Das Vergasen und der »Zwei-Minuten-Hass«

Von Robertodelapuente @adsinistram
Ich will diesen idiotischen Videoblogger, der die Lokomotivführer ins Gas schicken wollte, nicht verteidigen. Was gäbe es da auch zu verteidigen? Aber dass gewisse Menschen ihre sonderbare Charakterlosigkeit in diesem gesellschaftlichen Klima, das wir gerade erleben, gar nicht mehr in Zaum halten können, darf doch eigentlich nicht verwundern.
Die allgemeine Stimmung ist eindeutig. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer ist eine Bande von Saboteuren. Weselsky ein Hundsfott. Alle, die den Streik nicht in Bausch und Bogen verurteilen, gefährden das Gemeinwohl. Man führt detailliert und minutiös auf, was die Lokomotivführer veranstalten und wie gemeingefährlich sie und ihre Administration sind. Diese Gewerkschaft sei eine kleine Diktatur, die das ganze Land in Sippenhaft nehme und der Chef zeige anständigen Autofahrern auf der Autobahn auch noch den Mittelfinger. Zwischen Nordkorea und GDL scheint kein großer Unterschied zu herrschen. Jeder schlechte Comedian macht Witze über die faulen Lokomotivführer. So gut wie jeder Radiomoderator spult billige Streikwitze ab. Die Stimmung ist eindeutig. Das Klima bereitet. Das ist das Milieu, aus dem Typen wie dieser Videoblogger kriechen.

Solche denken ernsthaft, dass sie die Zeichen der Zeit richtig deuten. Die Indoktrination des Mainstreams ist so total, ja so totalitär, dass eine alternative Sichtweise quasi nur noch als Anzeichen gröbster Spinnerei deklariert wird. Weil ganz Deutschland nur eine Meinung und Ansicht zu haben scheint, werden auch unflätige Vorschläge nicht mehr versteckt. Man wünscht der GDL ja alles mögliche. Ins Gas zu schicken ist natürlich nicht nur geschmacklos, sondern auch geschichtsvergessen und unmoralisch, aber für gewisse Leute mit beschränkter Haftung im Oberstübchen, scheint auch so eine Hasstirade noch in Ordnung zu sein. Warum auch nicht, schließlich hasst ganz Deutschland diese Verbrecher auf Schienen.

Das ist ja der Grund, warum man öffentliche Wut nicht medial anfachen sollte. Sie endet immer mit solchen Auswüchsen. Es gibt immer Typen, die nicht wissen, wann das Maß voll ist. Die noch einen draufsetzen, weil die allgemeine Stimmung im Lande ihnen gewissermaßen eine Legitimität zu noch wütenderer Wut und noch hassenderem Hass verleiht. Der Videoblogger ist nicht Breivik, nicht Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe. Aber das Prinzip ist dasselbe. Alle verwechselten sie die Wut, die im Mainstream ausgeschlachtet und noch mal pervertiert wurde, mit einem Freifahrtschein.
Der nicht enden wollende »Zwei-Minuten-Hass« konditioniert manche Menschen regelrecht, diesen Hass zur Grundlage ihres Handelns und Argumentierens zu machen. Dann fallen alle Hemmungen und jede Unmenschlichkeit scheint angesichts dieses Fundaments gerechtfertigt. Man darf sich also nicht wundern, wenn manche in dieser Form an der öffentlichen Schlammschlacht teilnehmen. Worüber man sich wundern darf ist, dass es immer noch so wenige Spinner sind, die sich in dieser Art und Weise auslassen.
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