Das Matterhorn von Gandhibagilu

Von Morindian

Eine Woche vor Ostern sind Andreas, Julian und ich (also die Freiwilligenbelegschaft der Little Flower School) einer Einladung aus dem Seon Ashram gefolgt. Der Grund nach Gandhibagilu zu kommem, war eine jährliche Prozession der örtlichen Kirchengemeinde. Kein normaler Kreuzzug, sondern eher eine Bergbesteigung für extrem Sportler hatte auf uns gewartet.


Früh morgens um 7:00 Uhr begannen sich hunderte von Christen aus der Umgebung in der kleinen Kirche am Fuße eines Berges zu versammeln. Natürlich fand zu aller erst eine Messe statt. Nach etwa 2 Stunden Gebet und Gesang trafen sich alle auf dem Vorplatz der Kirche. Nicht alle konnten im Gottesdienst dabei gewesen sein, denn die Anzahl der Teilnehmer, der schon bald beginnenden Prozession, würde ich auf mindestens tausend schätzen. Eine unglaubliche Masse für diesen kleinen Ort Gandhibagilu, der sich mitten im Dschungel befindet.
Es ging los. Der Generator, der vor der Kühlerhaube eines Jeeps befestigt war, wurde angeworfen, um einen Lautsprecherbox auf dem Dach des Fahrzeugs zu betreiben. Im Jeep selbst saßen der Priester und ein kleiner Chor, der zu singen begann. Mit Fahnen und schick gekleidet setzten sich die indischen Christen in Bewegung – Frauen und Männer getrennt in zwei Reihen. Der Jeep mit dem Chor an Bord rollte im schmalen Gang zwischen den Saris und Hemden entlang.


Kontinuierlich ging es Berg auf. Die Natur wurde dichter und dichter und der Weg immer enger für die zwei Menschenreihen und den Jeep. 14 Mal machte der Priester halt und las auf Malayam aus einer Bibel vor. Die 14 Stopps sollten an den Kreuzzug Jesu erinnern. Nach einigen Höhenmetern änderte sich die Flora und Fauna der Umgebung. Aus Gummibaumplantagen wurde dann ein dichter Dschungel, aus dem interessante Vogelgesänge heraus schallten.


Ab einem bestimmten Punkt war der Weg für den Jeep zu schmal geworden, sodass er auf der Strecke bleiben musste. Auch die Frauen und Männerreihen mischten sich bald auf den wenig strukturierten Trampelpfaden. Über Stock und Stein oder besser gesagt über Liane und Banane ging es im Endspurt auf den Gipfel zu. Die Steigung nahm zu und es wurde fast schon gefährlich. Einige Inder hatten die Prozession anscheinend als Wettlauf verstanden und nahmen keinerlei Rücksicht mehr auf die anderen Teilnehmer, die es bis zu dieser Bergetappe geschafft hatten.


Es wurde heißer und leider hatten wir auch bereits die Baumgrenze erreicht, sodass uns das Blätterdach des Urwalds keinen Schatten mehr spenden konnte. Durch nur noch eine Art von Steppengras und Felsbrocken ging es den Gipfel in Sichtweite hoch hinaus. Mitgerissen von der Motivation der Masse schafften wir es Schweiß gebadet bis aufs Matterhorn von Gandhibagilu. Es war vollbracht. Wir waren oben! Ein Kreuz schmückte den kargen Felsen, der jedoch vor lauter Menschen kaum noch zu sehen war.

Aufgrund der überwältigenden Sicht von diesem gigantischen Fels aus, auf dass was wir hinter uns gelassen hatten, fühlte sich die Erschöpfung wie eine unglaubliche Entspannung voller positiver Energie an.
Hinunter ließen wir uns etwas Zeit. Grund dafür für war auf der einen Seite der Elan, der beim Aufstieg irgendwo verloren gegangen war und die Badelaschen, die sich als nicht geeignete Wanderschuhe für eine Abstieg herauskristallisierten. Um 15:00 Uhr erreichten wir die Kirche, in der wir gestartet waren. Mit einem kostenlosen Mittagessen wartete man dort bereits auf alle Teilnehmer. Da wir die Zeit auf dem Gipfel für mehrere Stunden genossen haben, waren wir fast die letzten die Rückkehrer.
Die Prozession auf das Matterhorn vom Gandhibagilu beim Seon Ashram wird mir auf jeden Fall noch in lange in Erinnerung bleiben. Die Erfahrung für den Körper und Geist waren in Anbetracht der klimatischen Verhältnisse, der vielen Menschen und der wundervollen Umgebung einfach überwältigend. Nur das nächste mal werde ich definitiv statt der Badelatschen lieber Wanderschuhe tragen.