Was ist denn nun eigentlich mit Houellebecq? Das fragte mich letzte Woche eine Leserin. Sie wusste wohl, dass ich den Mann früher gerne gelesen habe. Vielleicht noch tue. Aber »Karte und Gebiet« hat mich zuletzt nicht so richtig überzeugt. Aber Tatsache ist wirklich, dass ich mich mit seinem Werk ganz gut auskenne. Was ist also mit ihm? Sollte man ihn jetzt nicht schelten und als anständiger Mensch (und Linker) seinen neuesten Roman obendrauf moralisch ächten? Ich finde allerdings nicht, dass man das sollte.
Und da sind wir schon beim wesentlichen Kern, wieso ich Houellebecq nicht ächten möchte. Der Mann ist Schriftsteller. Kein Chronist im eigentlichen Sinne. Er erzählt Geschichten und manchmal auch Märchen. Er überspitzt, weil das zu seinem Metier gehört. Und es ist ja nicht nur so, dass er nur den Islam in seiner Gesichtslosigkeit überspitzt. Er tut es auch bei seinen Hauptfiguren, immerhin Leute aus der westlichen Leistungsgesellschaft. Das sind meist total fertige Charaktere. Sind Verlierer ohne Illusionen. Säufer und sexuell Verklemmte. Sie sind steril in ihrem Auftreten und ihre Gedankenwelt ist düster und von allen Idealen befreit. Perspektiven haben sie nur noch beruflich. Sonst gibt es nichts mehr, worauf sie hinarbeiten können. Man stellt sie sich mit traurigen Augen vor. Insofern sind Houellebecqs Bücher mehr Kritik an der westlichen Welt, als an allem anderen. Auch sein neues Buch ist eine solche Kritik.
Er sagte im Zuge seiner aktuellen Veröffentlichung, dass er früher den Koran nie gelesen habe, ihn aber Scheiße gefunden habe. Mittlerweile sehe er das aber anders. Er war damals also nicht kritisch im eigentlichen Sinne, sondern hat Muslime in seinen Büchern nur mit Vorurteilen unterfüttert. Mich hat das zwar immer leicht gestört. Aber ich habe es ihm verziehen. Weshalb? Weil ich an die künstlerische Freiheit glaube. Ein Autor sollte seinen Protagonisten Dinge sagen oder machen lassen können, die nicht korrekt sind. Man muss sie ihm ja nicht gleich persönlich in die Schuhe schieben. Das ist der große Unterschied zwischen Leuten, die eugenische Abhandlungen auf den Sachbuchmarkt werfen und solchen, die Romane schreiben. Der eine erzählt eine Geschichte - der Sachbuchautor, der mir gerade im Kopf rumschwebt, hat aber nur Märchen erzählt. Und das im falschen Themenregal - und genau dieses Themenregal macht den Unterschied. Hätte der andere einen eugenischen Roman geschrieben, wäre mir das egal gewesen. Vielleicht hätte ich ihn sogar gelesen.
Dass Houellebecq ein Kritiker des modernen Westens ist, dürfte auch in seinem neuesten Buch erkennbar sein. Die Moslems, die in Frankreich an die politische Macht kommen, handeln nicht einfach nur aus Boshaftigkeit und Machtwahn parlamentarisch, sondern weil das französische Bürgertum mehr und mehr versagt und sich den Le Pens an den Hals wirft. Diesen Aspekt sollte man jetzt nicht vergessen, wenn man den Mann zum neuen Islamhasser stilisiert. Er sieht den islamischen Gottesstaat in Frankreich nicht als Produkt islamischer Weltgeltungssucht, sondern als Reaktion auf das, was in der westlichen Welt an Islamophobie heranwächst. Seine Geschichte ist die von lauter Verrückten, die sich gegenseitig hochschaukeln.
Überhaupt war der Mann in allen seinen Büchern der Ansicht, dass die westliche Leistungsgesellschaft einen eklatanten Mangel an Ordnung aufweist. Er kokettierte stets mit seiner Trauer darüber, dass es eine gottgegebene Ordnung nicht mehr gibt. Der moderne Liberalismus ist für ihn ein offener Vollzug, in dem lediglich das denkbar Schlechteste nach oben schwappt. Alles ist durcheinander und Chaos, keine Kirche sagt mehr, wo es langgeht. In »Ausweitung der Kampfzone« kommt er mehrmals darauf zu sprechen. Spätere Bücher sprechen eine ganz ähnliche Sprache. Deswegen taugt der Mann aus meiner Sicht noch weniger als Zündler. Er muss ja geradezu eine klammheimliche Freude an jedem Fanatiker verspüren, der eine Ordnung wiederherstellt, die er als verloren beklagt.
Ich finde die Idee seines neuen Buches ehrlich gesagt nicht besonders originell. Da war der gute Mann schon mal weiter. Aber ich habe keine Lust, den Kerl zu verurteilen. Er liefert Geschichten. Was er damit ausdrücken will, ist eine ganz andere Sache. Und ein eindeutiger Islamfeind ist er sicher nicht. Dazu hat er zu viele Facetten. Man kann ihn gar nicht so zwischendrin mal schnell einordnen, wie das jetzt die Presse macht.
