Das politische Gericht: Ein Leitfaden zum Impeachment-Prozess in den USA

Von Oeffingerfreidenker
Es ist passiert. Nachdem es drei Jahre lang so aussah, als gäbe es nichts, wirklich gar nichts, dass Donald J. Trump, 45. Präsident der USA tun könnte das zu einem Impeachment-Prozess führen würde, ist der Rubikon nun überschritten. Nancy Pelosi, Mehrheitsführerin der Democrats im House of Representatives und Sprecherin desselben, hat angekündigt, formelle Untersuchungen für einen Impeachment-Prozess gegen Trump einzuleiten. Ihr caucus steht geschlossen hinter ihr. Aber welche Chancen hat ein Impeachment? Wie funktioniert es überhaupt? Und ist Trump überhaupt schuldig? All das, und noch viel mehr, in diesem kleinen Leitfaden.

Der formelle Teil

Der Impeachment-Prozess ist in der US-Verfassung festgeschrieben. Wie das in diesem Dokument so oft der Fall ist, schweigt sie sich dabei über die Details ziemlich aus. Lediglich zwei Schritte - die formelle Anklageerhebung und das Verfahren - sind festgelegt. Aber auch hier sind die Details ziemlich diffus. Der geneigte Leser möge sich daher nicht über viele Konjunktive und Ungefährheiten wundern. Sie sind systemisch.
Beginnen wir mit dem einfachsten: dem Ziel. Wer kann impeached werden? Grundsätzlich jeder "civil officer", also vom niedrigsten gewählten Hundefänger (nicht, dass es die auf Bundesebene gäbe...) bis hin zum Präsidenten selbst. Privatpersonen etwa oder Angestellte des Öffentlichen Dienstes sind raus. Für sie greift normales Straf- und Arbeitsrecht.
Weswegen darf gegen die civil officers ein Impeachment eingeleitet werden? Die Verfassung nennt drei mögliche Vergehen: treason, high crimes and misedemeanors. Während das Konzept des Landesverrats vergleichsweise klar umrissen ist (wenngleich sich die Verfassung selbst ausschweigt), ist reichlich unklar, was mit high crimes and misdemeanors eigentlich gemeint ist. Das ist bis heute nicht klarer als 1787. Letztlich bleibt also nur die Festlegung im politischen Prozess.
Der erste Schritt im eigentlichen Verfahren sind Ermittlungen. Wer diese durchführt, ist in der Verfassung nicht festgelegt. Häufig tut dies der Rechtsausschuss (Judiciary Comittee) des House of Representatives, aber das ist nicht zwangsläufig der Fall. Die Ermittlungen gegen Richard Nixon begannen im Rechtsausschuss des Senats; die gegen Bill Clinton in den völlig aus dem Ruder laufenden Untersuchungen des special investigator Kenneth Starr. Im Fall des Impeachment gegen Trump aber beginnen die Untersuchungen im erstgenannten Gremium mit der offiziellen Erklärung Nancy Pelosis. Diese Unterschiede haben ihre Grundlage vor allem in den politischen Prozessen, von denen noch die Rede sein wird.
Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, kommt der ganze Fall vor das House of Representatives. Dieses steht nun vor der Wahl, entweder formell Anklage zu erheben oder dies nicht zu tun. Diese Entscheidung ist nicht durch den vorhergehenden Beginn der Ermittlungen determiniert. Das Abgeordnetenhaus könnte auch entscheiden, dass die Beweislage zu dünn ist, um das Verfahren einzuleiten. Aus politischen Gründen erfolgt diese Abschätzung üblicherweise vorher.
Im Gegensatz zu Gesetzen, die der Sprecher des Senats (aktuell die Inkarnation des Bösen, Mitch McConnell) ignorieren kann, ist der Senat nicht nur gezwungen, sich mit dem Impeachment zu beschäftigen. Er muss es auch zu seiner obersten Priorität machen. Ein Impeachment bringt den gesamten legislativen (Bundes-)Apparat der USA zum Stillstand, ein weiterer Grund dafür, warum die Abgeordneten üblicherweise zögerlich sind, von dem Instrument Gebrauch zu machen.
Der Senat muss nun in einem offiziellen Verfahren, das vom Vorsitzenden des Supreme Court in einer weitgehend zeremoniell verstandenen Rolle geleitet wird, über die Schuld des Angeklagten befinden. Hierzu müssen 2/3 aller Abgeordneten, aktuell also 67 Senatoren, einer Verurteilung zustimmen. Diese hohe Hürde sorgt dafür, dass eigentlich keine Partei alleine und ohne Stimmen der Gegenpartei einen Impeachment-Prozess gewinnen kann. Wird das Quorum erreicht, ist der Präsident abgesetzt und sein Vizepräsident wird als neuer Präsident vereidigt. Wird das Quorum nicht erreicht, passiert gar nichts. Das Impeachment ist gescheitert, und alles nimmt wieder seinen normalen Gang.

