Das Lochis-#zwilling-Konzert. Ein Abenteuerbericht.

Erstellt am 12. Februar 2017 von Christianhanne

„Das ist das geilste Weihnachtsgeschenk ever!“ Mit diesem Ausruf fielen sich Tochter und Sohn an Heiligabend jubelnd um den Hals und tanzten durchs Wohnzimmer. Normalerweise freut man sich als Eltern ja, wenn man mit einem Geschenk für die Kinder ins Schwarze getroffen hat. In diesem Fall war die Situation etwas komplizierter.

Bei dem die Kinder in Ekstase versetzenden Präsent handelte es sich nämlich um Eintrittskarten für ein Lochis-Konzert. Nicht nur um zwei, sondern um drei, und auf eine von ihnen war das Wort „Elternteil“ gedruckt. Und in einem Anflug von geistiger Umnachtung hatte ich mich vor ein paar Wochen bereiterklärt, die Kinder zu begleiten. „Klar, ich gehe gerne mit“, waren die exakten Worte, die ich zu meiner Frau gesagt hatte. Inzwischen vermute ich, dass sie mir vorher Drogen ins Essen gemischt hatte.

Lochis-Eintrittskarten. Freud und Leid liegen eng beieinander.

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Lochis-Eintrittskarten. Freud und Leid eng beieinander.

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Sofern Sie keine Kinder im Alter zwischen zehn und dreizehn haben, werden Sie die Lochis sehr wahrscheinlich nicht kennen. Es handelt sich um die 17-jährigen Zwillinge Roman und Heiko Lochmann, die seit sie zwölf sind, Scherz- und Comedy-Videos auf YouTube veröffentlichen und dort mehr als zwei Millionen Fans um sich scharen. Vor ein paar Monaten haben sie ihre erste CD veröffentlicht, die den mäßig originellen Titel „#zwilling“ trägt. (Dieser ist übrigens zwingend mit „Hashtag Zwilling“ auszusprechen oder Sie müssen sich von Ihren Kindern maßregeln lassen, es hieße nicht nur „Zwilling“. Aber das nur am Rande.)

Wenn Sie sich nicht den Unmut ihres dem Lochi-Fieber verfallenden Nachwuchs zuziehen möchten, sollten Sie die Lochis auch nie mit den Olchis verwechseln. Bei Letzteren handelt es sich um kleine grüne Wesen, die im Müll leben und sich von ihm ernähren. Da kann man ja schon mal durcheinander kommen.

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Heute ist es nun soweit. Der große Lochis-Tag. Für die Kinder endlich, für mich unvermeidlich.

Ich gehe nämlich nur sehr selten und äußerst ungern auf Konzerte. Denn dazu muss man das bequeme heimische Sofa verlassen und sich in einem stickigen Saal mit wildfremden Menschen einpferchen lassen, mit denen man für die Dauer des Konzerts zu einer ungewollten Zwangsgemeinschaft vereinigt ist. Und dann wird von einem erwartet, Lieder mitzusingen, mit den Händen über dem Kopf im Rhythmus mitzuklatschen und dazu ausgelassen zu tanzen.

Ich möchte aber nicht mit den Händen über dem Kopf rhythmisch klatschen und außerhalb meiner Dusche möchte ich weder Lieder mitsingen noch ausgelassen tanzen. Schon gar nicht auf einem Lochis-Konzert.

Du liebst deine Kinder, wenn du Ihnen Lochis-Karten schenkst.

Und du liebst sie aufopferungsvoll, wenn du dir eine Elternkarte dazu kaufst.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 22. Dezember 2016

Gestern Abend unternahm ich noch einen verzweifelten Versuch, mein Schicksal abzuwenden und murmelte mit schwacher Stimme etwas von Gliederschmerzen und Kopfweh. Die Frau lachte aber nur höhnisch.

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Morgens, direkt nach dem Aufstehen, schärft mir die Tochter ein, wir dürften unter gar keinen Umständen zu spät zum Konzert kommen. Wir müssten unbedingt rechtzeitig losfahren. Am besten um 12 Uhr. Oder noch früher.

Erkläre, sie und ihr Bruder hätten bis 14 Uhr Schule. Sie murmelt etwas davon, die letzten beiden Stunden ausfallen zu lassen, deutet meinen strengen Blick aber korrekt, dass dies keine Option darstellt, die zur Debatte steht. Sie schlägt vor, sie könnte direkt von der Schule aus zur Halle fahren, wo wir uns dann träfen. Wende ein, dass sei viel zu früh, denn bis zur Halle bräuchten wir nur gut 30 Minuten und der Einlass sei erst um 17 Uhr. Für die Tochter ein weltfremder Einwand, der von elterlicher Naivität zeugt. Auf Insta gäbe es immer Fotos von Fans, die schon vier Stunden vorher da wären, um sich die besten Plätze zu ergattern.

