Wie kann man bei einem scheinbar banalen Thema wie "Rührei" jetzt so ein Fass aufmachen, wird sich der ein oder andere denken, wenn er/sie mal kurz nach unten gescrollt hat und gemerkt hat, dass das hier nicht einfach ein easy-peasy-just-another Rezept ist, sondern dass es im Folgenden um die Perfektionierung des Rühreis geht. Also warum? Weil ich finde, dass ein Gericht - nur weil es zu den absoluten Küchen-Basics gehört - nicht einfach kopflos hingekocht werden sollte. Wahrscheinlich werden in dieser Sekunde mindestens 100 Rühreier deutschlandweit auf eine Art und Weise zubereitet, die weit unter dem Optimum liegt. Und wenn man das Optimum mit ein paar simplen Tricks und Gedankengängen erreichen kann, ist es doch einfach nur sau-ärgerlich, wenn man das kulinarische Potential, das in jedem Rührei liegt, nicht voll ausschöpft. Habt ihr Bock, euer Rührei ab morgen auf revolutionär geniale Weise auf den Punkt zu kochen? Dann bleibt jetzt dran.
Rührei: Zwei Varianten - eine Empfehlung
Meine Inspiration zu diesem Artikel habe ich aus dem Buch "The Food Lab" von James Kenji-Lopez-Alt. Ein Meisterwerk der Küchen-Basics, in dem auch das Rührei detailliert aufgearbeitet wird. Ich übersetze für euch die essentiellen Erkenntnisse und gleiche sie hier mit meinen Erfahrungen ab. Kenji-Lopez unterschiedet zwei Grund-Präferenzen auf der Suche nach dem perfekten Rührei. Er sagt: Die einen wollen es möglichst fluffig und fest - die anderen möglichst cremig und saftig. Für ihn ist der Weg zur perfekten Variante von Anfang an klar - es cremig und saftig müssen deie Eier sein. Und auch ich bevorzuge diese Version eindeutig. Um sie soll es hier also gehen. Um zu verstehen, wie ein saftiges Rührei entsteht, muss man aber auch verstanden haben, wie ein fluffig-trockenes Rührei zustande kommt. Ich werde also immer wieder querverweisen. Kümmern wir uns um die wichtigen Fragen.
Was macht ein Rührei trocken und fluffig?
Machen wir uns erstmal eines klar: Rührei, das fluffig aus der Pfanne kommt, hat sehr viel Flüssigkeit verloren. Warum? Damit es besonders fluffig wird (was ich absolut nicht mag), muss man die Eiermasse in der Pfanne stark erhitzen. So verdampft das Wasser, das sich zwischen den Proteinen im Ei befindet und der Wasserdampf bläht sich zu kleinen Luft-Taschen im Rührei auf. Wenn man das Rührei während des Erhitzens kaum bewegt, bilden sich besonders viele solcher Luft-Einschlüsse und besonders viel Wasser verdampft. Treibt man das ins Extrem, endet man bei einem Rührei, das einem Schwamm gleicht. Leicht, trocken, mit vielen Löchern. Das passiert meist dann, wenn man den Herd voll aufdreht und das Rührei lediglich 3-4 mal faltet. Das geht auch alles ziemlich schnell und ist dann - aus meiner Sicht - auch ein ziemlich armseliges Rührei. Wir merken uns also: Es geht bei einem saftigen Rührei also um Temperatur, um Geschwindigkeit und um viel Bewegung.
Der Schlüssel zum saftigen Rührei
Machen wir also mal alles anders: Wir geben die verquirlten Eier in eine Pfanne bei niedriger Hitze - 3/10 würde ich sagen. So verdampft kaum Wasser, da sich das Wasser im Ei gar nicht erst bis zu diesem Punkt erhitzt. Jetzt wird permanent gerührt, mit einem Pfannenwender (aus Holz oder Kunststoff). Warum? Auf diese Weise werden die wenigen Luftblasen im stockenden Rührei sofort zerstört. So legen sich die denaturierenden Proteine direkt aneinander - die Masse bleibt dicht und saftig. Wir merken uns: Niedrige Hitze und dauerhafte Bewegung in der Pfanne ist der erste Schritt ins Rührei-Glück.
Milch oder Sahne ins Rührei?
