Möchte man in der Schweiz in die Berge, dann fährt man entweder ins Wallis, das Berner Oberland oder nach Graubünden. Die drei größten Kantone der Schweiz liegen vollständig bis teilweise in den Alpen (Kanton Bern) und locken jedes Jahr Wanderfreunde und Bergsteiger aus aller Welt an. Als größter Kanton der Schweiz bietet Graubünden nicht nur mehr Berge, sondern eine einzigartige Vielfalt an Menschen und Kultur. Verschiedene Faktoren wie die Lage im Dreiländer-Eck, die besondere Nähe zu Italien, die Abgeschiedenheit vieler Regionen und die jahrhundertalte Geschichte der Handelswege von Nord nach Süd und zurück, formen das Land und die Geschichte der Bergdörfer. Neugierig mache ich mich auf die Reise und entdecke viel ursprüngliche Traditionen und Menschen mit dem Herz am richtigen Platz.
Das Prättigau
Im Norden des Kantons Graubünden liegt das Prättigau, etwa 1,5 Stunden Zugfahrt von Zürich entfernt. Die abwechslungsreiche Berg- und Talregion erstreckt sich von Ost nach West etwa 40 Kilometer entlang des Flusses Lanquart. Hinter dem nördlichen Gebirgszug, dem Rätikon, grenzen bereits die Nachbarn Liechtenstein und Österreich an. Auf einer kompakten Fläche von etwa 610 km² umfasst das Prättigau gleichermaßen hohe Gipfel (wie z.B. die Schesaplana, dem höchsten Berg des Rätikon mit 2964 m) und liebliche Täler (wie das Churer Rheintal, in dem der Rhein seinen Ursprung findet). Allgemein bekannt ist das Prättigau vor allem für die Gemeinden und Wintersportorte Klosters und Davos. Wer sich allerdings auf die Reise abseits der bekannten Orte und dem Tourismus macht, wird eine Vielzahl an wunderschönen Wanderwegen und Bikerouten entdecken mit samt ursprünglichen Bergdörfern und Alpzauber.
Das Maiensäss Valcaus
Ein Ort für erlebbaren Alpzauber ist definitiv das Maiensäss Valcaus, eine bewirtete Berghütte auf 1600 Metern Höhe in der Nähe der Ortschaft Seewis. Hütten wie diese sieht man sehr häufig in Graubünden, so siedelten sich hier im Mittelalter zugereiste Bergbauern aus dem Wallis (Walser) an. Heute sind die meisten Walser Hütten umgebaut zu bewohnbaren oder eben bewirteten Alphütten. Wer es vom Tal per Pedes oder Mountainbike einmal hier hoch geschafft hat, freut sich über den weiten Panoramablick ins Prättigau , die Stille und ein kühlendes Getränk. Bei Letzterem sollte man es allerdings nicht belassen, so lecker und traditionell kann man im Maiensäss Valcaus speisen. Typisch für die Region und empfehlenswert: die hausgemachte Bündner Gerstensuppe! Wer es etwas kräftiger mag wird das Seewiser Birnbrot und die Hirschsalsiz oder (ganz klar) den Bergkäse lieben. Und wenn die Wirtin Zeit für eine Pause findet, greift sie auch mal gerne zum Akkordeon und unterhält ihre Gäste auf sehr amüsante Art. Gestärkt und erholt kann man von hier aus weiter wandern oder mit dem Trottinett zurück ins Tal sausen.
Wanderrouten im Prättigau
Mit über 1000 km gekennzeichneten Wanderwegen, hat das Prättigau einiges an Tourenvielfalt zu bieten. Besonders reizvoll finde ich persönlich den Prättigauer Höhenweg Nr. 72 und den Walserweg Graubünden Nr. 35, beides Weitwanderwege über mehrere Etappen. Der Prättigauer Höhenweg beispielsweise umfasst eine 4-tägige Wandertour entlang schweiz-österreichischen Grenze von Klosters bis nach Malans. Der 64 Kilometer lange Höhenweg führt über grüne Alpwiesen, vorbei an imposanten Kalkgebirgswänden bis hin zur Landesgrenze der Büdner Herrschaft, bekannt für den hochwertigen Wein. Der Walserweg Graubünden hingegen erstreckt sich über stattliche 19 Etappen von San Bernardino durch abgelegene Gemeinden und Talschaften, auf den Spuren der Walser. Aber auch zahlreiche Tagestouren und Themenwege führen durch die Prättigauer Alpenlandschaft, ohne dass man extra auswärts übernachten muss. Eine sehr schöne Übersicht aller Wanderwegs im Prättigau bietet die Broschüre “Wander Wunder Prättigau”.
Talfahrt mit dem Trottinett
Eine ganz andere – und weitaus schnellere Art der Fortbewegung durch die Prättigauer Landschaft – ist das Trottinett (schweizerisch für “Tretroller”). Wer hier an scheppernden Alutretroller von Grundschülern aus der Stadt denkt (so wie anfangs ich) täuscht sich: das Trottinett ist viel mehr ein Mountainbike, nur mit Trittbrett statt Sattel. Zugegeben, zu Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, da man vergeblich immer wieder nach dem Sattel greift. Doch wenn man einmal den Abhang runter gerollt ist, denkt man nicht mehr nach sondern lässt sich einfach mitziehen. Geschwindigkeitsrausch und Suchtgefahr garantiert! Das Tempo kann jeder für sich selbst bestimmen und Zeit für Pause und Weitsichten ins Tal einlegen. Das Unternehmen Trottiplausch verleiht die Tretroller und organisiert außerdem verschiedenartige Touren (von Wanderungen mit Übernachten und Talabfahrt über Rundtouren vom Ort zu Ort). Im gesamten Prättigau gibt es über 40 empfohlene Routen und etwas 10 feste Trotti-Stationen, an denen man sich das Gefährt ausleihen kann.
Meine persönlichen Tipps
- wandern auf dem Prättigauer Höhenweg Nr. 72 oder Walserweg Graubünden Nr. 35
- Büdner Brotzeit im Maiensäss Valcaus einlegen
- mit dem Trottinett zurück ins Tal rollen
- mit dem Glacier Express von Davos nach Zermatt fahren
- das traditionelle Prättigauer Alpspektakel besuchen (dazu folgt noch ein extra Bericht!)
Mehr über die Hintergründe Graubündens
Diese organisierte Reise durch Graubünden führt mich durch kleine und besondere Bergdörfer. Hier komme ich mit Menschen in Kontakt, die ich sonst nie kennengelernt hätte, wie den Schafsbauern Koni Adank oder den Senner Andreas Kaufmann. Die Begegnung mit ihnen und ihre persönlichen Geschichten sind für mich ein Zeichen dafür, wie besonders und ursprünglich Graubünden und somit die Schweiz sein kann. Im Nachgang meiner Reise ist eine 3-teilige Serie mit folgenden Berichten (bisher) entstanden, in der ich vor allem über Menschen, Traditionen und die Region Prättigau schreibe:
- Das Prättigau: hügelig sanft und alpin wild
- Das traditionelle Prättigauer Alp Spektakel
- Urige Bergdörfer entlang der Viamala