Das Maikäfermädchen
Gina Mayer
Rütten und Loening, 2012
978-3352008436
16,99 €
Sommer 1945: Nichts ist nach dem Krieg noch so, wie es vorher war. Auch Käthe Mertens leidet noch unter den Nachwirkungen. Eines Nachts steht plötzlich eine junge Frau vor der Tür. Sie ist schwanger und braucht Hilfe und will eine Abtreibung. Käthe könnte es tun und macht es tatsächlich. Aber einige Dinge setzt sie damit in Gang, die sie nicht aufhalten kann …
Käthe hat mich, wie alle Frauen in der Nachkriegszeit, deren Geschichten ich schon gelesen habe, fasziniert. Einerseits versucht sie nicht zu traurig zu sein, da ihr Angetrauter nicht wieder aufgetaucht ist, aber anderseits hat sie auch Angst. Ich konnte verstehen, wenn sie nicht wusste, was sie morgen essen sollte oder wenn sie Angst hatte, dass ihr Geheimnis vielleicht entdeckt wird. In einigen Kapiteln strahlte sie eine Kraft aus, die es auch nur zur Nachkriegszeit gegebenen haben mag, in einer Zeit, in der die Frauen auf sich selbst vertrauen mussten. Das hat mir sehr gut gefallen. Zwar gab es schwache Momente, aber es waren keine Lappalien und Käthe war nie wehleidig.
Lilo dagegen verfügt über einen Schutzpanzer, den ich lange Zeit nicht durchbrechen konnte. Die Figur berührte mich nicht, erst zum Ende hin, bemerkte ich, dass Lilo mich reizte und ich böse auf sie war. Die beiden Frauen spiegeln ihre damalige Zeit auf einzige Art wider, wie zwei Seiten einer Münze.
Die anderen “Mädchen” sind manchmal sehr unscheinbar, aber oft berühren sie mich nur dadurch, dass sie tatsächlich auftauchen. Ihre Entscheidungen wiegen immer sehr schwer und ich habe sie alle im Gedächtnis behalten.
Ich mag Geschichten, die im Krieg spielen oder in der Nachkriegszeit angesiedelt sind. Hier ist es Düsseldorf 1945 und ich war sehr gespannt, ob mich die Kulisse in ihren Bann ziehen kann. Und das konnte sie! Ich fühlte mich in den Trümmer Zuhause, obwohl ich es nie selbst erlebt habe, und konnte Käthes Angst gut nachvollziehen. Existenzangst ist in dieser Zeit keine Seltenheit.
Etwas Verbotenes tun? Es nicht machen und Menschen in einer Welt hineinlassen, die gerade in den Trümmern liegt? Eine schwere Entscheidung vor allem für Käthe selbst. Immerhin geht es Lilo und Käthe selbst nicht gut, sie leben von der Hand in den Mund und in Trümmern. Es ist eine Geschichte über starke Frauen, die Schwachen helfen und versuchen sich dabei nicht selbst zu verlieren. Man sollte sich immer noch selbst im Spiegel anschauen können und in dieser Geschichte sieht man, wie schmal der Grat ist, den ein Mensch zwischen zwei Entscheidungen manchmal beschreiten muss.
Wenn ich das Cover anschaue, muss ich sofort an die Jugendbilder meiner Oma denken, die auch in einem solchen Kleidchen auf einer Wiese stand und vielleicht auch solche Schuhe besaß … Jedenfalls finde ich das Cover schön, weil es auch sehr wenig verrät und nicht wie andere “Kriegsgeschichten” viel mit dem Bild der Trümmer spielt.
Gina Mayer hat mich wieder in den Kopf einer Protagonisten entführt und mich mit ihr lachen, lieben, aber auch weinen lassen. Die Geschichte geht einem nahe, man kann mitfühlen, mitdenken und mitleide. Danke!