Auf meinen Streifzügen durch das Internet stieß ich auf ein Paradox des perfekt umgesetzten Unperfektionismus. Da mich beruflich und privat die Sofortbild-Fotografie nicht mehr loslassen möchte, schaue ich natürlich auch die Werke von anderen Fotografen an. Teilweise bin ich erstaunt, was da alles zu sehen ist. Ich hätte es nie für Möglich gehalten, zu welchen gigantischen Leistungen Polaroid-Kameras in der Lage sind und wie gestochen scharf ein abgelaufener Polaroid-Film abbilden kann. Ganz ehrlich, heute wurde ich aufgeklärt … ich bin naiv. Weit über die Hälfte aller auf flickr & Co. gezeigten „echten“ Polaroids sollen digitale Fakes sein.
Was treibt einen Menschen dazu, etwas vorzugeben, was er gar nicht geschaffen hat? Ist es nur, weil Polaroid gerade ein Hype-Thema ist? Da stellen sich die Besitzer von super teuren Digitalkameras auf Feld, Wald und Wiese, nehmen ein Bild auf, bearbeiten es mit Photoshop & Co. in mühevoller Kleinarbeit, basteln und werkeln mit dem Vorsatz zum Betrug, um dann ein „echtes“ Polaroid zu zeigen. Toll. Was haben die davon? Ich freue mich auf den Moment, wenn jemand das Original sehen möchte. Und ich lache mich jedenfalls schlapp, weil da viele hundert Euro in Kamera, PC und Plugins investiert wurden, für etwas, das man für wesentlich weniger Geld auch 100% echt bekommen kann. Oder ist es nur das Wissen um die eigene Unfähigkeit, auf Anhieb ein gutes Bild zu machen? Digital kann man rumprobieren und schrauben bis der Arzt kommt – ein Sofortbild ist entweder gut oder schlecht.
Bitte klärt mich auf! Was treibt zum digital erzeugten Polaroid? Ist es die Lust am Unperfekten? Wieso muss man so tun, als wäre es echt? Lohnt ein derartiger Betrug? Ich will nicht verurteilen, ich will begreifen. Klärt mich auf und gebt mir Antworten. Gedanklich gerate ich gerade in eine dunkle Sackgasse. Es ist paradox, auf der einen Seite das angeblich Perfekte der Digitalfotografie zu loben, um dann mit betrügerischer Absicht perfekt erzeugten Unperfektionismus zu zeigen. Verrückter geht es nicht mehr.