Ein Blick in die Geschichte

Soweit die Rechtslage. Schauen wir einmal, wie es um das präsidiale Impeachment in der Geschichte bestellt war. Insgesamt gab es in der US-Geschichte drei Versuche, einen Präsidenten zu impeachen. Das ist, gerechnet über die 232jährige Geschichte des Landes, nicht sonderlich viel. Wir werden noch sehen, warum.
Das erste Impeachment richtete sich 1867 gegen den Andrew Johnson. Johnson war in der Wahl von 1864 von Abraham Lincoln als Vizepräsident ausgewählt worden, um die eher sklavereifreundlichen konservativen Kräfte zu befrieden. Diese politische Kalkulation half ihm zwar, die Wahl zu gewinnen, erwies sich aber nach seiner Ermordung kaum drei Monate nach seiner Amtseinführung 1865 als verhängnisvoll. Johnson blockierte jegliche Versuche, die besiegten Südstaaten zu reformieren oder irgendetwas für die Verbesserung der Situation der befreiten Schwarzen zu unternehmen. Er wehrte sich dagegen, ihnen Bürgerrechte zu geben und arbeitete eng mit den ehemaligen Sklavenhaltern an deren Rehabilitierung. Kurz: Er war ein Schurke.
Das sah die zunehmend frustrierte Mehrheit der republikanischen Partei auch so. Mehrere Male überstimmte sie - mit 2/3-Mehrheit - die Vetos des Präsidenten. Der Kampf zwischen Exekutive und Legislative eskalierte immer weiter. 1867 kippte er über. An Anklagepunkten mangelte es weder in Abgeordnetenhaus noch Senat. Am Ende allerdings scheiterte das Impeachment an einer einzigen Stimme im Senat. Das erste Impeachment ist damit das bisher auch knappste, das je ausgefochten wurde.
Völlig wirkungslos war es übrigens auch nicht. Johnson musste endgültig einsehen, dass er auf verlorenem Posten stand und auf breiter Front verhasst war. Gescheitert war das Verfahren weniger daran, dass er viele Freunde hatte, als daran, dass einigen der Schritt zu radikal war. Woran die Betroffenen auch keinen Zweifel ließen. In den Nachwehen des Verfahrens moderierte sich Johnson denn auch deutlich und sah davon ab, sich 1868 noch einmal um die Präsidentschaft zu bewerben.
Das zweite Impeachment war gegen Richard Nixon. Auch er verdient unzweifelhaft das Prädikat eines Schurken, wenngleich er für seine Leugnung dieses Sachverhalts berühmt wurde. Hinreichend bekannt ist hier der Einbruch seiner Handlanger in das Watergate Hotel, in dem die Democrats ihre Wahlkampfzentrale hatten. Als ein erster Verdacht entstand, bemühte sich das Team um Nixon, möglichst viele Nebelkerzen zu werfen und die Ermittlungen zu behindern. Aus diesen Tagen entstammt das geflügelte Wort "It's not the crime, it's the cover-up".
