für meinen Geschmack schon ein wenig zu lang verstrichen. Zudem hielten mich die saunaähnlichen Temperaturen davon ab, mein volles Tanztalent auszuleben. Nun bl3ende ich all das aus, setze meine Erwartungen auf null und gehe nochmal hin.
Die “nicht-so-mein-Ding-Ausrede”
Ich gebe zu nachdem ich noch um 18 Uhr voller Motivation und mit schwitzendem Körper meinen Lieblingsfitnesstrainer Hans-Jürgen beim Body Combat entgegenstrahlte wie eine überreife Tomate, hält sich die Motivation, mich am selben Tag noch körperlich zu betätigen in Grenzen. Vollgeschlagen mit Kartoffeln und Schnittlauchquark male ich mir etwas lustlos das Gesicht an und beantworte meine Frage nach einem passenden Party-Outfit mit Jeans und T-Shirt. Ich erinnere mich an einen meiner Artikel, in dem ich über mich selbst und meine “nicht-so-mein-Ding-Ausrede” geschimpft habe. Doch wenn ich alleine an diesen riesigen Saunaraum denke, bin ich kurz davor, sie wieder auszugraben. Ja ja, Asche auf mein Haupt, ich weiß. Allerdings gehöre ich nunmal nicht zu den Frauen, die bis unter die Zähne zurechtgemacht in einen Club stöckeln und dann, wenn sie nach fünf Stunden exzessiven Tanzens wieder herausstöckeln, immer noch unverändert aussehen. Ich sehe dann eher aus wie nach einer Stunde Hans-Jürgen. Ist Veranlagung – ganz sicher! Und da ich mit knallrotem Gesicht wohl kaum einen Mann kennenlerne, plus ich zwar gerne tanzen gehe, aber nur wenn ich spontan Lust dazu habe, und die habe ich just in diesem Moment nicht, plus… “Bin unten, los geht’s!” blinkt auf meinem Handy Display. Na gut. Zu High Heels statt Turnschuhen kann ich mich sogar noch durchringen.
Shine bright like a Diamond
Grundsätzlich gebe ich gerne zweite Chancen. Also eigentlich. Als mir jedoch gleich nach dem Einlass (an dem wir übrigens nach unseren Ausweisen gefragt werden, was ich weder als Kompliment noch als Beleidigung deuten kann) ein Dame – und ich sage bewusst Dame – in Leoprint gekleidet entgegenkommt, sinken meine Hoffnungen, dass sich diese Party deutlich von der letzten unterscheidet, rapide. Als wir in der gefühlt 100 Meter langen Schlange darauf warten, unsere Jacken abzugeben, nutze ich die Zeit, um mich ein bisschen umzusehen. Ohne jemanden verletzen zu wollen, muss ich sagen, dass mich der Anblick gruselt. Dauergewellte Mittvierzigerinnen in den wildesten Klamotten, behängt mit tonnenweise glitzerndem Modeschmuck. Graue Männer mit dicken Bäuchen, die alleine in Ecken stehen und an ihrem Bier nippen – immerhin fein herausgeputzt im Anzug und Krawatte. Nicht so ganz unsere Altersklasse irgendwie. Die Haupthalle bebt. Zugleich schockiert und begeistert stehen wir an der Bar und beobachten, wie Menschen, die quasi meine Eltern sein könnten auf der Tanzfläche völlig ausrasten. Sie reiben sich wie wild aneinander, grabschen sich an den Po und schütteln alles was sie haben im Takt der Musik. Vorsichtshalber linse ich nochmal auf das Plakat neben mir, nicht, dass hier heute eine ganz andere Party stattfinden, und wir nur denken, wir würden einer Ü30 Party beiwohnen. Ihr lacht, aber mir passiert so etwas. Ich finde es großartig einfach nur da zu stehen und all diese Menschen zu beobachten. Von der etwas dicklichen Hausmutti im Hausanzug-ähnlichen Gewand bis hin zur aufgespritzten Society-Blondine mit Louis Täschchen ist hier alles dabei. Hardrocker, Anzugfutzi, Öko-Lulatsch, schmierige Schmalzlocke, alles ist da, hottet ab und hat Spaß. Eigentlich grandios, wenn man es mal so sieht, im Gegensatz zu uns kosten die die 10€ Eintritt wenigstens voll aus. Also fangen wir auch an auszukosten und stürzen uns in die Menge.
Eine Sekunde zu lang
Unser Aufenthalt auf der Tanzfläche wird zu einem Standort-Hopping. Die meisten der Männer, die sich trauen, ihre Hüften zu den Beats von den Atzen und Nena kreisen zu lassen, haben leider auch die Angewohnheit, ihre Blicke immer ein paar Sekunden zu lang auf unseren Busen und Hintern ruhen zu lassen. Anschauen gerne, anstarren geht nicht. Also sind wir mal hier und mal dort, und flüchten vorrangig vor der fast unerträglichen Hitze, die außer uns wirklich keinen zu stören scheint, und vor einem Mann im Türsteher Look, der sich uns später tatsächlich als Karlsson vorstellt. Auch er hat immer eine Sekunde zu lange geschaut, vor allem auf Hanna’s Hintern. Eine Sekunde zu lang schaut auch Hanna gerne mal, allerdings sehr viel unauffälliger und dezenter. Sie schafft es, und Achtung, gleich kommt eine kleine Auszeichnung
unter gefühlten 10.000 runzligen Popos, den einzigen knackigen herauszufiltern. So hat eben jeder seine kleinen Talente. Wie man an der dicken Schlüsselkette und dem mit auffällig großen Sailclub Aufnähern versehenen Polo-Shirt hätte feststellen können, bewegte sich auch jener Mann mit dem knackigsten Po der Party nicht so ganz in unserem Altersbereich. Also tanzen wir ein bisschen, schauen rum, und gehen schließlich um halb eins weil uns die Füße weh tun. Armselige Leistung.
** Bevor es allerdings so klingt, als hätte wir gar keinen Spaß gehabt möchte ich hinzufügen, dass wir mindestens 17 Lieder lang gezanzt haben und die Currywurst mit Pommes, die wir uns am Ausgang gegönnt haben vorzüglich war. Es war also schon ein bisschen gut **
Als wir die Location verlassen, wird mir schlagartig bewusst, dass nicht die Muttis, die sich in ihre beste Ausgehgarderobe schmeißen und auf der Tanzfläche die Sau rauslassen die uncoolen sind, sondern wir. Wir gehören nämlich weder zu denjenigen, die dort den Spaß ihres Lebens hatten und – mit Verlaub – drauf scheißen ob sie schwitzen oder nicht, noch gehören wir zu der Gruppe, die sich um halb eins erst mal an der Kasse anstellt um die Party zu besuchen. Um das Erlebnis noch ein bisschen bitterer zu machen, sprechen uns auf dem Weg zum Auto (als uns die Füße vor Schmerzen schon fast abfallen) zwei wirklich nette Amerikaner an. Das ist grausam. Mein Fazit: Auf eine Ü30 Party kann ich erst dann wieder gehen, wenn ich entweder a) 45+ bin und mich der Drang nach einer zweiten Jugend packt oder b) es schaffe, mich bis 1 Uhr wach zu halten, um dann erst wegzugehen. Bye Bye Ü30 Party, wir sehen uns in 15 Jahren wieder.
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