Parkplätze in Großstädten sind sicherlich kein idealer Stellplatz! Aber die Gefahr, als alleinreisender Wohnmobilfahrer mit einem äthergetränkten Wattebausch (z. B. beim Öffnen der Tür) handlungsunfähig gemacht zu werden, ist wahrscheinlicher als ein nächtlicher Überfall mit Narkosegas! Dennoch kommen alljährlich zu Beginn der Sommersaison pünktlich die Tataren-Meldungen (Link). Man beachte den Schluss der Meldung!
Ein sehr sinnvolles Utensil im Wohnmobil kann ein Gaswarner sein, wenn man mit Flüssiggas hantiert. (Gasmelder gibt es bereits für kleines Geld.) Zwar muss die Flüssigas-Anlage alle zwei Jahre geprüft werden – aber sicher ist sicher.Ein höchst überflüssiges und m. E. nur den Geldbeutel strapazierendes Beiwerk ist hingegen ein Narkosegas-Warner. Über nichts ist aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren mehr Unfug publiziert worden als über Überfälle mittels Narkosegas. Noch immer geistert das Thema durch die Weiten des Internets. Gar nicht so selten folgen „Empfehlungen“, wie man sich dagegen schützen kann. Natürlich mit einem (teuren) Narkosegas-Warner.
Ein Grund, mich ein weiteres Mal ausgiebig mit dem Thema zu beschäftigen. Das Bundeskriminalamt (BKA) teilte mir im März 2015 auf meine Anfrage mit, was meine ersten Recherchen in Sachen „Überfälle mit Narkosegas“ bereits vor zehn Jahren ergeben hatten:
„Belastbares Zahlenmaterial liegt im Bundeskriminalamt
zu diesem Deliktfeld nicht vor.“
Wie sollte es auch? Da wird zwar reißerisch getitelt: „Wohnmobil-Räuber betäuben Camper nachts mit K.o.-Gas!“ Im Text dann kleinlaut die Entwarnung: „In drei Fällen wird geprüft, ob bei Ausführung der Taten Betäubungsgas verwendet wurde. Spuren von den flüchtigen Gasen wurden jedoch nicht gefunden.“
Wie müsste denn ein Überfall mit Narkosegas aussehen?
Die Täter müssten sowohl in wohnmobiler Technik als auch in Medizin mehr als allgemeine Kenntnisse haben. Das Wohnmobil selbst dürfte keine geöffneten Dach- oder sonstigen Fenster haben, sondern müsste eigentlich hermetisch dicht sein – was schon bauartbedingt nie der Fall ist. Ohne mechanische Beschädigung (die eigentlich Geräusche verursacht, die ein Einbrecher gar nicht mag) wäre es nicht möglich, ein Narkosegas einzuleiten.
Den Tätern müsste annähernd exakt bekannt sein, wie groß das Volumen innerhalb des Wohnmobils ist und wie viel die Insassen wiegen. Da beginnt das Dilemma. Was ausreicht, einen 100-kg-Mann in Tiefschlaf zu versetzen, könnte für ein Kleinkind tödlich sein. Einbrecher scheuen mehrheitlich Gewalt wie der Teufel das Weihwasser. Sie gehören nicht zu der Spezies, die Tote billigend in Kauf nimmt.
Ein Beispiel, wie der Einsatz von Narkosegas gründlich daneben ging: Man darf getrost unterstellen, dass Spezialeinsätzkräfte der Polizei auch in Russland nur Profis beschäftigen. Als am 23.10.2002 tschetschenische Terroristen mehr als 800 Besucher eines Musical-Theaters in Moskau in ihre Gewalt brachten, wurde Narkosegas eingesetzt, um die Täter zu neutralisieren. Das Resultat: 128 Menschen starben, die meisten durch eben dieses Gas (mutmaßlich Halothan), das die Polizei während der Befreiung einsetzte. Eigentlich sollten die Täter nur eine Vollnarkose bekommen …
Klassische Narkosegase, die in der Humanmedizin Verwendung finden, sind nicht billig, Xenon sogar sehr teuer. Sevofluran bedarf wie alle anderen Narkosegase zur Anwendung spezieller Kenntnisse.