Jedoch tut man den Republicans Unrecht, wenn man denkt, dass sie damals einhellig Nixon verurteilten. Die Ermittlungen, in deren Verlauf immer krassere Enthüllungen ans Licht kamen, zogen sich über Monate, in denen die Funktionäre und Abgeordneten treu zu ihrem offensichtlich korrupten Präsidenten standen. Es war absurderweise die Veröffentlichung von Gesprächsmitschnitten aus dem Oval Office, die die Stimmung im konservativen Lager gegen Nixon kippen ließen. Der Grund? Nixon fluchte wie ein Dockarbeiter. Das brachte damals die Wertkonservativen gegen ihn auf.
Nachdem deutlich war, dass das Abgeordnetenhaus offiziell Anklage erheben und, entscheidend, der Senat Nixon verurteilen würde, zog der Präsident die Notbremse und trat als erster und bisher einziger Präsident der US-Geschichte zurück, um der Amtsenthebung (die praktisch sicher war) zuvorzukommen. Nixons Rücktritt wird daher oft ohne den Kontext des Impeachments debattiert, ist ohne dieses aber nicht vorstellbar.
Das zweite tatsächlich durchgeführte Impeachment dagegen betrifft den 42. Präsidenten, Bill Clinton. Die Republicans, die sich unter ihrem damaligen Anführer Newt Gingrich deutlich radikalisiert hatten, nutzten das Justizsystem, um Clintons Präsidentschaft zu erschweren. In den frühen 1990er Jahren ernannten sie einen special investigator, Kenneth Starr, um Vorwürfe aus Clintons Zeit in Arkansas zu untersuchen, die nebulöse Details eines noch nebulöseren Immobiliendeals ("Whitewater") untersuchen sollten. Zwar kann als sicher gelten, dass Clinton dort nicht hasenrein operierte; Konkretes nachweisen konnte ihm Starr jedoch nicht.
Anstatt nun seinen Bericht einzureichen und die Sache abzuschließen, erweiterte Starr eigenständig sein Mandat, gestützt von Gingrichs auf Linie gebrachtem caucus. Bereits kurz nach Clintons triumphaler Wiederwahl 1996 (eine ironische Parallele zu Nixons 49-Staaten-Triumph von 1972) kam er auf die Spur eines Sexskandals, der bald für Monate die amerikanische Öffentlichkeit in Atem halten sollte. Die Falle, die Starr dabei Clinton stellte war, ihn glauben zu lassen, keine Beweise für die Affäre mit Monica Lewinsky zu haben. Clinton tappte natürlich direkt hinein und sagte unter Eid aus, "keine sexuellen Beziehungen zu dieser Frau" gehabt zu haben.
Seine miese Haltung gegenüber Lewinsky wurde erst im Wahlkampf 2016 wieder zum Thema; den ganzen Rest der Affäre liquidierten die Republicans damals öffentlichkeitswirksam im Senat. Es zeigte sich aber schnell, dass man nicht mehr 1974 schrieb. Die amerikanische Öffentlichkeit empfand den Sex-Skandal zwar als verwerflich, aber nicht gerade als high crimes and misdemeanor.  Im Senat scheiterte das Impeachment, das mittlerweile übereinstimmend von allen Beteiligten als überzogen betrachtet wird, deutlich.

