Das von der Bundesregierung gewollte Kleinanlegerschutzgesetz hat, verständlicher Weise, zu etlichen Reaktionen aus der Finanzbranche, vor allem aus den Reihen der Crowdfunding- und Crowdinvesting-Portale, geführt. Und obwohl es sich bislang noch um Stellungnahmen mit sehr sachlichem Ton und viel Verständnis handelt, gibt es bereits heftige Kritik auf die Reaktionen der Schwarmfinanzierer. Eine besonders dümmliche Reaktion auf die berechtigte Kritik am geplanten Kleinanlegerschutzgesetz kommt ausgerecht vom Chefredakteur des auf nachhaltige Kapitalanlagen spezialisierten Magazins ECOreporter (die ECOreporter AG betreibt außerdem diverse Webseiten und Kapitalanlage-Newsletter). Der Artikel mit dem Titel „Crowdfunding: nichts begriffen – Kommentar von ECOreporter-Chefredakteur Jörg Weber“ (http://www.ecoreporter.de/artikel/crowdfunding-nichts-begriffen-kommentar-von-ecoreporter-chefredakteur-joerg-weber-14-11-2014.html, abgerufen am16.11.2014 um 20:05 Uhr) ist allerdings eine merkwürdige Ansammlung von Anfeindungen.
Die Kritik vom Herrn Weber richtet sich dabei nicht gegen das Gesetz im Allgemeinen oder die Crowdfunding- oder Crowdinvesting-Portale in ihrer Gesamtheit, sondern speziell gegen den Anbieter Companisto – korrekter: gegen die Stellungnahme von Companisto. Interessant dabei ist, dass die von Companisto angebrachte Kritik kein Alleinstellungsmerkmal ist, sondern vielmehr von vielen Kritikern vorgebracht wird. Fehlende Umsicht oder sein persönliches Unvermögen dürften als Ursache für die Form der Kritik jedoch ausgeschlossen sein, da Herr Weber durchaus respektable Erfahrungen als Journalist nachweisen kann. Die regelrecht bösartig wirkende Kritik dürfte vermutlich andere Gründe haben, die der Autor seinen Lesern leider nicht offenlegt. Dabei wäre das vermutlich das einzig Interessante, was der Artikel dann enthalten hätte.
Aber nun zurück zum Unverständnis. Entweder, Herr Weber hat es ein wenig schlecht formuliert (was, wie oben erwähnt aber unwahrscheinlich sein dürfte) oder aber er hat es schlicht und einfach nicht verstanden. Crowdfunding ist keine Anlageform sondern vielmehr ein Vertriebskanal mit bestimmten Randbedingungen! Es gibt auch Anbieter, die auf dem Prinzip von Crowdfunding (oder auch Crowdinvesting) Anlagen mit Wertpapierprospekt vertreiben. Sogar einige Fonds nutzen mittlerweile ähnliche Plattformen (in der Regel mit anderen Randbedingungen), nennen sie aber anders. Das Prinzip dahinter unterscheidet sich nicht wesentlich. Die Prospektpflicht ist kein Kriterium, um Eine Kapitalanlage einer Schwarmfinanzierung zuzuordnen oder nicht. Die Prospektpflicht in ihrer derzeitigen Ausführung ist ausschließlich völlig unnötige, teure und zeitlich überholte Scheiße!
Weiterhin wird von Herrn Weber kritisiert, dass Companisto die Mindestanlagesumme negativ bewertet. (Anmerkung: Herr Weber schreibt, dass Companisto „lamnetiert“. Vermutlich ist in diesem Fall „lamentiert“ gemeint.) Als Gegenargument für die völlig willkürliche Grenze von maximal 10.000 Euro bringt Weber (wie einfallsreich) Investoren an, die derart große Beträge oder gar ihre ganze Altersvorsorge durch Anlagen in Prokon verloren hätten. Ja was denn jetzt Herr Weber? Prokon hatte doch ein Wertpapierprospekt. Da stand doch alles drin! Und das, was bei Prokon möglicherweise illegal gelaufen ist, dass wäre auch mit einem Kleinanlegerschutzgesetz schief gelaufen! Dieser Vergleich ist nicht nur inhaltlich nicht schlüssig, sondern hinkt auch gewaltig. Außerdem argumentiert Companisto damit, dass durch die Begrenzung wichtige Lead-Investoren nicht mehr Teil einer Crowdfunding-Kampagne werden können. Derartige Lead-Investoren bedeuten in der Praxis übrigens mehr Anlegerschutz als jedes Wertpapierprospekt!
