BMW X6
Letztens las ich in "ramp", dem schwäbischen "auto.kultur.magazin" (sic), mehrmals das Wort "Ökofaschist". Natürlich bezieht es sich nur auf die Handvoll gewaltbereiter Großstadtbewohner, die teure und große Autos anzünden.
Aber irgendwie entstand doch der Eindruck, dass jeder, der übertrieben große Autos nicht in Ordnung findet (und das auch äußert) sich zumindest als Sympathisant betrachten muss. Allermindestens sei man mit dieser Haltung aber, so der Autor, "Middle Class"! Ach je. (NB: Dieser Begriff bezeichnet eigentlich, mit typisch britischem Understatement, einen sehr wohlhabenden Menschen. Aber wir verstehen schon, was gemeint ist...)
Ich gehe davon aus, dass es sich hier um eine lustige Polemik handelt.
Und die nehme ich gerne zum Anlass, meinerseits ein wenig Polemik abzusondern, ein paar Worte über ein Auto, dessen Existenz ich für eventuell verzichtbar halte: Den BMW X6.
Vorauszuschicken ist, dass ich kein grundsätzliches Problem mit großen und starken Autos habe. Im Gegenteil: Wie jeder Car Nut kriege ich große Augen und vermehrten Speichelfluß, wenn ich einen Viel-Zylinder brabbeln, husten, röhren oder kreischen höre. Ich finde "sexy" durchaus angemessen, wenn es um bestimmte Karosserieformen geht, und ich stelle mich bei passender Gelegenheit gerne zu den anderen in die Peepshow, wenn irgendwo ein geiles Teil auf Rädern präsentiert wird. Luxus- oder Sportwagen? Bitte sehr, nur zu! Uns macht die Anwesenheit automobiler Träume Spaß – und die Minderheit, die sie sich leisten kann, soll sich bitte von ganzem Herzen an deren Besitz erfreuen.
Nun wurde in München ein Blech gewordener Stinkefinger entwickelt, dessen Daseinszweck die Provokation all derer zu sein scheint, die beim Erwerb eines Gegenstandes ein gewisses Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen erwarten (wobei der Nutzen in diesem Fall wohl im Genuss läge). Egal, sagt der X6-Fahrer, dafür, dass ich allen anderen semantisch in die Fresse schlagen darf nehme ich gerne Opfer in Kauf. Genau das: Semantisch, formal, symbolisch in die Fresse schlagen – ohne dafür Sanktionen oder auch nur irgendwie zu rechtfertigende negative Reaktionen erwarten zu müssen. Ist das nicht toll? Das muss man erst mal hinkriegen! Jeder, der das, was der X6 mit seinen Proportionen und Formen zum Ausdruck bringt, in Worten und Gesten sagen würde, müsste mit Geldstrafen und Punkten in Flensburg rechnen.
Wirklich, so schlimm?, fragt der Leser. Naja. Wir sehen ein Fahrzeug, dessen untere Hälfte sich gestalterisch und maßlich an der Gattung SUV orientiert. In den USA, wo der X6 wohl seine Markt-Wunsch-Heimat hat, können seine Maße und Proportionen als maßvoll bis kompakt gelten. Das ist bei uns anders. Bei uns sprengen die dicken Flanken, die riesigen Räder und der hohe Körper den Maßstab. Anders gesagt: das Auto wirkt fast unanständig groß. Eine schlaffe, flächige Modellierung dieses Bereiches tut das ihre, um diese Größe zu betonen.
Die Pointe liegt nun darin, dass es oberhalb der Fensterlinie – also in einem Bereich, der, auch maßlich weit oberhalb des normalen automobilen Daseins, praktisch schon vollständig zur Privatspäre des Nutzers zu gehören scheint – ganz anders weitergeht: Hier wird der X6 auf einmal schlank, geschmeidig, fast elegant und überhaupt nicht mehr voluminös. Wir verstehen die Botschaft: Ich, der Eigner dieses Gefährtes, brauche weder viel Platz noch imponierende Proportionen. Schlank und sportlich bin ich, zu weit oben, zu schön, zu reich für die Konfrontation mit dieser schnöden Welt. Vor der schützt mich die untere Hälfte meines Autos, der Teil mit dem ihr anderen euch im täglichen Verkehr beschäftigen dürft. Es ist mir egal, dass mein Auto für euch ein optisches und semantisches Hindernis darstellt, ein Fels in der Brandung, der sich bewegt (gerne auch unberechenbar bewegt), eine subjektive und objektive Gefahr. Ich lebe in meiner eigenen Sphäre. Ihr kommt darin nicht vor. Ihr seid mir egal. Eine der möglichen Botschaften eines SUVs wird hier also dadurch zugespitzt, dass der X6 auf die funktionalen Vorteile eines solchen Fahrzeugs verzichtet.