Angst vor Narkosegas war wirklich nicht der Grund, sich im Kosovo (2012) nachts KFOR als Nachbar zu suchen.
Nehmen wir dennoch an, Kriminelle würden mit Narkosegas arbeiten: Sie könnten nie wirklich sicher gehen, dass alle Schläfer im Wohnmobil wirklich das Bewusstsein verloren haben. Der oder die Täter müssten Atemschutzmasken tragen! Das An- und Ablegen der Masken erzeugt Aufmerksamkeit, die nicht gewünscht ist. Warum sollten arglose Schläfer für viel Geld mit hohem technischen Aufwand in einen Narkosezustand versetzt werden? Um ein iPad zu stehlen, das auf dem Schwarzmarkt nicht mal den Gegenwert des Gases erbringt?Nein. Diebe und Einbrecher wollen den schnellen & möglichst gefahrlosen Erfolg – und mit ihrer Beute auf und davon! Diese Kriminellen wollen leichte Beute machen – nicht aufwändig zu Werke gehen müssen.
Ein Parkplatz auf einer Autobahn-Rastanlage bietet zwar durchaus gute Gelegenheit, ein Reisemobil aufzubrechen – aber eine professionelle Betäubung mit Narkosegas ist etwas ganz anderes. Es wäre schon sehr an den Haaren herbei geholt, wollte man annehmen, dass diejenigen, die es auf elektronische Geräte, Bargeld und Plastikkarten jedweder Art abgesehen haben, hochspezialisierte Narkose-Profis sind.
Wahr ist nur: Am häufigsten werden reisemobile Camper Opfer von Einbrechern. Diese verwenden alles Mögliche – nur kein Narkosegas.
Ich habe sowohl in Deutschland als auch in Spanien und in Polen mit Ermittlern gesprochen, die ein anderes Bild zeichnen. Schlafend im Wohnmobil bestohlen zu werden, hat ganz andere Gründe! Der häufigste ist bodenloser Leichtsinn nach Alkoholgenuss. Da wird dann schon mal vergessen, die Tür zu verriegeln. Dokumentiert sind europaweit auch (seltene!) Fälle, wo sogenannte k. o.-Tropfen zum Einsatz kamen, die arglosen Campern verabreicht wurden.
Nicht ein einziger von mir befragter erfahrener Facharzt für Anästhesie bejahte die Möglichkeit, dass Laien unter den mutmaßlichen Umständen erfolgreich mit Narkosegasen hantieren könnten! Der guten Vollständigkeit halber zurück zur Antwort des Bundeskriminalamtes:
„In den Jahren 1997 bis 2002 wurden Straftaten bekannt, bei denen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zahlreiche Diebstahls- und Raubdelikte zum Nachteil von Pkw-, Lkw- und Wohnmobilinsassen auf Park- und Rastanlagen begangen wurden.
Die Täter drangen in den Nachtstunden, während die Fahrzeuginsassen schliefen, mittels Aufstechen der Schlösser oder Herausnehmen von Scheiben in die Fahrzeuge ein und entwenden Bargeld, Ausweisdokumente, Euro-, Scheck- und Kreditkarten, Schmuck, Mobiltelefone und Elektronikgeräte. Die Geschädigten klagten teilweise am Morgen über gesundheitliche Beschwerden (Kopfschmerzen, Übelkeit, Bauchschmerzen) und deuteten an, einen seltsamen Geruch wahrgenommen zu haben.
Konkrete Informationen über einen Nachweis Äther im Blut der Geschädigten liegen hier jedoch nicht vor. Ebenso konnten bisher lediglich in wenigen Einzelfällen bei Personenkontrollen oder Tatortaufnahmen Narkoseäther, Sprühdosen, Plastikschläuche oder ähnliche Gegenstände aufgefunden werden, die als Tatmittel in Betracht kommen.“
Ich wiederhole mich erneut: Gegen die meisten unterwegs lauernden Gefahren genügt der Einsatz des gesunden Menschenverstands sowie aller geschärften Sinne! Wer es dennoch nicht lassen kann: Gasalarmwarner und Kombi-Alarm Compact.