Michaela Preiner
Steven Cohen – „Taste“ (Foto: Pierre Planchenaut) Der wohl bekannteste südafrikanische Performancekünstler, der 2006 auf Einladung der Kunsthalle Wien mehrere Tage hier performte und bei Impulstanz im Juli seine Show „Put your heart under your feet — and walk“ zeigte, gliedert seine zweite, in dieser Saison gezeigte Arbeit „Taste“ in drei Teile. Gezeigt wurde diese im Museum Leopold. Die beiden ersten Teile sind reine Filmeinspielungen. Zu Beginn wird man im Kapitel „Good Taste“ Zeuge der rituellen Handlung Ningyo Kuyo in Japan, bei der Puppen, die man nicht mehr haben möchte, verbrannt werden. Dies in Begleitung von Gebeten, da man in Japan der Meinung ist, dass auch Puppen eine Seele haben. Steven Cohen überblendet das Geschehen mit einer eigenen Choreografie in einem verspiegelten Tempel, in dem er selbst als lebende Puppe agiert. Als solche präsentiert er sich als menschliches Hybrid, das nur aus Beinen und Armen besteht und durch eine geschickte Spiegelung reizvolle Körperansichten bereithält. In einem kurzen Zwischenschnitt blendet er vor einer Verbrennungsszene ein Hakenkreuz ein und evoziert damit sofort die massenhafte Vernichtung von politischen, religiösen und ethnischen Gegnern unter den Nazis. Dass kurz darauf ein aufgemalter oder eintätowierter Davidstern auf seinem kahlen Schädel zu sehen ist, macht schlagartig klar, dass sich dieser Hinweis auch auf die jüdische Abstammung des Künstlers bezieht. Steven Cohen – „Taste“ (Fotos: Pierre Planchenaut) In der zweiten Filmeinspielung „Bad Taste“ verfolgt man eine Performance, die Cohen 2013 vor dem Palais Chaillot inszenierte. Halb nackt, seinen Penis mit einem weißen Stoff nur zum Teil ummantelt, hat er daran eine Stoffleine montiert, die mit einem lebenden Hahn verbunden ist. Auch er selbst trägt Federn auf dem Kopf und an den Handschuhen und mutiert dadurch zu einer auffallenden, menschlichen Hahn-Kunstfigur, die zwangsläufig im öffentlichen Raum provoziert. Das Palais Chaillot wird von insgesamt vier Kulturinstitutionen genutzt, von Museen genauso wie von einem Theater und trägt eine markante Außenaufschrift. Dabei ist sinngemäß zu lesen, dass der Mensch ständig erschafft, ohne dass es ihm bewusst ist, dass aber das Schaffen des Künstlers ein bewusstes ist, welches sein ganzes Sein beeinflusst.Der Hahn steht in Frankreich für das Symbol der Freiheit – und war nach der Revolution sogar mehrere Jahrzehnte auf der französischen Fahne verewigt. In Cohens Interpretation steht dieser sowohl für den Freiheitsgedanken der Kunst, als auch für das männliche Geschlechtsteil, das im Englischen ja auch mit „cock“ – Hahn bezeichnet wird. Die Freiheit, die hier eingefordert wird, bezieht sich zum einen auf die Kunstproduktion, zum anderen aber auch auf das Mensch-Sein an sich, egal welche sexuelle Präferenz damit verbunden ist.
Beides wurde durch eine Verhaftung während der Aufführung negiert und ein halbes Jahr später auch gerichtlich verurteilt. Wenngleich in einem salomonischen Urteil, bei dem keine Strafe ausgesprochen wurde.
Seinen dritten Performance-Teil, schlicht „Taste“ übertitelt, lieferte Cohen im Untergeschoss des Museum Leopold live ab. Dabei trat er in einem für ihn typischen, glamourhaften Outfit aus, das die Künstlichkeit seiner Figur noch verstärkt. Die Vorderansicht imitiert ein bodenlanges Abendkleid, der Rückenteil lässt aber den Blick auf viel nackte Haut zu. Auf seinem Kopf trägt er einen überdimensionierten Davidstern und geht nach einem kurzen Intro rasch auf Konfrontationskurs mit seinem Publikum. Nachdem er die Zusehenden mit Krachern, die nacheinander automatisch an seinem Rocksaum gezündet werden, erschreckte, presste er eine schwarze Flüssigkeit in eine Leibflasche, so als würde das Nass aus seinen Gedärmen kommen, um es anschließen genüsslich zu trinken. Seinen Abgang quittierten die Anwesenden mit freundlichem Applaus.
Steven Cohen – „Taste“ (Fotos: Pierre Planchenaut) Der Performer ist davon überzeugt, dass man sich an „Taste“ lange Zeit erinnern werde. Ob das wirklich so ist, wird sich zeigen. Das Schockpotential, das er dabei für sein Publikum bereithielt, war nicht allzu hoch Vielleicht, weil vieles, was den Blutdruck nach oben treiben sollte, so oder so ähnlich schon vor vielen Jahren zu sehen war. Vor allem in Wien. Denn in den 60er-Jahren waren die Wiener Aktionisten mit Rudolf Schwarzkogler oder Günther Brus – um nur zwei von ihnen zu nennen – auch nicht zimperlich, was die Zurschaustellung von Genitalien, Blut oder Fäkalien betraf.Dennoch ist seine Arbeit sehenswert und spiegelt im performativen Bereich jenen Zeitgeist wider, der Queere und Transgender-Menschen dazu antreibt, extrem offensiv mit ihrer Sexualität umzugehen. Das Kämpfen um das Recht auf Freiheit scheint immer mit Gewaltakten verbunden zu sein. Selbst, wenn dieser Kampf, wie bei Steven Cohen, letztlich auch ein großes Stück, gegen sich selbst gerichtet erscheint.
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