Das “Oma-Blatt”: Ein fingiertes Comeback mit bestelltem Jubel

Der “Klodeckel des Tages” geht – nicht zum ersten Mal – an die Vereinigte Deutsche Presse. In geradezu verstörender Eintracht schmetterten die großen deutschen Tageszeitungen ihren Lesern am Freitag eine regelrechte Jubelarie entgegen: “Anleger reißen sich um griechische Staatsanleihen”, schallte es von den Titelseiten sämtlicher Leitmedien. Dabei machten sich die Redaktionen nicht einmal die Mühe, die offenbar politisch eng begleitete Presseaktion mit eigenen Formulierungen zu verschleiern. Nahezu wortgleich wurden die seltsam vorbereitet klingenden Textbausteine zu Griechenlands Comeback an den Finanzmärkten abgedruckt. Das nach wie vor hoch verschuldete Land hatte sich am Donnerstag von Banken, Versicherungen und Hedge Fonds für fünf Jahre insgesamt drei Milliarden Euro zum üppigen Zinssatz von 4,75% geliehen. Regelrecht gefeiert wurde dabei der Umstand, dass die Rückkehr an den Kapitalmarkt nach nur vier Jahren beweise, wie sehr private Investoren dem Land wieder vertrauten. Griechenland, so der Tenor, könne bald vom Tropf der europäischen Steuerzahler genommen werden. Kaum hat man je etwas Lächerlicheres gelesen, als das, was uns die Redaktionen da im offensichtlichen politischen Auftrag auftischten.

Die erfolgreiche Transaktion soll zusammen mit dem bestellten Presserummel sechs Wochen vor der Europawahl für einen Stimmungsumschwung beim euroskeptischen Wahlvolk sorgen. Vor allem aber ist sie eine vom europäischen Steuerzahler finanzierte Imagekampagne der griechischen Regierung: “Seht her, die Rettungsmaßnahmen greifen”. Dass dies keinesfalls so ist, zeigt ein nüchterner Blick auf die Fakten: Die griechische Staatsverschuldung ist mit 177% heute um einiges höher als zu Beginn der Euro-”Rettung” (auch, weil die Wirtschaftsleistung seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise um mehr als ein Viertel geschrumpft ist), die Arbeitslosigkeit liegt bei schwindelerregenden 27% und die Banken knausern mit Krediten, die man aber dringend für eine Wiederbelebung bräuchte. Doch der 25. Mai rückt näher. Positive Meldungen müssen her, Wahrheiten können warten. Eine dieser Wahrheiten ist, dass die neue Anleihe Griechenland nicht hilft, sondern seine Schuldentragfähigkeit noch verschlechtert. Das Land könnte sich nämlich stattdessen zu einem guten Fünftel des Anleihezinses bei IWF und EU Geld besorgen, die ohnehin bereits ein Vielfaches der nun erzielten drei Milliarden Euro zugesagt haben. Die Show-Veranstaltung ist also nicht mehr als teurer ökonomischer Unfug.

Doch wie erklärt sich die Euphorie der Anleihekäufer? Die Antwort ist simpel: Anders, als in der Vergangenheit dürfen Investoren darauf vertrauen, dass die griechischen Staatsanleihen durch den Rettungsschirm und die Europäische Zentralbank (also Steuermittel) abgesichert werden. Ein Schuldenschnitt, wie er in der Vergangenheit schon einmal erfolgte, ist damit so gut wie ausgeschlossen. Der hohe Zinssatz steht daher in einem völligen Missverhältnis zum geringen Ausfallrisiko. Die Zinszahlungen übernehmen Europas Steuerzahler praktischerweise dabei gleich auch noch. Am Tag danach warfen viele Investoren die gerade erworbene Anleihe dennoch sofort wieder aus dem Depot, weil der Gewinn aus dem schnellen Weiterverkauf eben beruhigender ist, als das Warten auf die jährliche Zinsgutschrift. Vertrauen in die Erholung Griechenlands sieht wohl anders aus. Allerdings hat EZB-Präsident Draghi vor geraumer Zeit angekündigt, er wolle den Euro und die pleitebedrohten Staaten um jeden Preis verteidigen. Und so freuen sich die Hedge Fonds schon auf die nächste Ausgabe griechischer Anleihen. Schiefgehen kann für sie in diesem Spiel nichts. Beim Skat nennt man das “Oma-Blatt”…


Tagged: ESM, Euro, EZB, Griechenland, Staatsanleihe

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