Die Frage ist berechtigt, denn tausende Rührei-Rezepte schlagen vor, in die Eiermasse auch Milch oder Sahne hinein zu quirlen. Doch zu was genau führt das eigentlich? Sowohl Sahne als auch Milch enthalten - neben Fett - vor allem Wasser. Und eben haben wir gelernt, dass Wasser zu einem sich aufblähenden und fluffigen aber trockenen Rührei führt. Was passiert mit dem Fett aus Milch und Sahne? Die Fett-Partikel legen sich zwischen die Proteine und sorgen so dafür, dass die nicht zu sehr verklumpen. Das ist erwünscht, denn so bleibt das Rührei zart und cremig und wird nicht zu fest. Merke: Fett ist erwünscht - Wasser nicht. Sahne ist also das kleinere Übel - allerdings für ein ultra-saftiges Rührei auch eher hinderlich. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Butter - der Geheimtrick
Kenji-Lopez folgt genau dieser Logik und empfiehlt, während des Garprozess in der Pfanne etwas kalte Butter zum Rührei zu geben. Er erzielt damit den Cremigkeits-Effekt und gleichzeitig senkt die kalte Butter noch einmal die Temperatur der Eiermasse und lässt sie noch langsamer stocken - völlig ohne Dampftaschenbildung.
Wann wird die Rührei-Masse gesalzen?
Na wenn ich sie anrühre - wäre wohl der erste Impuls. Perfekt ist das aber nicht und Achtung - jetzt wirds chemisch, aber wertvoll: Perfekt wird euer Rührei, wenn ihr die Masse 15 Minuten vor dem Erhitzen salzt. Warum? Speziell Eigelbe bestehen aus winzigen Bällchen, die sich aus Proteinen, Fett und Wasser zusammensetzen. Wenn die Proteine erhitzt werden, ziehen sie sich gegenseitig an und drücken aneinander - dabei wird das Wasser verdrängt. Das führt im Ergebnis dazu, dass sich später ein kleiner Wassersee auf dem Teller sammelt. Wenn das Salz Zeit hat, sich aufzulösen und gleichmäßig in der Mischung zu verteilen, vermindern die Salz-Moleküle genau diese ungewollte Anziehung der Proteine. So rücken sie nicht so dicht aneinander - das führt zu einem weicheren Rührei mit weniger bis keinem Wasserverlust. Wir merken uns also: 15 Minuten vor dem Erhitzen salzen!
Wie wird's ultimativ cremig?
Wenn ihr alle bisherigen Punkte beachtet habt, sollte euch bereits ein formidables Rührei gelingen. Kenji-Lopez, der immer auf der Suche nach den letzten Prozent zur Perfektion ist, hat allerdings noch einen Vorschlag: Mehr Fett! Und das meint er sehr ernst: Er gibt in die Masse von Anfang an zwei Eigelb (die enthalten sehr viel Fett), dazu die angesprochene Butter während des Kochens und fügt am Ende der Garzeit in der Pfanne noch einen Schuss Sahne oder Creme Fraiche hinzu. Die letzte Zugabe hat neben dem Cremigkeits- und Geschmacksfaktor auch die Funktion, den Garprozess sofort zu beenden. Die kalte Sahne kühlt das Rührei soweit herunter, dass es nicht mehr weiter stockt. Die Sahne wird dann vorsichtig untergehoben und das Rührei kann sofort serviert werden. Wichtig zu wissen: Wenn man das Rührei aus der Pfanne nimmt und nicht durch Sahne o.ä. sofort abkühlt, gart es noch einige Minuten auf dem Teller weiter. Das solltet ihr immer berücksichtigen.
Los geht's!
Fassen wir zusammen: Früh salzen, zwei Eigelb mehr, wenig Temperatur, viel rühren, etwas Butter und ein Schuss Sahne zum Abschluss - das sind die entscheidenden Faktoren für ein wirklich extrem cremiges Rührei. Das ist tatsächlich eine sehr reichhaltige Variante, die euch mit einer einmaligen Textur, ganz viel Geschmack und Saftigkeit belohnt. Natürlich könnt ihr einzelne Schritte weglassen - für etwas weniger Fett, das ist logisch. Aber sagt nicht, ich hätte euch nicht informiert! Ich bin gespannt, wie ihr das findet. Schreibt mir einen Kommentar - ich freu mich auf eure Meinung.
Das Rezept für das saftigste Rührei you ever made (nach Kenji-Lopez)
- 6 ganze Eier
- 2 Eigelb
- 1 TL Salz
- 2 EL ungesalzene Butter, gekühlt
- 2 EL Sahne oder Creme Fraiche
Die Eier und die zwei Eigelb mit einem Schneebesen eine Minute aufschlagen. Das Salz dazu geben und 15 Minuten stehe lassen. Eine Pfanne mit etwas Butter langsam erhitzen und die Masse hineingeben. Von nun an dauerhaft mit einem Pfannenschaber rühren. Nicht wie bekloppt, aber stetig.
Das Ei beginnt nach einiger Zeit leicht zu stocken - ihr rührt einfach weiter. Wenn es langsam beginnt, dicker zu werden, gebt ihr die Butter in drei Runden dazu und rührt weiter. Sobald die gesamte Masse gestockt ist (sieht aus wie ein leicht bröckeliger Pudding, gebt ihr die Sahne dazu und hebt sie unter. Ab auf den Teller und genießen!