o2 Netz-Zentrale (Foto Telefonica)
Es gibt ein Sprichwort: “Wenn´s dem Esel zu wohl ist, geht er auf´s Eis …“ Und es gibt Mobilfunkanbieter, die sich mühsam ein gutes Image erarbeitet haben und dieses Image mit einem Strich wieder vernichten – wertvolles Kapital ihrer Shareholder übrigens.
Zu Ostern 2011 ist Telefonica, besser bekannt unter seinem Markennamen o2, wieder einmal dran.
Und das geht so: Jede Telefongesellschaft braucht eine Hotline, weil ihre Kunden eine Frage oder ein Problem haben. Mobilfunkprodukte sollten einfach sein, damit die Abläufe („Prozesse“) einfach funktionieren. Aber permanent werden Produkte entwickelt, geändert, abgekündigt, verlängert, immer wieder müssen die Prozesse geändert, optimiert oder frisch aufgesetzt werden und dabei geht natürlich einiges schief. Also ruft der Kunde die Hotline an. Und schon geht der Ärger richtig los.
Wenn der Kunde einen Laufzeitvertrag hat und monatlich seine Grundgebühr entrichtet, die für den „Anschluß“, die Technik (das Netz) und die Hotline verwendet wird, könnte man das sauber rechnen. Wenn Kunden aber nur noch wiederwillig bezahlen möchten, nur wenn sie aktiv telefonieren oder wenn sie eine Flatrate buchen, die sie natürlich „maximal“ ausnutzen wollen, dann „rechnet“ sich die Hotline für die Kostenoptimierer schnell nicht mehr. Also wird gespart. Man lagert die Hotline aus, d.h. je nach Aufkommen, werden externe Firmen dazu geholt, die sonst für Hundefutter oder Konzerttickets oder Kartoffelchips telefonieren. Bezahlt wird vom Netzanbieter nur noch nach Anruf an den Hotline-Dienstleister. Glauben Sie, daß der Hotliner des Dienstleisters nur im Entferntesten „Lust“ hat, die Kunden am Telefon zufrieden und glücklich zu machen? Wie sollte er.
Bei o2 hatte man die im Prinzip richtige Idee, daß eine gute Hotline einfach dazu gehört und kostenlos zu sein hat. Schließlich kann der Kunde ja nichts dafür, wenn eine Rechnung nicht stimmt, oder ein Anschluß nicht funktioniert, er möchte möglichst schnell und unkompliziert Hilfe haben.
Doch kostenlose Hotlines machen Lust auf Anrufe. Es rufen mehr Leute an, als man Hotliner hat oder bereitstellen will, weil das ja mehr Geld kostet. Was also tun?
- Man könnte die Anrufer in der langen (kostenlosen) Warteschleife verhungern lassen.
- Man könnte mehr Hotliner einstellen.
- Man könnte Prozesse besser einrichten, damit es weniger Probleme gibt.
- Man verlagert den Support ins Internet, am besten helfen sich die Kunden gegenseitig selbst.
Oder: Wir führen eine kostenpflichtige Hotline ein.
Das liest sich dann so:
Telefónica Germany hat sein Hotline-Konzept neu überarbeitet und gibt ab dem 1. Mai 2011 ein neues Service-Versprechen. Kunden werden dann eine durchschnittliche Wartezeit von maximal zwei Minuten erleben. Die neue Hotline kostet 30 Cent pro Anruf aus dem o2 Mobilfunk bzw.- o2 Festnetz.
Nun sagt sich der Kunde (so denkt der Anbieter), „Wenn die Hotline mein Problem löst, dann gebe ich gerne 30 Cent pro Anruf aus!“ oder auch nicht.
Und weil viele Kunden viele Fragen haben, liefert Telefonica o2 gleich die Fragen und Antworten (neudeutsch „Q & A“ ) mit. Die gibts nicht für den Endkunden, sondern für den Fachhandel, wo die fragenden Kunden auftauchen könnten, weil die Hotline derzeit schlecht erreichbar ist.