Lehren

Dieser letzte Fall ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil die Analyse der politischen Dynamiken einen ganz eigenen Legendenstatus entwickelte. Viel davon hängt mit den Midterms 1998 zusammen. Obwohl sie die zweiten Midterms einer Amtszeit waren, gelang den Democrats etwas, das in der neueren amerikanischen Geschichte seit 1900 nur dreimal vorgekommen ist: Dass die Präsidentenpartei Stimmen hinzugewann. Während dies bei der Wiederwahl durchaus häufiger vorkommt, ist es für Midterms extrem selten.
Dieser Zugewinn wird in der politischen Folklore gerne auf den republikanischen overreach zurückgeführt, also die Idee, dass man mit dem frivolen Impeachment um Sexgeschichten die Bevölkerung gegen sich aufgebracht hatte. Das ist jedoch aus den Umfrage- und Wahldaten nur schwer zu belegen. Geholfen hat das Impeachment den Republicans 1998 sicherlich nicht; ihre Wahlniederlage aber hatte vor allem strukturelle Gründe.
Die Legende vom backlash gegen das Impeachment dagegen hält sich hartnäckig. Das ist nachvollziehbar. Für die Regierungspartei war sie eine gute Methode, leicht verständlich auf Fehler der Opposition hinzuweisen und mit dem beliebten Präsidenten zu glänzen. Für republikanische Strategen war es sehr einfach, die ganze Schuld auf Newt Gingrich abzuschieben, dessen Stern ohnehin im Sinken begriffen war und der stark an Rückhalt eingebüßt hatte (und 1998 auch den Posten des Mehrheitsführers verlor). So gewannen am Ende alle (bis auf Gingrich).
Dem Erkenntnisgewinn allerdings half es verhältnismäßig wenig. Die Republicans radikalisierten sich ungehemmt weiter (die Geschichte dieser Radikalisierung hier im Blog). Man sollte daher vorsichtig sein, zu starke Lehren aus dem Prozess von 1997 ziehen zu wollen.

Ein fundamental politischer Prozess

Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, was das Impeachment alles nicht ist und nicht zu leisten in der Lage war, was nicht definiert und was in der nebulösen Grauzone des politischen Prozesses hängt. Das ist kein Konstruktionsfehler. Es ist im Impeachment vielmehr angelegt.
Die Vorwürfe, die zu einem Amtsenthebungsverfahren führen können, sind explizit nicht strafrechtlicher Natur. Sie können dies sein - etwa wenn Trump tatsächlich jemanden auf 5th Avenue erschießen würde -, doch in der Praxis haben sie bislang nie eine Rolle gespielt. Das einzige Mal, in dem strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten gewesen wären, sorgte der neue Präsident Ford durch eine prophylaktische Begnadigung dafür, dass die Diskussion sich erübrigte.
Stattdessen wird das Verfahren aus politischen Gründen angewandt. Es ist auch in seiner Natur politisch. Anders als bei Gerichtsprozessen spielen konkrete Gesetzesverstöße und Beweisprozesse eine grundsätzlich eher untergeordnete Rolle. Es geht nicht darum, den oder die Richter von der Schuld zu überzeugen. Es geht darum, ob 2/3 der Richter bereit sind, für eine Amtsenthebung zu stimmen.
Hierfür ist selbst erwiesene Schuld keine Notwendigkeit. Niemand hat je bezweifelt, dass Bill Clinton bezüglich des Geschlechtsverkehrs mit Lewinsky Meineid begangen hatte. Niemand hat je bezweifelt, dass der Watergate-Einbruch stattfand. Niemand hat je bezweifelt, dass Johnson mit allen Mitteln versuchte, das rassistische Südstaatensystem zu retten. Der Kampf bestand darin, eine Mehrheit zu überzeugen, dass diese Schuld schwer genug wog, eine Amtsenthebung durchzuführen.
Und diese Entscheidung treffen die Senatoren überwiegend aus politischen Gründen. Es gibt sicherlich einige Verfassungsprinzipalisten. Aber sie sind höchst selten. Im aktuellen Senat ist keiner zu sehen, und der einzig konservative Unterstützer des Impeachments im Abgeordnetenhaus, Justin Amash, hat sich bereits vor Monaten mit seiner Partei über völlig andere Fragen überworfen und wird seine Wiederwahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren.
Der wichtigste Gradmesser für die Unterstützung des Prozesses ist die öffentliche Meinung. Goutieren die Wähler das Impeachment oder nicht? Es ist ja nicht so, als hätte vor dem Ukraine-Skandal eine Mehrheit der Wähler geglaubt, Trump sei sauber. Jeder wusste von Anfang an, dass der Mann schuldig ist. Er hat es im Wahlkampf ja sogar immer wieder selbst gesagt. Nur gab es bisher keine Unterstützung für das Impeachment.
Nein, wenn am Ende Senatoren der Präsidentenpartei für eine Amtsenthebung stimmen, dann tun sie dies üblicherweise, weil fortgesetzte Loyalität zu ihrem Präsidenten die schlechtere Option wäre. Man mag das bedauern, aber zu glauben, in einem politischen Prozess würde Politik keine Rolle spielen, wäre eher inkonsequent. Hierfür müsste man den Fall an die Gerichte übergeben. Und das ist alles, aber keine gute Idee. In dieser Logik findet sich auch der Grund dafür, dass das Impeachment so selten benutzt wird und noch seltener erfolgreich ist.

