„Das Wiener Schnitzel ist ein Synonym“ für Österreich, sagte Johann Lafer einst und er hat Recht. Kaum ein Land ist so eng mit einem einzigen Nationalgericht verzahnt, wie unsere Nachbarn mit ihrem Wiener Schnitzel. Ein Gericht, das auf den ersten Blick so unglaublich einfach erscheint und doch so viele Fallstricke birgt. Es gibt Gründe dafür, dass ein Wiener Schnitzel auf den Karten von Sternerestaurants erscheint. Ein herausragendes Schnitzel braten zu können, ist eine Pflichtaufgabe für jeden anspruchsvollen Koch und als müsste der Beweis erbracht werden, schmückt es hundertausende Speisekarten deutschlandweit. Knapp über 20 Euro kostet ein echtes Wiener Schnitzel in einem gehobenen Lokal – Grund genug, die Geheimnisse der perfekten Zubereitung auch dem Hobby-Koch zu Hause an die Hand zu geben. Hat man diese Kniffe einmal verinnerlicht, brät man traumhafte Schnitzel am Fließband, zu einem deutlich günstigeren Preis.
Unter Profiköchen ist man sich über die Zusammensetzung der Zutaten und der Herangehensweise grundsätzlich einig, dennoch kursieren einige Varianten, wenn es um Fleisch, Panier (so nennt der Österreicher die Panade) und das Braten (Ausbacken) geht. Ich habe deshalb die Ansätze von vier Koryphäen verglichen und gebe dabei auch meine Empfehlung für die ideale Zubereitung ab. Verglichen habe ich den Ansatz von Johann Lafer, Josef Viehhauser, Alfons Schuhbeck und das Rezept des Wiener Traditionshauses Figlmüller, wo ich vor einigen Jahren einen Tag in der Schnitzelküche verbringen durfte. Auch eine Version von Steffen Henssler habe ich mit einbezogen. Auf dem Weg zum idealen Schnitzel-Rezept hilft es, sich mit den folgenden Fragen auseinander zu setzen.
Der Unterschied zwischen Wiener Schnitzel und Schnitzel Wiener Art
Obwohl diese Frage zu den meist gestellten überhaupt gehört, werden Köche und Experten nicht müde, es immer wieder zu betonen: Nur ein Schnitzel, das aus Kalbfleisch gemacht ist, darf sich Wiener Schnitzel nennen. Alle anderen Schnitzel – seien sie aus Schwein, Pute oder gar Wild oder Rind – müssen als Schnitzel Wiener Art bezeichnet werden. Josef Viehhauser betont zudem, dass beim Schnitzel eine soufflierende Panade zwingend gegeben sein muss, damit es diese Bezeichnung verdient.
Welches Fleisch braucht man für ein Wiener Schnitzel?
Dass es Kalb sein muss, haben wir in der ersten Frage geklärt. Nun geht es um die Frage, welches Teilstück vom Kalb sich am besten dafür eignet. Hier decken sich die Meinungen größtenteils. Völliger Konsens herrscht darüber, dass es ein mageres Stück Kalbsfleisch sein muss, möglichst ohne Fett oder Sehnen. Bei Figlmüller schwört man deshalb auf die Karreerose, sprich den von Fett und Sehnen befreiten Rücken des Kalbs. Auch Josef Viehhauser bevorzugt Kalbsrücken. Steffen Henssler empfiehlt Schnitzel aus der Oberschale – sprich ein Teilstück aus der Keule. Die Oberschale gilt als sehr traditionelle Wahl für ein Wiener Schnitzel. Auch Kalbsnuss ist eine Option, von der immer wieder die Rede ist. Unterm Strich erscheint allerdings der Kalbsrücken die edelste Variante für das Schnitzel zu sein, auch wenn die Schnitzel dadurch etwas kleiner ausfallen. Eine Portion sollte dann in jedem Fall aus zwei Schnitzeln bestehen.
Wie klopft man ein Wiener Schnitzel am besten?
Ihr kennt bestimmt diese Schnitzelklopfer mit den winzigen Zähnchen an der Klopf-Fläche? Johann Lafer sagt: „Nehmt auf keinen Fall einen dieser Schnitzelklopfer.“ Der Grund: Wenn man damit etwas zu grob zuschlägt, zerfetzt man das Fleisch und beschädigt die Zellstruktur stark. Er empfiehlt einen Schnitzelklopfer mit glatter Oberfläche oder alternativ einen kleinen Topf. Die übrigen Experten benutzen den von Lafer kritisierten Schnitzelklopfer, weisen aber darauf hin, dass man dabei sehr sehr vorsichtig zu Werke gehen sollte. Wichtig: Das Fleisch zuvor mit einer Frischhaltefolie bedecken, damit keine Fleischfasern im Klopfer hängen bleiben. Die Dicke des perfekten Wiener Schnitzels: Etwa 0,7-0,8mm – damit das Fleisch während des kurzen Brat-Vorgangs auch wirklich gar wird.