Frage: Bisher war Ihre Kunden-Hotline kostenlos, warum führen Sie jetzt Kosten ein?
Antwort: Wir haben unsere Kunden gefragt und festgestellt, dass kurze Wartezeiten an der Hotline das wichtigste Service-Merkmal sind. Da wir unser Kundenfeedback sehr ernst nehmen, haben wir unser Servicekonzept adaptiert, und die neue Hotline mit einem neuen Service-Versprechen eingeführt.
Aha. Ich wurde zwar nicht gefragt, aber ich bin ja nur einer von rund 16 Millionen Kunden.
Und weiter:
Frage: Wie lauten die kostenpflichtigen Nummern?
Für Vertragskunden (Mobilfunk und DSL) 0179-55 222 Für Prepaid 0179-55 282
Ähm: Das sind die Nummern, die bisher kostenfrei waren.
Frage: Sie bepreisen die bestehenden Nummern, wieso keine neuen?
Antwort: Die bestehenden Nummern sind allen Kunden bekannt, und aus Gründen der Vereinfachung sollen diese beibehalten werden. Es gibt eine neue Nummer für die kostenlose Hotline.
Soll ich Ihnen was sagen: Telefonica-o2 ist das Vorgehen selbst unheimlich, deshalb führen sie ganz schnell noch eine neue kostenlose Nummer ein, verraten sie aber keinem. Doch halt:
Frage: Wie lautet die kostenlose Hotline-Nummer?
Update: Antwort:
Für Vertragskunden (Mobilfunk und DSL) 0176-888 55 333
Für Prepaid 0176-888 55 383
(Hintergrund: Die ursprünglich geplanten Rufnummern 0179-55xxx konnten aus technischen Gründen nicht rechtzeitig geschaltet werden. (Quelle Teltarif.de) )
Frage: Warum bekommen Neukunden keine kostenlose Hotline, nur die kostenpflichtige Hotline?
Antwort: An Neukunden wird nur die kostenpflichtige Hotline kommuniziert, damit sie direkt über die Hotline mit dem Service-Versprechen einer kurzen Wartezeit informiert sind. Die kostenlose Hotline wird an die Neukunden nicht aktiv kommuniziert, damit es zu keiner Verwirrung durch zwei unterschiedliche Hotlines kommt.
Jetzt ist die Verwirrung längst komplett.
Der ratsuchende Anrufer soll die 30 Cent bezahlen, was hoffentlich genügend Leute abschreckt, daß am Ende nur noch die Anrufer übrig bleiben, deren Problem so arg ist, daß man die 30 Cent bezahlen will.
Der informierte Anrufer „probiert“ die kostenlose Nummer (die sich herumsprechen wird) und hängt dort in der Warteschleife fest, bis eine freundliche Stimme ihn informiert, daß man doch für 30 Cent „schneller zum Ziel“ kommen könnte.
Frage: Wie unterscheiden sich die beiden Hotlines?
Für die kostenpflichtige Hotline geben wir ein Service-Versprechen für eine Wartezeit von nur durchschnittlichen zwei Minuten. Dies gibt es bei der kostenlosen Hotline nicht.
Aha. Ist das Versprechen einklagbar? Meldet sich ein Hotliner, der Zugriff auf alle Systeme hat, die auftretenden Probleme selbständig lösen kann, der am Fall so lange dran bleibt, bis das Problem wirklich gelöst ist?
Oder meldet sich nur eine arme Seele, die die Probleme beliebig oft weiterleiten kann, bis entweder das Problem sich von selbst löst oder der Kunde aufgibt?
Frage: Werden die Bestandskunden informiert?
Ja die Bestandskunden werden per Brief, E-Mail und SMS informiert.
Hm. Bis Anfang Mai ist nicht mehr lange. Bislang wurde noch nichts über eine offizielle Kundeninfo bekannt. Da wirds langsam Zeit.
Frage: Erhalten Bestandskunden ein Sonderkündigungsrecht?
Antwort: Nein, sie können nach wie vor eine kostenlose Hotline nutzen.