Eine Dynamik bricht sich Bahn

Was also hat sich geändert, dass nun, nach drei Jahren fortgesetzter Misswirtschaft, offener Korruption und hanebüchener Fehlleistungen plötzlich das Impeachment auf dem Tisch liegt?
Die Forderung seitens demokratischer Aktivisten (also dem linken Rand der Partei), ein Verfahren zu eröffnen, liegt bereits länger auf dem Tisch. Das ist per se wenig überraschend. Der aktivistische Rand der GOP forderte auch permanent ein Impeachment gegen Obama, ohne sich groß Mühe zu geben, dieses zu begründen. Die schiere Existenz des jeweiligen Antipoden im Weißen Haus ist selbst-evident Grund genug. Entsprechend wurden diese Rufe von politischen Akteuren auch überhört.
Das erste Mal, dass die Forderung mehr an Fahrt gewann, war im Rahmen des Mueller-Berichts im Frühjahr. Mueller, der über ein Jahr lang als special investigator die Verbindungen Trumps zu Russland und zu Einflussversuchen 2016 untersuchte, kam zu dem Schluss, dass es solche Versuche unzweifelhaft gab. Entgegen dem Verhalten Kenneth Starrs, der seinerzeit als politischer Akteur und Aktivist agierte, gab er keine Handlungsempfehlung für den Kongress ab und weigerte sich auch in Anhörungen, das I-Wort in den Mund zu nehmen.
Es gelang den unbeholfen und inkompetent agierenden Democrats auch nicht, ein klares Narrativ in die Medien zu bekommen. Die meisten versuchten es auch gar nicht. Sie schätzten die Lage (wohl nicht falsch) so ein, dass die notwendige Unterstützung für ein Impeachment in der Bevölkerung nicht gegeben war. Entscheidend für Nancy Pelosis Weigerung, ein Verfahren einzuleiten, war aber, dass sie keine Mehrheit in ihrem eigenen caucus hatte. Viele Abgeordnete in wackeligen Distrikten befürchteten, 2020 ihren Sitz zu verlieren (die Legende von 1998 tat da ihr Übriges). Also geschah nichts.
Doch Trump zog einen anderen Schluss aus den Ergebnissen des Mueller-Reports. Wie es scheint sah er als Lektion, dass seine Gegner zahnlos waren und er sich erlauben konnte, was auch immer er wollte. In den Monaten seit den Mueller-Anhörungen legte Trump Woche um Woche eine Schippe auf. Seine öffentlichen Äußerungen wurden noch erratischer, die Skandale aus dem Weißen Haus noch absurder, sein Verhalten noch rücksichtsloser.
Die gleichbleibend hervorragenden Umfrageergebnisse Joe Bidens in hypothetischen Wahlen gegen ihn (die Biden mit mehr als 10% Vorsprung für sich entschied) trieben Trump über die Klippe. Anstatt die logische Konsequenz zu ziehen und die Umfrageergebnisse als die irrelevante Ablenkung abzutun, die sie sind (solche Ergebnisse sind notorisch irrelevant für tatsächliche Wahlergebnisse), reagierte er völlig über. Er versuchte, über seine Kanäle in der Ukraine, in denen sein ehemaliger (mittlerweile im Gefängnis sitzender) Wahlkampfmanager Manafort schon 2016 die Grundlage für die russische Einmischung schuf, belastendes Material gegen Biden zu finden. Der Politikveteran machte es ihm mit seiner Vetternwirtschaft für Sohn Hunter Biden zugegeben auch leicht.
Doch eine fremde Macht dazu zu benutzen, um sich illegal Vorteile im Wahlkampf zu verschaffen, geht sogar über Nixons Einbruch im Watergate Hotel hinaus. Innerhalb von drei Tagen hatte Pelosi ihren caucus auf Impeachment-Kurs gebracht.