Potentiell könnte so etwas auch schon wieder Klasse haben. Aber im Falle des X6 geschieht das auf recht unsubtile, grobe, beinahe lieblose Art und Weise, so dass der Vergleich mit einer Form gewordenen Verbalinjurie durchaus nahe liegt. Die souveräne BMW-Sprache wird verzerrt, ohne Rücksicht auf Eleganz, Schönheit, Dynamik, denn es geht nicht darum, zu gefallen. Es geht offenbar darum, weh zu tun. Mag sein, dass das nicht jedem Kunden klar ist, mag sein, dass mancher sich einfach nur mit naiver Unschuld in seinem Egoismus verstanden fühlt, wenn er den X6 sieht. Das provokative Potential der Form dürfte aber zumindest ihren Schöpfern klar sein; trotzdem kein böses Wort darüber, dass BMW ein solches Fahrzeug entwickelt hat und anbietet...
Dass es dafür einen nennenswerten Markt gibt, das ist freilich recht traurig. Denn man sieht daran, dass in der Oberklasse Leistung, Stil und gutes Benehmen schön langsam vollständig durch brutales und ostentatives Auftreten abgelöst werden dürfen. Und das ist es, was an diesem Auto so schmerzt: Mutwilliges, kindlich-trotziges Missachten der – ökologischen, ökonomischen und sozialen – Umwelt wird abgefeiert als Zeichen von Stärke. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um Schwäche: Charakterschwäche.
Wie gesagt: Wir sind heute etwas polemisch.
Letztens las ich in "ramp", dem schwäbischen "auto.kultur.magazin" (sic), mehrmals das Wort "Ökofaschist". Natürlich bezieht es sich nur auf die Handvoll gewaltbereiter Großstadtbewohner, die teure und große Autos anzünden.
Aber irgendwie entstand doch der Eindruck, dass jeder, der übertrieben große Autos nicht in Ordnung findet (und das auch äußert) sich zumindest als Sympathisant betrachten muss. Allermindestens sei man mit dieser Haltung aber, so der Autor, "Middle Class"! Ach je. (NB: Dieser Begriff bezeichnet eigentlich, mit typisch britischem Understatement, einen sehr wohlhabenden Menschen. Aber wir verstehen schon, was gemeint ist...)
Ich gehe davon aus, dass es sich hier um eine lustige Polemik handelt.
Und die nehme ich gerne zum Anlass, meinerseits ein wenig Polemik abzusondern, ein paar Worte über ein Auto, dessen Existenz ich für eventuell verzichtbar halte: Den BMW X6.
Vorauszuschicken ist, dass ich kein grundsätzliches Problem mit großen und starken Autos habe. Im Gegenteil: Wie jeder Car Nut kriege ich große Augen und vermehrten Speichelfluß, wenn ich einen Viel-Zylinder brabbeln, husten, röhren oder kreischen höre. Ich finde "sexy" durchaus angemessen, wenn es um bestimmte Karosserieformen geht, und ich stelle mich bei passender Gelegenheit gerne zu den anderen in die Peepshow, wenn irgendwo ein geiles Teil auf Rädern präsentiert wird. Luxus- oder Sportwagen? Bitte sehr, nur zu! Uns macht die Anwesenheit automobiler Träume Spaß – und die Minderheit, die sie sich leisten kann, soll sich bitte von ganzem Herzen an deren Besitz erfreuen.