Die perfekte Panade für das Wiener Schnitzel
Beim Schnitzel-Panieren baut man in der Regel vier Stationen auf: Salz, Mehl, Eiermasse, Semmelbrösel. Zu jeder dieser Komponenten braucht es allerdings detaillierte Zusatzinformationen.
Wann wird das Wiener Schnitzel gesalzen?
Sobald das Schnitzel in die richtige Dicke geklopft wurde, wandert es in die Panier-Station. Das Salz ist dabei zuerst an der Reihe. Da in der Panier-Masse keinerlei Gewürze enthalten sind, ist es wichtig, an dieser Stelle nicht zu sparen. Nur wer die richtige Salzmenge wählt, erhält am Ende auch ein würziges Wiener Schnitzel. Eine ordentliche Prise von jeder Seite sollte es schon sein, dabei muss jeder Koch selbst einmal seine persönliche Salzmenge definieren. Beim Salz sind sich die Experten übrigens einig, bei allen anderen Gewürzen nicht. Während Josef Viehhauser das Würzen mit Pfeffer als Kardinalsfehler sieht, greift Schuhbeck ganz selbstverständlich zur Pfeffermühle und würzt auch die Eiermasse mit Muskat. Auch Lafer pfeffert seine Schnitzel. Ich finde: Wer Pfeffer mag, macht damit das Schnitzel nicht kaputt, ich finde es ganz puristisch ohne Pfeffer und Muskatnuss allerdings besser.
Warum muss man das Schnitzel im Mehl wenden?
Mehl am Schnitzel ist meines Erachtens keine Philosophiefrage – wie oft behauptet – sondern essentiell für eine stabile Panade. Das zeigt auch der Konsens unter den Experten, die allesamt diese Reihenfolge einhalten. Nach dem Salzen wird das Schnitzel kurz in Mehl gewendet. Lafer betont, dass das Mehl gesiebt sein sollte. Welche Funktion erfüllt das Mehl? Zunächst haftet das Ei besser, wenn bereits eine leichte Mehlschicht das Fleisch umhüllt. Außerdem bildet Mehl in Verbindung mit Wasser (Ei) einen Stärke-Kleber, der im nächsten Schritt an Bedeutung gewinnt. Wälzt man das Schnitzel in den Semmelbröseln, haften mehr Brösel am Fleisch, wenn die Ei-Mehl-Mischung ihre Klebe-Kräfte entfaltet. Wer also die ideale Knusper-Panade anstrebt, darf auf das Mehl nicht verzichten. Schuhbeck wird dabei sogar noch konkreter: Er empfiehlt doppelgriffiges Mehl (Wiener Grießler). Das Schnitzel wird also kurz in gesiebtem Mehl gewendet, das überschüssige Mehl klopft man vorsichtig ab und weiter geht die Reise.
Sahne in die Eiermasse beim Panieren?
Für die Eiermasse, durch die das gesalzene und bemehlte Schnitzel gezogen wird, existieren zwei Ansätze: Henssler und Vierhauser belassen es bei purem Ei (Eiweiß und Eigelb), das sie wie bei einem Rührei aufschlagen. Schuhbeck und Lafer fügen der Eiermasse zusätzlich Sahne bei, Lafer sogar in geschlagener Form. Welchen Effekt hat das? Sahne soll nach Expertenangaben für eine besonders luftige bzw. gut soufflierende Panade sorgen. Die Version mit geschlagener Sahne von Lafer, mit vielen kleinen Lufteinschlüssen in der Eiermasse, ist somit die absolute Advanced Version und bringt uns dem perfekten Schnitzel einen Schritt näher.
Welche Semmelbrösel sind die besten?
Zu dieser Frage gibt es einige sehr konkrete Empfehlungen. Figlmüller sagt, dass nur trockene, zerriebene Kaisersemmeln das richtige Verhältniss aus Krume und weißem Innenleben aufweisen. Da es diese Semmeln nahezu überall zu kaufen gibt, kann man diesem Tipp auch in Deutschland folgen. Lafer empfiehlt sogar, nur die braune Kruste der Semmeln in gemahlener Form für die Panade zu verwenden. Seine Begründung: Die weißen Teile der Semmeln saugen sich mit Fett voll, während die krossen, braunen Teile deutlich weniger Fett aufnehmen können. Da es Semmelbrösel dieser Güteklasse nicht zu kaufen gibt, muss man sie selbst herstellen. Das macht Arbeit, aber auch ein perfektes Schnitzel. Da vertrau ich dem Johann!
