Ich bin in Amerika aufgewachsen und eigentlich haben wir von Anfang an die Thanksgiving-Tradition adoptiert, und zwar nicht nur weil wir damals sehr liebevoll von unseren amerikanischen "Großeltern" samt Familie eingeladen wurden. (Es waren natürlich nicht unsere echten Großeltern, aber Merl und Roy waren so etwas ähnliches für meinen Bruder und mich als wir noch klein waren.) Sie wohnten in einem typisch amerikanischen Haus, wie man sich das immer so vorstellt, mit hellblauen Wänden und weiss abgesetzten Leisten, hochflor Teppichen in denen der gesamt Fuß beinahe versank und überall standen kleine Schüsselchen rum mit getrockneten, parfümierten Blütenblättern, Zimtstange und Orangenschale.
Wenn die gesamte Familie zusammen kam um Tahnksgiving zu feiern bog sich der Tisch nur so vor Essen und ich erinnere mich noch sehr gut daran extrem überfordet gewesen zu sein bei der Zusammenstellung meiner Beilagen – man wusste einfach nicht womit man anfangen sollte. Jetzt, viele Jahre später verspürte ich das starke Bedürfnis ebenfalls ein Thanksgiving-Dinner zu veranstalten, mit einem genauso vollen Tisch und vielen Resten, die man noch etliche Tage später Essen kann.
Geplant war ein Turkey mit einer Julia Child Füllung, empfohlen von einer lieben Freundin meiner Eltern, die selber schon seit sehr langer Zeit in Amerika wohnt. Dazu sollte es einen Bohnen Salat mit Senf-Estragon-Dressing, Ofen geröstetes Wurzelgemüse, buttriges Kartoffelpü, weiche Dinner-Rolls, eine Füllung mit Champignons, Kräutern und Brät, Preiselbeeren und natürlich eine köstliche Sauce geben …
Das misslungene gelungene Thanksgiving-Dinner
(im Oktober, ohne Turkey)
Die erste Herausforderung stellte sich direkt am Anfang dem Vorhaben in den Weg: wo kriege ich eine Turkey her?!
Nach stundenlanger Suche fand ich den Clarenhof.
Ein Hofladen, der Obst- und Gemüse aus eigener Erzeugung sowie der Region vertreibt, aber auch Geflügel und Wild anbietet.
Da auf der Homepage des Clarenhofs eindeutig stand, dass man für Truthähne mindestens eine Woche im Voraus bestellen muss, rief ich sogar zehn Tage im Voraus an. Das Telefonat verlieft wie erwartet unkompliziert. Ich bestellte einen Truthahn mit 7kg und vereinbarte den Abholtermin.
Am Abend vor unserem Essen gingen Tom und ich einkaufen um bereits alle weiteren Zutaten zusammen zu haben um am nächsten Tag nur noch den Truthahn holen zu müssen. Wir wollten nämlich bei Toms Schwester kochen – bei uns wär nicht genügend Platz gewesen für die ganze Rasselbande.
Pünktlich gegen halb 11 Uhr am Samstag waren wir auf dem Hof um unseren Hahn abzuholen. Geplant war, dass ich spätestens gegen 13 Uhr den Truthahn in den Ofen schieben – perfektes Timing also.
Ich war an der Reihe, sagte der Verkäuferin wer ich sei und dass ich einen Truthahn bestellt hätte, den ich gerne abholen würde. Die Dame schaut mich an wie ein Auto und meint ganz einfach "Ne!", "Der wurd heut morgen nicht mitgeliefert, da bin ich mir sehr sicher.", ich frage sie was sie damit genau meine, der sei nicht mitgeliefert worden. Sie ging nach hinten um zu schauen ob nicht doch noch irgendwo ein 7kg Truthahn rumlag der darauf wartet abgeholt zu werden. Kam nach wenigen Minuten wieder und bestätigt ihre vorher getroffene Aussage, "Ne, tut mir leid, da ist kein Truthahn!", wendet sich von mir ab und wollte bereits den nächsten Kunden bedienen.
Jeder von euch, der ebenfalls viel Wert auf so welche Essen legt kann glaub ich gerade sehr gut nachvollziehen was ich da in dem Augenblick durchgemacht habe.
Ich war not amused!
Ich krallte mir also die Verkäuferin und frage sie wie das sein könne. Ich hätte schließlich eine Woche im Voraus bestellt, meine Bestellung wurde vom Clarenhof entgegen genommen und bestätigt und jetzt würde sie mir einfach so mir nichts Dir nichts sagen sie hätten meinen Hahn nicht?
Allmählich begriff die Verkäuferin, dass ich wenig begeistert war und es wirklich ernst meinte. Sie bot mir an die Cheffin anzurufen um sie zu konsultieren. Verschwand erneut, kam wenige Sekunden strahlend zurück und hielt mir meinen Bestellzettel unter die Nase.
"Maurer? Truthahn? 13.10.? Ca. 7kg?", und las sogar noch meine Handynummer vor, ich bejaht alles.
Stolz wie Oskar verkündete sie, "Ja sehen Sie mal ich hab Ihre Bestellung gerade gefunden!" und ging endlich telefonieren. Ich war mir schon nicht mehr sicher ob ich mich jetzt ganz verarscht fühlen sollte oder einfach nur verzweifelt war. Wo sollte ich denn um inzwischen 12 Uhr Mittags einen Truthahn herzaubern?!
Die Dame kam nach wenigen Minuten wieder und erklärte mir herablassend, dass sei ja auch klar, dass sie keinen Truthahn für mich hätte, die würden ja auch erst ab November geschlachtet werden.
Dass der Clarenhof also meine Bestellung einfach versemmelt hat war offensichtlich meine eigene Schuld, das hätt ich mir ja schließlich von Anfang an denken können. Als ich die Dame fragte was ich denn nun ihrer Meinung nach machen sollte, ich hatte schließlich alle Zutaten im Kofferraum und ein Essen für acht Personen an diesem Abend, schlug sie mir vor mir zwei gefrorene Gänse verkaufen zu können …
Ich lass jetzt mal absichtlich zwei Absätze fei um den letzten Satz einfach mal wirken zu lassen.
Selten – nein, eigentlich noch nie – habe ich einen so umprofessionellen, unfreundlichen und eigentlich schon frechen Service erlebt.
Da ich allerdings doch ein Fan von Happyends war und immer noch bin, zogen wir sofort unsere Handys raus und telefonierten uns wund um irgendwie, irgendwo etwas Vergleichbares auf zu treiben. An dieser Stelle ein großes Lob an die Wild- und Geflügelmetzgerei Erber auf der Severinsstraße. Einer verzweifelten Frau am Telefon zwei Poularden so schmackhaft zu machen, dass der Truthahn schon fast vergessen war ist eine wirkliche Leistung und sie waren tatsächlich so köstlich, saftig und geschmackvoll wie am Telefon beschrieben.
p. s. Sollte von euch jemand gerne ein Rezept haben wollen dann meldet euch einfach!