Das muss doch mal gesagt werden

Müller-Vogg galt einige Jahre lang als renommiertester Vertreter unter den konservativen Kolumnisten. Er drechselte Sätze voll regierungsnaher Thesen, die selten besonders schön, meist aber polemisch genug waren, um als konservativer Part auch für Talkshows abonniert zu werden. Mehrmals in der Woche brachte er den Lesern seiner Kolumne in der Bildzeitung die schwere Bürde des Konservatismus nahe und mahnte beharrlich vor den Linken. Was in den letzten Monaten auffällt: Er hat ein starkes Bedürfnis danach, sich als Mann zu gerieren, der es wider aller Widerstände "mal sagt", der sich traut, das angeblich sonst Ungesagte, einfach mal zu sagen. Hierzu scheut er auch nicht die rhetorische Figur der Repetitio.

Seit September 2012 hat Müller-Vogg die Sentenz "Das muss doch mal gesagt werden!" 32-mal benutzt. Und es ist allerlei, was da so im Bezug auf Wulff, Euro, Manager-Gehälter, die GEZ oder protestierende Griechen mal gesagt werden muss. Aktuell will er die Strafbefreiung bei Selbstanzeige von Steuerbetrug abgeschafft sehen (was per se nicht unvernünftig ist) und beschließt diesen frommen Wunsch mit seiner ewigen Floskel. Und weil er sich immer noch nicht ausreichend gehört fühlte, entschloss er sich seine Kolumne am 18. April dieses Jahres mit dieser Floskel zu überschreiben. Damit es alle wissen: Müller-Vogg hat es mal gesagt!
Was ist eigentlich mit diesem Mann los? Es ist ja nicht so, dass da ein großer Goethe in die Monotonie verfiele - aber ein Wandel hin zur ewigen Wiederkehr des Gleichen, zur fast schon rituell gebrauchten Stilblüte, ist doch unverkennbar.
Ist das die bittere Resignation des Hugo Müller-Vogg? Vor einigen Jahren schrieb er ein Pamphlet gegen den Linksruck in der deutschen Gesellschaft. Uns drohe die Volksrepublik Deutschland, meinte er damals (wie heute). All das schrieb er paradoxerweise nieder, als muntere Abbrucharbeiten am Sozialstaat stattfanden. Verfolgungswahn ist manchmal eine schwerwiegende Angelegenheit - aber manchmal greift man dafür auch ein Autorenhonorar ab. Ist dieses trotzige "Das muss doch mal gesagt werden!" ein Beleg dafür, dass er nun endgültig der Sinistophobie (der Furcht vor den Linken) erlegen ist? Bockig und als letztes Bollwerk gegen die galoppierende Unvernunft anschreiben als Therapie?
"Das muss doch mal gesagt werden!" ist eine Phrase, die suggerieren soll, dass es besonderen Mut brauchte, bestimmte Dinge von sich zu geben. Der Hype um Sarrazin ist mit dem Slogan "Das muss man doch mal sagen dürfen!" entstanden. Er sollte zum Ausdruck bringen, dass da einer gegen die Mehrheit steht, dass das Mutige gegen die Feigheit des Verschweigens aufbegehrt. Gefällt sich auch Müller-Vogg in dieser Rolle?
Oder hat der Mann einfach nur Angst vor dem Urteil der Nachwelt? Angst davor, dass die Menschen nach diesem gescheiterten Projekt der Volksrepublik Deutschland auf ihn zeigen und ihn höhnisch fragen, warum er nichts dagegen gesagt habe? Unterzeichnet er deshalb alles mit seiner Floskel, um nachher sagen zu können, er habe es doch immer gesagt, habe stets seine Finger in Wunden gehalten? Ist das Paranoia oder einfach nur der eingeschliffene Schreibstil eines gelangweilten Kolumnisten? Oder soll das am Ende gar bloß ein bestenfalls mittelmäßiger Running Gag sein?
Eventuell ist es auch nur der Beweis dafür, dass er nichts mehr zu sagen hat, fertig ist, sich als Kolumnist überlebt hat. Besonders einfallsreich schrieb er ja nie. Aber seine Uninspiriertheit mit so wenig Eloquenz vorzutragen, das ist ja fast schon kolumnistische Arbeitsverweigerung. Und nebenher ergibt "Das muss doch mal gesagt werden" inklusive Satzzeichen 32 Zeichen - so ein Zeichenschinder! Er weiß halt, wie Leistung sich lohnt. Auch das muss doch mal gesagt werden!

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