Nun wurde in München ein Blech gewordener Stinkefinger entwickelt, dessen Daseinszweck die Provokation all derer zu sein scheint, die beim Erwerb eines Gegenstandes ein gewisses Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen erwarten (wobei der Nutzen in diesem Fall wohl im Genuss läge). Egal, sagt der X6-Fahrer, dafür, dass ich allen anderen semantisch in die Fresse schlagen darf nehme ich gerne Opfer in Kauf. Genau das: Semantisch, formal, symbolisch in die Fresse schlagen – ohne dafür Sanktionen oder auch nur irgendwie zu rechtfertigende negative Reaktionen erwarten zu müssen. Ist das nicht toll? Das muss man erst mal hinkriegen! Jeder, der das, was der X6 mit seinen Proportionen und Formen zum Ausdruck bringt, in Worten und Gesten sagen würde, müsste mit Geldstrafen und Punkten in Flensburg rechnen.
Wirklich, so schlimm?, fragt der Leser. Naja. Wir sehen ein Fahrzeug, dessen untere Hälfte sich gestalterisch und maßlich an der Gattung SUV orientiert. In den USA, wo der X6 wohl seine Markt-Wunsch-Heimat hat, können seine Maße und Proportionen als maßvoll bis kompakt gelten. Das ist bei uns anders. Bei uns sprengen die dicken Flanken, die riesigen Räder und der hohe Körper den Maßstab. Anders gesagt: das Auto wirkt fast unanständig groß. Eine schlaffe, flächige Modellierung dieses Bereiches tut das ihre, um diese Größe zu betonen.
Die Pointe liegt nun darin, dass es oberhalb der Fensterlinie – also in einem Bereich, der, auch maßlich weit oberhalb des normalen automobilen Daseins, praktisch schon vollständig zur Privatspäre des Nutzers zu gehören scheint – ganz anders weitergeht: Hier wird der X6 auf einmal schlank, geschmeidig, fast elegant und überhaupt nicht mehr voluminös. Wir verstehen die Botschaft: Ich, der Eigner dieses Gefährtes, brauche weder viel Platz noch imponierende Proportionen. Schlank und sportlich bin ich, zu weit oben, zu schön, zu reich für die Konfrontation mit dieser schnöden Welt. Vor der schützt mich die untere Hälfte meines Autos, der Teil mit dem ihr anderen euch im täglichen Verkehr beschäftigen dürft. Es ist mir egal, dass mein Auto für euch ein optisches und semantisches Hindernis darstellt, ein Fels in der Brandung, der sich bewegt (gerne auch unberechenbar bewegt), eine subjektive und objektive Gefahr. Ich lebe in meiner eigenen Sphäre. Ihr kommt darin nicht vor. Ihr seid mir egal. Eine der möglichen Botschaften eines SUVs wird hier also dadurch zugespitzt, dass der X6 auf die funktionalen Vorteile eines solchen Fahrzeugs verzichtet.
Potentiell könnte so etwas auch schon wieder Klasse haben. Aber im Falle des X6 geschieht das auf recht unsubtile, grobe, beinahe lieblose Art und Weise, so dass der Vergleich mit einer Form gewordenen Verbalinjurie durchaus nahe liegt. Die souveräne BMW-Sprache wird verzerrt, ohne Rücksicht auf Eleganz, Schönheit, Dynamik, denn es geht nicht darum, zu gefallen. Es geht offenbar darum, weh zu tun. Mag sein, dass das nicht jedem Kunden klar ist, mag sein, dass mancher sich einfach nur mit naiver Unschuld in seinem Egoismus verstanden fühlt, wenn er den X6 sieht. Das provokative Potential der Form dürfte aber zumindest ihren Schöpfern klar sein; trotzdem kein böses Wort darüber, dass BMW ein solches Fahrzeug entwickelt hat und anbietet...
Dass es dafür einen nennenswerten Markt gibt, das ist freilich recht traurig. Denn man sieht daran, dass in der Oberklasse Leistung, Stil und gutes Benehmen schön langsam vollständig durch brutales und ostentatives Auftreten abgelöst werden dürfen. Und das ist es, was an diesem Auto so schmerzt: Mutwilliges, kindlich-trotziges Missachten der – ökologischen, ökonomischen und sozialen – Umwelt wird abgefeiert als Zeichen von Stärke. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um Schwäche: Charakterschwäche.
Wie gesagt: Wir sind heute etwas polemisch.