Ebenfalls als Schwachsinn abgetan wird der durch das geplante Kleinanlegerschutzgesetz verursachte Medienbruch, den Companisto kritisiert. Herr Weber führt dabei an, dass die Argumentation fehlender Drucker und Scanner in vielen Wohnungen nicht ausreichend sei. Das Ausdrucken und Versenden eines unterschriebenen Dokuments wäre vielmehr eine nötige Pause, zum Nachdenken. Damit hat er nicht ganz unrecht. Man kann so eine Zwangspause durchaus positiv sehen. Aber er hat dahingehend unrecht, als dass man heute auch Fristen (also gesetzlich vorgeschriebene Zwangspausen) in Onlineanwendungen implementieren kann. Was spricht dagegen und zwingt Anleger ins multimediale Mittelalter? Möchte die ECOreporter AG auch gerne wieder per Rauchzeichen publizieren? Ich denke doch, dass das nicht der Fall wäre. Dabei würde das beispielsweise zu einer deutlich prägnanteren Ausdrucksweise zwingen.
Den Bärendienst, den Companisto angeblich erwiesen haben soll, kann man sachlich nicht bestätigen. Was Herr Weber vergisst: Crowdfunding oder Crowdinvesting funktioniert nur mit zufriedenen Investoren. Also mit Investoren, die NICHT über den Tisch gezogen wurden. Negativschlagzeilen würden sich sehr, sehr schnell verbreiten und der Branche schaden. Daher haben die Plattformen ein erhebliches Interesse am Anlegerschutz! Gerade weil die Branche eine Alternative zu den Kapitalanlagen, die die etablierte Finanzbranche bisher entwickelt und vertrieben habt, darstellt, muss sie sich deutlich profilieren und als Alternative auch deutlich abheben. Das tun die meisten Plattformen. Sie tun das auf unterschiedliche Weise, aber die wesentlichen Merkmale sind Kommunikation und Transparenz.
Gerade Transparenz ist wichtig und spielt bei Kapitalanlagen eine entscheidende Rolle. Viele Kapitalanlagen oder auch Kapitalanlageprodukte kommen dieser Transparenz nicht nach. Zwar existieren gesetzlich vorgeschriebene Wertpapierprospekte, diese werden vom Anleger allerdings nicht genutzt. Kompakte Informationen, bspw. in Form einer „Prospektpflicht light“, wären da sehr viel sinnvoller.
Weber postuliert weiter, dass Companisto den Anlegerschutz im Sinne eigener Interessen nicht ernst nehme. Ob das so ist, müssen andere entscheiden. Allerdings ist diese Argumentation fast schon lustig. Denn eigentlich weiß jeder, dass man im Glashaus nicht mit Steinen schmeißen soll. Gerade einige Fonds, die von ECOreporter propagiert werden, halten es in Sachen Transparenz keinesfalls so vorbildlich, wie die meisten Portale für Schwarmfinanzierung. Zwar geben auch diese Anbieter pflichtgemäß an, dass ein Totalverlust drohen kann, allerdings nur im Kleingedruckten und nicht so prominent, wie beispielsweise das angegriffene Unternehmen Companisto. Außerdem propagieren angepriesene Fonds u.a. damit, dass man Freunde werden soll und im Falle einer erfolgreichen Vermittlung Provisionen auf die Zeichnungssumme, Zeitschriftenabonnements und Wein als Dankeschön dafür bekäme. Das wiederum ist quasi Werbung in sozialen Netzwerken, wenn auch in analogen Netzwerken der echten Welt. Die Anbieter dürften folglich kein ernsthaftes Interesse an Werbeverboten haben.
Herr Weber wirft anderen vor, dass sie nichts verstanden hätten, zeigt selbst aber deutlich, dass er selbst vermeintlich nichts verstanden hat. Allem Anschein nach, hat er die Kritik am geplanten Kleinanlegerschutzgesetz nicht richtig verstanden, das Prinzip der Schwarmfinanzierung nicht durchdrungen und von technischen Möglichkeiten und dem Internet hat er vermutlich ebenfalls keinen blassen Schimmer.
Was aber für seinen Berufsstand das Schlimmste ist: Der Titel des Artikels ist zunächst mal völlig belanglos und nichtssagend. Im Text wird dann jede Menge Kritik an einem ganz bestimmten Anbieter geübt, aber nicht erörtert, wer (vermutlich Companisto?) was genau nicht verstanden haben soll. Das ist schade!