Wie paniert man ein Schnitzel richtig?
Eines, da sind sich alle einig, darf man niemals tun: Die Panade des Schnitzels andrücken. Das würde dem Soufflieren, also dem Anheben der Panade während des Ausbackens, entgegenwirken. Das bemehlte und gesalzene Fleisch wird vorsichtig durch die Eiermasse gezogen, anschließend lässt man überschüssiges Ei für einige Sekunden abtropfen. Nun legt man das Fleisch vorsichtig in die Semmelbrösel. Statt es mit Gewalt hineinzudrücken, schiebt man von beiden Seiten Semmelbrösel über die obere Seite, die noch keinen Bröselkontakt hatte. Dann wird das Schnitzel noch einmal gewendet . Das Gewicht des Fleisches reicht aus, um genügend Druck auszüben, damit die Brösel an der Oberfläche haften bleiben. Sobald die gesamte Schnizel-Fläche von Semmelbröseln umhüllt ist, legt man die panierten Fleischstücke auf ein Stück Küchenpapier.
Wiener Schnitzel in Öl oder Butterschmalz braten?
Als ich vor Jahren für FOCUS Online einen Video-Guide zu Schnitzelbraten drehte, zerrissen mich die Leser anschließend in der Luft, weil ich mein Schnitzel in Pflanzenöl gebraten hatte. Nur Butterschmalz sei einem Wiener Schnitzel angemessen, schrien sie mich durch die Kommentarfunktion an. Ich muss ihnen mittlerweile Recht geben. Butterschmalz als Bratfett ist die delikatere – wenn auch ungesündere Version des Wiener Schnitzels. Der kleine Shitstorm war aber insofern unbegründet, als dass auch andere Spitzenköche zum Pflanzenöl greifen. Viehhauser füllt eine Pfanne mit Öl und fügt erst kurz vor Ende des Ausbackens einen Löffel Butter fürs Aroma hinzu. Auch bei Figlmüller wird das genau so gehandhabt. Dort begründet man die Wahl mit einer besseren Bekömmlichkeit. So falsch lag ich damals also nicht. Schuhbeck und Lafer setzen derweil auf eine Pfanne voll flüssigem Butterschmalz. Aus meiner Sicht muss man sich hier zwischen einem geschmacklich perfekten und einem guten und besonders bekömmlichen Wiener Schnitzel entscheiden. Meine Wahl ist da klar: Butterschmalz!
Was muss man beim Schnitzel-Braten beachten?
Beim Braten eines Schnitzels gibt es drei essentielle Tricks, die man beachten sollte: Zunächst muss sichergestellt werden, dass das Schnitzel im Fett schwimmen kann. Man sollte also so viel fett verwenden, dass es untergeht, wenn man es nach unten drückt. Außerdem muss das Fett die richtige Temperatur haben. Die liegt bei etwa 170 Grad, was man im Optimalfall mit einem Digitalthermometer nachmisst. Bei dieser Hitze wird das Fleisch gar und die Panade knusprig, ohne dass sie verbrennt. Dabei ist zu beachten, dass die Temperatur des Fetts schlagartig sinkt, sobald das kalte Fleisch mit dem Fett in Kontakt kommt. Bei Figlmüller werden deshalb drei Pfannen aufgestellt. In jeder Pfanne bleibt das Schnitzel nur kurz, um möglichst permanent die 170 Grad aufrecht zu erhalten. Zu Hause sollte man ein Auge auf das Thermometer behalten und den Herd im Zweifelsfall noch einmal hochdrehen, sobald das Schnitzel im Fett schwimmt und die Temperatur sinkt.
Der dritte wichtige Hinweis bezieht sich auf das Soufflieren der Panade. Viehhauser sagt, dass nur ein Schnitzel, bei dem sich die Panade vom Fleisch gelöst hat und wellenartig souffliert, ein echtes Wiener Schnitzel sei. Um das zu erreichen, rütteln Spitzenköche permanent ganz leicht an der Pfanne, sodass das Fett immer wieder über das Schnitzel schwappt. Schuhbeck gießt gar mit einem Löffel heißes Fett auf die Oberseite. So stellt man den Ablöse-Prozess der Panade sicher. Viehhauser empfiehlt zudem, das Schnitzel mindestens vier mal zu wenden, um eine gleichmäßige Bräunung zu erreichen. Sobald das Schnitzel goldgelb und souffliert ist, legt man es auf einem Stück Küchenpapier ab, damit das überschüssige Fett abgesaugt wird.
Voila! Sie sind jetzt in der Lage, das perfekte Wiener Schnitzel zuzubereiten. Guten Appetit!