Und jetzt?

Wie in den anderen Verfahren gilt auch hier, dass Trumps Schuld überhaupt nicht zur Debatte steht. Die beste Verteidigung, die republikanische Politiker derzeit haben, ist die Behauptung, den Bericht des Whistleblowers nicht gelesen zu haben. Niemand von ihnen unternimmt den Versuch, Trumps Schuld zu leugnen oder ihn zu verteidigen. Stattdessen spielen sie die Affäre herunter (allen voran natürlich wieder der Sensenmann Mitch McConnell). Das gleiche Muster war auch 1973 zu beobachten, als die Watergate-Untersuchungen begannen. Auch hier blockten die Republicans ab, gaben sich unwissend, spielten die Bedeutung des Zwischenfalls herunter.
Ob eine ähnliche Dynamik wie 1974 entstehen wird, die schließlich zum Untergang Trumps führt, darf bezweifelt werden. Die GOP hat kein Problem damit, dass ein Verräter im Weißen Haus sitzt, der mit Geheimdiensten anderer Länder zusammen die Integrität der Wahlen kompromittiert. Was sie interessiert ist nur, ob es ihr Verräter ist. Und diese Frage kann emphatisch mit "ja" beantwortet werden.
Es bräuchte schon einen beeindruckenden Umschwung in der öffentlichen Meinung, um diese Front bröckeln zu lassen. Das allerdings ist mehr als unwahrscheinlich. Die Zustimmungswerte Trumps über die letzten drei Jahre sind wie aus Beton. Nie gaben mehr als 45% oder weniger als 35% der Amerikaner ihm ihre Zustimmung. Der Minderheitenpräsident, der weder bei seiner Wahl noch je danach eine Mehrheit der Amerikaner auf seiner Seite wusste, wird durch eine radikalisierte, von der Realität dank der rechtsextremen Medienblase um FOX News, Breitbart und Co weitgehend abgeschirmte Anhängerschaft gestützt.
Dazu kommt, dass selbst ein Umschwung der öffentlichen Meinung für die republikanischen Abgeordneten und Senatoren nur sehr eingeschränkt vorteilhaft wäre. Die Midterms von 1974 waren ein Erdrutschsieg für die Democrats. Würde Trump tatsächlich seines Amtes enthoben werden, ist kaum zu erwarten, dass die Wählerschaft sich dafür bei den Republicans bedankt und diese in ihren Ämtern lässt. Die beste Option der GOP ist es, abzuwarten und den Sturm auszuhalten.
Im besten Fall für die GOP ändert sich die öffentliche Meinung nicht merklich. Das Thema spaltet das Land ungefähr entlang der Linien von 2016, und dank weitgehender Wählerunterdrückung, sonstiger Wahlbetrügereien, den Großspenden der durch schuldenfinanzierte Steuergeschenke gekauften Superreichen und ausländische Einflussnahme siegt Trump 2020 erneut - ohne eine Mehrheit unter den Wahlberechtigten, aber im Electoral College.
Im schlimmsten Fall für die GOP wird Trump seines Amtes enthoben, Mike Pence wird Präsident, verliert die Wahl 2020 krachend, und die Democrats machen sich daran, den Schaden für Demokratie, Wirtschaft und Ansehen zu reparieren. Die Republicans werfen ihnen dann permanent die Schäden vor, die sie selbst angerichtet haben, und die Democrats verprellen ihre eigenen Wähler im ehrlichen Bestreben, das Richtige zu tun. Wie es eben immer passiert, wenn die GOP die Macht verliert.
So oder so ist nicht unmöglich, dass dieses Impeachment erfolgreich sein wird. Es ist allerdings reichlich unwahrscheinlich. Aber wie es bei politischen Prozessen eben so ist - sie entwickeln ihre Dynamik, und was genau passieren wird, weiß man hinterher immer am besten.