Als Mitglied im Sachverständigenrat, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät, gilt man im Volksmund als “Wirtschaftsweiser”. Und der Ehrentitel ist durchaus verdient, schaffen es doch die wenigsten Ökonomen jemals in das erlauchte Fünfer-Gremium. Dort angekommen, lesen sie der Bundesregierung regelmäßig die Leviten, um falsche Weichenstellungen so früh wie möglich zu korrigieren. Nicht immer kommt das gut an, wie die Anfeindungen aus den Reihen der SPD nach dem letzten Jahresbericht der “Wirtschaftsweisen” gezeigt haben. Es ging dabei vor allem um den Mindestlohn. Einer von ihnen hatte allerdings schon damals seine ganz eigene Meinung: Der gewerkschaftsnahe Peter Bofinger. Er tanzt immer wieder aus der Reihe und scheint seine Einschätzungen mehr auf die Liebe zu roten Parteifarben zu gründen als auf volkswirtschaftliche Erkenntnisse. In dieser Woche machte Bofinger einmal mehr von sich reden. Den “Klodeckel” erhält er für seinen Vorschlag, das Bargeld abzuschaffen. Der Vorstoß ist nicht neu. In vielen europäischen Ländern gibt es ähnliche Überlegungen, vor allem im südlichen Europa. So gilt in Italien bereits seit einigen Jahren eine Obergrenze von € 1.000 für Bargeldzahlungen. Frankreich wird im Herbst nachziehen. In Griechenland sind es € 500.
In Skandinavien geht man einen anderen Weg, der jedoch auf das gleiche Ziel hinausläuft. Dort dürfen die Händler entscheiden, ob sie Scheine und Münzen überhaupt annehmen. Was auf den ersten Blick wie ein besonderer Service für den Verbraucher daher kommt, ist in Wahrheit ein trojanisches Pferd. So bequem es ist, immer und überall ohne das lästige Kleingeld in der Tasche herumzulaufen, so sehr liefert der bargeldlose Verkehr die Menschen der Kontrolle des Staates aus. Zwar wird niemand bestreiten wollen, dass es notwendig ist, Geldwäsche und Schwarzarbeit zu bekämpfen. Und auch das organisierte Verbrechen wird sich schwerer tun ohne Bargeld. Nicht ohne Grund war Italien der Vorreiter. Doch wäre es zu kurz gesprungen, diese offensichtlichen Vorteile höher zu gewichten als die gravierenden Beschränkungen für die Freiheit. Denn künftig werden selbst die banalsten Alltagstransaktionen einen ungeahnten Rechtfertigungsdruck ausüben, wenn etwa der Fiskus hinter der regelmäßigen Unterstützung des Enkels durch die Oma ein meldepflichtiges Beschäftigungsverhältnis vermutet. Und so wahrscheinlich es ist, dass sich diese Dinge klären lassen, so sicher ist, dass wir Bürger künftig immer mehr Fragen zu beantworten haben.
Warum also wollen Bofinger und viele andere uns das (Bar-)Geld wegnehmen? Die Antwort ist simpel: Je mehr davon im Umlauf ist, umso schwieriger ist es für Zentralbanken, Geld über Negativzinsen zu “besteuern”. Diese lassen sich nämlich nur auf Kontoguthaben erheben. War die EZB einmal für Geldwertstabilität zuständig, so hat die sich immer weiter zuspitzende Krise staatlicher Haushaltspolitik längst zu ihrer politischen Instrumentalisierung geführt. Und so läuft die “Mission Enteignung” auf vollen Touren. Doch wo den Bürger weiter schröpfen, wenn der sein Geld zuhause liegen hat? Wie also herankommen an die Spargroschen der Menschen? Nullzinsen und reale Geldentwertung sind bereits Praxis. Doch das genügt der Politik nicht. Erst die vollständige Kontrolle aller Geldströme maximiert das Abschöpfungspotential und schafft den “gläsernen Finanzbürger”. Dies ruft bei manchem lediglich ein Schulterzucken hervor; erstaunlich weit ist die Ansicht verbreitet, der Staat habe ein Recht darauf, immer zu wissen, was seine Bürger tun. Doch das hat er nicht! Es wird Zeit, sich die Vorzüge unserer scheinbar selbstverständlichen Demokratie ins Gedächtnis zu rufen. Bargeld ist “geprägte Freiheit” – wer es aufgibt, verliert viel mehr als er sich heute vorstellen mag.
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