Wer sich öffentlich über Bereicherungen von Eliten beklagt, kann auf eines wetten: Die Standardverteidigung bzw. der Gegenangriff der Beklagten lautet: "Neid". Es wird von den Ertappten selbst benutzt oder ihrer Interessensvertretung, z. B. FDP-Funktionären.
Bis vor kurzem las oder hörte ich keine Idee, wie auf dieses Totschlagsargument am besten zu reagieren sei. Mir selbst fiel nur ein: Wer mit Neid argumentiert, wirft dem Gegner triebhaftes, unkontrolliertes Handeln vor. Argumentiert man aber in den Fällen der Bereicherung mit Trieben, ist man schnell bei der Gier, also wieder bei den Ertappten. Wie so häufig im Leben, steckt in einer stereotyp vorgetragenen Klage ein Vorwurf an sich selbst, eine Projektion.
Mithin wäre das "Neid"-Argument also ein Verweis auf die Denkstrukturen und Handlungsmotive derjenigen, die es verwenden.
Vor kurzem aber las ich im Vorbeigehen eine tiefer gehende Analyse. Leider finde ich sie bei Google nicht wieder.
Es ging um Geiz, Gier und Neid, etwa wie folgt: Der Geizige versagt sich jeden Genuß, weil er empfindet, ihn nicht zu verdienen, weil er nicht gut genug ist. Wenn das Defizit zu mächtig wird, erliegt der Geizige Attacken von Gier um mit einem Schlag alles zu kompensieren. Die Gier treibt ihn aber nicht in erfüllenden Genuß sondern in die Anhäufung materieller Güter. Diese sollen ihn als einen Mantel des Guten umhüllen, als Ersatz für den Mangel an Gutem, den er tief in sich empfindet. Hat er genug angehäuft, fühlt er sich wieder gut.
Nur eines kann ihn danach völlig aus dem Gleichgewicht bringen: Der Nachbar, der mehr angehäuft hat als er, und der ihn wiederum einen Mangel an Gutem in sich empfinden lässt. Er wird auf der Stelle stark verunsichert und empfindet Neid. Neid, der nur durch Nachkäufe zu stillen ist, oder durch Herabsetzung dieses Nachbarn.
Erfüllten Menschen sei Neid kein gewohntes Lebensgefühl, schrieb die Autorin. Nur wer häufig selbst Neid empfinde, halte es für ein vertretbares Handlungsmotiv das man ganz plausibel auch anderen unterstellen könne. Das treffe jedoch nur auf die Kreise zu, in denen sich der Neidargumentierer selbst bewege. Alle anderen mache es nur sprachlos.