Eigentlich schade. Würden die Kunden massenhaft kündigen können, würde den Strategen, die sich so etwas ausdenken, ganz schnell ein Licht aufgehen.
Frage: Ab wann wird der Anruf in Rechnung gestellt?
Antwort: Der Kunde erhält bei seinem Anruf erst eine Ansage, dass der Anruf kostenpflichtig ist und hat dann ca. drei Sekunden Zeit aufzulegen. Erst dann wird der Anruf in Rechnung gestellt.
Gegenfrage: Was würde es kosten, wenn der Kunde gleich beim ersten Anruf eine Lösung seines Problemes bekäme?
Frage: Muss der Kunde 30 Cent bezahlen, wenn er weiter geleitet wird?
Antwort: Nein die Kosten gelten einmalig für den gesamten Anruf.
Das ist ja schon mal erfreulich. Was aber, wenn beim Weiterleiten die Verbindung abbricht? Dann kostet es erneut 30 Cent.
Frage: Wie steht diese Maßnahme im Kontext zur derzeit geführten Diskussion rund um kostenlose Warteschleifen?
Antwort: Nach heutigem Stand wird die Regelung der kostenlosen Warteschleife nicht für Hotlines mit einem Pauschalpreis, wie bei uns 30 Cent, gelten.
Ah so ja. So kann man es auch machen.
Wir erinnern uns dunkel: VIAG Interkom (Vorgänger von o2, heute Telefonica) war gestartet, mit günstigen Preisen, mit einem kreativen Angebot, wie z.B. „Genion“ , das die Konkurrenz jahrelang nicht Ernst nahm und erst spät nachbauen konnte. Entgegen standen verschiedene Kinderkrankheiten, die irgendwann gelöst wurden. Dann kam die „kreative Euro-Umrechnung“. Formalrechtlich vielleicht in Ordnung, aber die Kunden fühlten sich „alleine gelassen“. Kaum war das einigermaßen „verdaut“, wurden die Preise für Sonder-Rufnummern wie 0180 einfach mal eben erhöht, ohne klare Information der Kunden. Nur wer nachfragte oder im Internet herumsuchte, fand irgendwann eine Sonder-Unter-Seite auf www.o2online.de worin klar gemacht wird, daß sich die Preise für Sonderrufnummern jederzeit ändern können, ohne daß der Kunde auch nur den Hauch eines Widerspruchrechts hat. Mag sein, daß das juristisch so möglich ist, aber der Kunde fühlt sich… unwohl.
Eines Tages kam die kostenlose Hotline. Richtig so, freuten sich die Kunden, o2 gewann einige Neukunden dazu, aber nicht soviele, wie sich die Strategen das erträumt hatten. Und die Kunden hatten viele Fragen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen:
Natürlich sollen Telefongesellschaften Geld verdienen. Aber Geld verdient man nur mit zufriedenen Kunden, die sich wohl fühlen, die tätglich von ihrem Anbieter die Bestätigung erhalten, daß es richtig war zum diesen Anbieter zu gehen.
Wenn aber der Kunde das permanente Gefühl hat, nur übervorteilt zu werden oder nie genau weiß, auf welche verrückten Ideen sein Anbieter heute wieder kommt, ist er bei der nächstpassenden Gelegenheit weg. Und kommt er wieder? Mit welchen teuren Geschenken muß man ihn zurückholen?
Vielleicht hat man in Madrid oder München auch nur kurz überlegt, daß es derzeit – zumindest auf dem deutschen Markt – kein Anbieter gibt, der konsequent und kompromisslos auf volle Kundenzufriedenheit und sonst gar nichts setzt. Sonst wären die mehrfach enttäuschten Kunden schneller weg, als es den Kostenrechnern lieb sein kann.
Das Ende vom Lied:
Die Mobilfunker erziehen ihre Kunden zum gnadenlosen Schnäppchenjagen und Kostenoptimieren.
Zufriedene Kunden, die sich wohlfühlen, sind ein Fremdwort. Schade, daß diese Manager nie bei ihrer eigenen Hotline anrufen müssen. Sonst würden sie das ganz schnell ändern.
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