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Quelle: Reuters
Schlecht sieht er aus, der Houellebecq. Richtig schlecht. Ich habe mich erschrocken, als ich ihn neulich erblickte. Seine Bücher verkaufen sich gut, er sollte also kein schlechtes Leben führen. Aber er sieht genau danach aus. Als reichte seine Stütze nicht. Aber gut, das ist eine andere Sache. Zum Thema: Der Mann war immer latent islamfeindlich. Feindlich wohlgemerkt. Er war eben kein Islamkritiker, denn die Moslems, die in seinen Büchern in Nebensätzen vorkamen, waren stets entmenscht, ohne Gesicht und natürlich gewalttätig. Ich ignorierte es. Jeder Roman braucht Bösewichte. Eine dumpfe Gefahr, die unerklärlich scheint. So funktionieren Geschichten. Die Wirklichkeit geht aber anders. Sie kann sich Eindimensionalität nicht leisten. Der Romancier schon.Und da sind wir schon beim wesentlichen Kern, wieso ich Houellebecq nicht ächten möchte. Der Mann ist Schriftsteller. Kein Chronist im eigentlichen Sinne. Er erzählt Geschichten und manchmal auch Märchen. Er überspitzt, weil das zu seinem Metier gehört. Und es ist ja nicht nur so, dass er nur den Islam in seiner Gesichtslosigkeit überspitzt. Er tut es auch bei seinen Hauptfiguren, immerhin Leute aus der westlichen Leistungsgesellschaft. Das sind meist total fertige Charaktere. Sind Verlierer ohne Illusionen. Säufer und sexuell Verklemmte. Sie sind steril in ihrem Auftreten und ihre Gedankenwelt ist düster und von allen Idealen befreit. Perspektiven haben sie nur noch beruflich. Sonst gibt es nichts mehr, worauf sie hinarbeiten können. Man stellt sie sich mit traurigen Augen vor. Insofern sind Houellebecqs Bücher mehr Kritik an der westlichen Welt, als an allem anderen. Auch sein neues Buch ist eine solche Kritik.
Er sagte im Zuge seiner aktuellen Veröffentlichung, dass er früher den Koran nie gelesen habe, ihn aber Scheiße gefunden habe. Mittlerweile sehe er das aber anders. Er war damals also nicht kritisch im eigentlichen Sinne, sondern hat Muslime in seinen Büchern nur mit Vorurteilen unterfüttert. Mich hat das zwar immer leicht gestört. Aber ich habe es ihm verziehen. Weshalb? Weil ich an die künstlerische Freiheit glaube. Ein Autor sollte seinen Protagonisten Dinge sagen oder machen lassen können, die nicht korrekt sind. Man muss sie ihm ja nicht gleich persönlich in die Schuhe schieben. Das ist der große Unterschied zwischen Leuten, die eugenische Abhandlungen auf den Sachbuchmarkt werfen und solchen, die Romane schreiben. Der eine erzählt eine Geschichte - der Sachbuchautor, der mir gerade im Kopf rumschwebt, hat aber nur Märchen erzählt. Und das im falschen Themenregal - und genau dieses Themenregal macht den Unterschied. Hätte der andere einen eugenischen Roman geschrieben, wäre mir das egal gewesen. Vielleicht hätte ich ihn sogar gelesen.
Dass Houellebecq ein Kritiker des modernen Westens ist, dürfte auch in seinem neuesten Buch erkennbar sein. Die Moslems, die in Frankreich an die politische Macht kommen, handeln nicht einfach nur aus Boshaftigkeit und Machtwahn parlamentarisch, sondern weil das französische Bürgertum mehr und mehr versagt und sich den Le Pens an den Hals wirft. Diesen Aspekt sollte man jetzt nicht vergessen, wenn man den Mann zum neuen Islamhasser stilisiert. Er sieht den islamischen Gottesstaat in Frankreich nicht als Produkt islamischer Weltgeltungssucht, sondern als Reaktion auf das, was in der westlichen Welt an Islamophobie heranwächst. Seine Geschichte ist die von lauter Verrückten, die sich gegenseitig hochschaukeln.
Überhaupt war der Mann in allen seinen Büchern der Ansicht, dass die westliche Leistungsgesellschaft einen eklatanten Mangel an Ordnung aufweist. Er kokettierte stets mit seiner Trauer darüber, dass es eine gottgegebene Ordnung nicht mehr gibt. Der moderne Liberalismus ist für ihn ein offener Vollzug, in dem lediglich das denkbar Schlechteste nach oben schwappt. Alles ist durcheinander und Chaos, keine Kirche sagt mehr, wo es langgeht. In »Ausweitung der Kampfzone« kommt er mehrmals darauf zu sprechen. Spätere Bücher sprechen eine ganz ähnliche Sprache. Deswegen taugt der Mann aus meiner Sicht noch weniger als Zündler. Er muss ja geradezu eine klammheimliche Freude an jedem Fanatiker verspüren, der eine Ordnung wiederherstellt, die er als verloren beklagt.
Ich finde die Idee seines neuen Buches ehrlich gesagt nicht besonders originell. Da war der gute Mann schon mal weiter. Aber ich habe keine Lust, den Kerl zu verurteilen. Er liefert Geschichten. Was er damit ausdrücken will, ist eine ganz andere Sache. Und ein eindeutiger Islamfeind ist er sicher nicht. Dazu hat er zu viele Facetten. Man kann ihn gar nicht so zwischendrin mal schnell einordnen, wie das jetzt die Presse macht.
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