Das Suchen nach der eigenen Sprache – “The King’s Speech” auf Tournee durch Deutschland

Von Theatertogo @MarieGolueke

Asamtheater Freising, 1. Februar 2013

Großes Kino auf der Bühne. Nicht nur in Hinblick auf das Theaterstück, das gerade unter der Regie von Helmuth Fuschl mit großem Erfolg durch die Bundesrepublik tourt. Die männlichen Hauptrollen werden mit Götz Otto und Steffen Wink von international erfolgreichen Schauspielern verkörpert.

Sicherlich ist der oscarprämierte Film aus dem Jahr 2011 „schuld“ an dem Erfolg, den das Theaterstück von David Seidler derzeit auf den Bühnen Deutschlands feiert (es wird derzeit unter anderem auch am St. Pauli Theater Hamburg gespielt). Das Stück wurde zwar schon vor vielen Jahren geschrieben, durfte aber erst nach dem Tod Der „Queen Mum“ im Jahr 2002 aufgeführt werden. Eher unbekannt ist, dass der Film mit Colin Firth und Geoffrey Rush eben auf diesem Theaterstück basiert. Seidler schrieb auch das Drehbuch für diesen Film und erhielt dafür ebenfalls einen Oscar.

Wer jetzt aber erwartet, bei der Tournee-Produktion den Film auf der Bühne zu sehen hat sich sehr getäuscht. Glücklicherweise hat Fuschl nicht versucht, den Kinoerfolg eins zu eins nachzuerzählen, sondern machte aus der Textvorlage eine ganz eigene Interpretation. Klar erkennt man den ein oder anderen Dialog und manche Szenen wieder, doch während manche Episoden wegen des kleineren Figurenpersonals herausgekürzt wurden, erhält man dafür zum Teil auch tiefere Einblicke in die Verhältnisse der Figuren untereinander, vor allem der kleinen Ehekrise zwischen Sprachtherapeuten Lionel Logue und seiner Frau Myrtle, die eigentlich wieder in die australische Heimat zurückkehren will. Die Geschichte wird in Episoden erzählt, man erfährt also neben der bereits bekannten Story auch noch einiges über die Hintergründe, etwa wie Logue nach England kam oder wie die Politiker hinter dem Rücken der Monarchen die Fäden ziehen.

Das Bühnenbild ist – wegen der Tournee – sehr minimalistisch. Nur ein paar graue Wände, zwei Türen an den Seiten und einer Schiebetür im Hintergrund, die meistens zum Aufnahmeraum oder zur Bühne wird. Auch an Requisiten wird gespart, nur ein paar Gläser, ein Flugzeugmodell und das Mikrofon, das der Hauptfigur solche Probleme bereitet. Anfangs war dieser Minimalismus etwas gewöhnungsbedürftig, aber schnell merkt man, dass so die Konzentration ganz unweigerlich auf die Darsteller gelenkt wird, was gut so ist. Ich habe mir ja etwas Sorgen gemacht, dass die beiden erfolgreichen Stars die ganze Zeit über im Mittelpunkt stehen würden, aber das ist ganz und gar nicht der Fall. Es ist ganz klar ein Ensemble-Stück und man merkt, dass die Darsteller in der langen Spielzeit gut harmonieren.

Ich kannte Hauptdarsteller Götz Otto alias „Bertie“ bisher nur aus Film und Fernsehen, aber auch auf der Bühne hat der extrem große Schauspieler eine ebenso große Ausstrahlung. Vor allem der Stottern der Figur ist extrem authentisch dargestellt und wirkt keine Sekunde lang aufgesetzt. Man leidet wirklich mit. Auch schafft er es, dass man nicht den „Star“ Otto auf der Bühne sieht, sondern nur die Figur, was wieder für die starke Ensemblearbeit spricht. Ihm zur Seite steht Daniela Kiefer als Elizabeth. Während er mit jedem Wort ringt, wirkt sie stets kontrolliert und repräsentativ. Und trotzdem sieht man in den privaten Szenen auch die liebevolle Gattin, die ihrem Mann den Rücken stärkt.

Der erfolgreiche Sprachtherapeut / erfolglose Schauspieler Lionel Logue wird von Steffen Wink gespielt, der seiner Rolle eine gute Portion Humor, Ironie und vor allem Selbstbewusstsein verleiht. Den Szenen, in denen er seinem Patienten Albert frech gegenüber tritt, stehen jedoch zwei Castings für Shakespeare-Stücke gegenüber, bei denen die Figur kläglich scheitert. Dazu kommt noch, dass er sich auch noch mit dem Heimweh seiner Frau Myrtle auseinandersetzen muss, die von Mona Perfler verkörpert wird. Myrtle unterstützt ebenso wie Elizabeth ihren Mann bedingungslos, ist aber ebenso selbstsicher wie dieser. Wunderschön sind die privaten Szenen zwischen Lionel und seiner Frau, die im Film zum großen Teil fehlen. So sieht man viel deutlicher die Parallelen zwischen den beiden Paaren.

Die restlichen Rollen werden zum Teil in Doppelbesetzung von Christian Claaszen als Erzbischof von Canterbury, Harald P. Wieczorek als Winston Churchill und Alberts Vater George V. und Herbert Schäfer als Berties Bruder David und Premierminister Baldwin. Auch, wenn die Figuren nicht so große Rollen spielen, ist vor allem die Szene zwischen Albert und seinem Bruder sehr beeindruckend.

Alles in allem ein tolles Stück, das selbst Fans des Films noch viel Neues zu bieten hat, eine tolle Inszenierung und ein wundervolles Ensemble. Sehr empfehlenswert! Und das ganz und gar nicht nur wegen der Hauptdarsteller.

Die Inszenierung reist noch bis 15. März durch Deutschland, die Spieltermine und -orte findet man hier.

http://www.kempf-theater.de/download/spielorte_king_2012-2013.pdf

http://www.kempf-theater.de/king/index.shtml