Das Rentensystem benachteiligt Familien. Na und?

Die Bertelsmann-Stiftung hat mal wieder was festgestellt. Und zwar, dass es bei der Rente in unserem schönen Lande sehr ungerecht zugeht: Ausgerechnet diejenigen, die die nächste Generation der Rentenzahler aufziehen, haben weniger davon als Kinderlose, die statt unbezahlte Erziehungs- und Hausarbeit zu leisten, lieber ordentlich Geld verdienen und hinterher entsprechend höhere Renten kassieren können. Nach dem in der letzten Zeit ja immer wieder zu lesen war, dass man in dieser Gesellschaft total bescheuert sein muss, wenn man Kinder aufzieht, kommt jetzt sozusagen die wissenschaftliche Bestätigung dafür.

Ein heute 13-Jähriger wird im Laufe seines Lebens durchschnittlich 77.000 Euro mehr in die Rentenkasse einzahlen als er selbst an Rente beziehen wird. Seine Eltern jedoch haben davon wenig. Zwar haben sie mit der Gründung einer Familie und ihrer Erziehungsleistung der Rentenkasse diesen Überschuss erst ermöglicht. Aber weder erhöht sich dadurch ihre eigene Rente wesentlich, noch zahlen sie weniger Beiträge als Kinderlose. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Sie bezeichnet die heutige gesetzliche Rentenversicherung (GRV) als “nicht familiengerecht” und sieht dringenden Reformbedarf.

Die Welt ist hart und ungerecht, aber das ist dann offenbar doch zu schlimm. Deshalb haben sich die Wissenschaftler Gedanken gemacht und schlagen zwei mögliche Reformmodelle vor, um die Eltern in der aktiven Familienphase besser zu stellen und damit Fehlanreize gegen eine Familiengründung zu korrigieren. Das eine Modell sieht vor, Kinderfreibeträge ins gesetzliche Rentensystem einzuführen, wie es sie im Steuersystem bereits gibt. Dadurch würden Eltern in der aktiven Familienphase weniger Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Allerdings sage ich aus Erfahrung, dass von diesem System genau diejenigen am meisten profitieren, die eh schon genug Geld haben – selbst ich mit meinem Normalverdiener-Gehalt komme nicht in die Sphären, um den Steuerfreibetrag voll ausnutzen zu können. Besserverdiener bekommen nämlich noch etwas extra, die anderen müssen sich mit dem Kindergeldsatz von 184 Euro monatlich (fürs erste und zweite Kind, für weitere Kinder gibts etwas mehr) zufrieden geben. Natürlich würde das mit Rentenfreibeträgen genauso beschissen für die Nicht-so-gut-Verdiener ausgehen. Gerechtigkeit ist halt immer eine Frage der Perspektive.

Das zweite Modell wäre der Umbau des Rentensystems und die Einführung einer “Kinderrente”. Aber auch bei der Rente würde sich das beschissene Leistungsprinzip durchziehen – diejenigen, die wenig verdienen, bekommen weiterhin weniger als die anderen, auch wenn sie sich bei der Erziehung ihrer Kinder genauso viel oder vielleicht sogar mehr Mühe geben. Aber selbstverständlich kommt bei den Bertelsmännern niemand auf die Idee, grundsätzlich zu hinterfragen, wie es denn mit der Gerechtigkeit vereinbar ist, dass für die Rente immer nur die Jahre zählen, in denen man versicherungspflichtig beschäftigt war und dann natürlich auch, wieviel man verdient hat. Wäre es nicht eigentlich gerechter, wenn man allen, die 65 Jahre alt werden, eine Einheitsrente zahlt, von der man anständig leben kann? Wer vorher mehr verdient hat, kann sich ja was zurück legen. Wer wenig verdient hat, hat wenigstens noch ein paar angenehme Jahre.

Man kann aber auch gleich noch prinzipieller fragen, warum überhaupt alles, was Menschen in diesem Lande tun, nach Leistung und Geldwert berechnet werden muss. Angesichts der Tatsache, dass es ohnehin nie wieder für alle auskömmliche Jobs geben wird, und ein immer größerer Anteil der Menschheit gezwungen ist, unterhalb eines wie auch immer angesetzten Existenzminimums dahin zu vegetieren, könnte man mit dem Unsinn doch einfach mal aufhören. Denn diese ganze Rentendebatte ist ja auch wieder nichts anderes, als die Kinderlosen gegen Eltern auszuspielen und umgekehrt. Nach dem gleichen Muster werden diejenigen, die noch halbwegs gute Jobs haben, gegen Leih- und Wanderarbeiter ausgespielt, Rentner gegen Junge, Hartz-4-ler gegen alle. Oder umgekehrt. Statt zu überlegen, wie man den armen Eltern jetzt irgendwie einen Rentenalmosen zukommen lassen kann, wäre es doch viel besser, zu überlegen, wie man eine Gesellschaft gestalten könnte, in der alle so leben können, wie sie möchten, ob nun mit oder ohne Kinder. Dazu muss man natürlich ganz prinzipielle Fragen stellen, etwa die, warum nicht jeder Mensch das Recht hat, ein Stück vom Kuchen abzukriegen.

Man müsste ganz ernsthaft umverteilen: Den Besitz der Produktionsmittel in die Hände der Produzierenden legen wäre ein guter Anfang. Und wenn man die nötige Arbeit dann so organisiert, dass alle etwas davon haben und keiner sich mehr totschuften muss, würde sich die Frage nach einer gerechten Rente für Eltern gar nicht mehr stellen.



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