Die Tochter fragt mich, ob ich wolle, dass wir zu spät kämen, sie in der letzten Reihe stehen müsse, nichts von Roman und Heiko sähe – anscheinend ist sie mit den beiden schon auf „First name“-Basis – und das ganze Konzert ein totaler Reinfall würde. Mit dreizehn, wenn die Hormone niagarafallartig durch den Körper schießen, neigt man ja zu einer gewissen Dramatik. Daher erkläre ich der Tochter geduldig, nichts läge mir ferner als den Anfang des Lochis-Konzerts zu verpassen. Sie schaut mich misstrauisch an.

Nach weiteren zähen Verhandlungen, von denen Gewerkschafts- und Arbeitgeberfunktionäre lernen könnten, einigen wir uns darauf, um 15.30 Uhr aufzubrechen. Bevor die Kinder das Haus Richtung Schule verlassen, ermahnt mich die Tochter, ich solle beim Arbeiten gefälligst nicht so trödeln, damit wir auch wirklich pünktlich loskämen.

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Um 15.15 Uhr steht die Tochter fertig angezogen neben meinem Schreibtisch und will, dass wir losfahren. Zu ihrem großen Unmut teile ich ihr mit, es sei erstens noch nicht halb vier und zweitens müsse ihr Bruder noch seine Lateinhausaufgaben machen, das habe Vorrang. In der Prioritätenliste der Tochter stehen Hausaufgaben im Allgemeinen und die Lateinaufgaben ihres Bruders im Besonderen allerdings weit unter dem heutigen Lochis-Konzert.

Bevor wir dies ausdiskutieren können, klingelt glücklicherweise mein Handy. Die Tochter stampft ins Zimmer ihres Bruders und fordert ihn barsch auf, sich mit der Lateinübersetzung zu beeilen. („Ist doch egal, was Subjekt oder Prädikat ist, das weiß der Papa auch nicht besser. Hauptsache du bist schnell fertig.“)

Mein Telefonat dauert länger als geplant und wir verlassen erst um 16 Uhr die Wohnung. Für die Tochter eine inakzeptable Verzögerung. Entsprechend ist die Stimmung unserer kleinen Konzert-Expedition eher so mittel. Wie bei einem Betriebsausflug nach Mordor.

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Die Anreise zur Konzerthalle gestaltet sich ein wenig schwierig. Die U-Bahn fährt nicht wegen eines technischen Defekts und die Busse sind derart überfüllt, dass wir nicht mehr mitfahren können. Möglicherweise eine göttliche Fügung, um mich vor dem akustischen Waterboarding durch die Lochis zu bewahren.

Die Tochter wird angesichts der prekären ÖPNV-Situation unruhig und sieht ihr Lochis-Erlebnis in weite Ferne rücken. Zur Wahrung ihres Seelenheils beschließe ich, ein Taxi zu nehmen. Dabei hatte ich gehofft, dass mir im Menschengedränge in der U-Bahn ein Taschendieb die Karten klaut und uns der Zutritt zum Konzert verwehrt wird. So viel zur göttlichen Fügung.

Das Taxi quält sich durch den dichten Nachmittagsverkehr, wir nehmen jede rote Ampel mit und stehen schließlich im Stau. Mit bangem Blick auf die Uhr fragt die Tochter, ob wir noch rechtzeitig ankämen. Ich sage ja und hoffe nein.

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Nach einer knappen Stunde erreichen wir schließlich die Konzerthalle. Dort reihen wir uns in eine 150 Meter lange Schlange ein, die sich durch eine hohe Zahnspangen- und Aknedichte auszeichnet. Im Eingangsbereich der Halle stehen mehrere Mannschaftswagen der Polizei. Vielleicht habe ich Glück und die Gesetzeshüter sind gekommen, um die Lochis wegen Erregung öffentlichen Ärgernis zu verhaften.

Das Grauen hat einen Namen. Und es spielt in der Columbiahalle.

Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 4. Jan 2017 um 9:42 Uhr

Vor uns streitet ein circa 13-jähriger Junge mit seiner kleinen Schwester. Ihre Mutter spricht die ultimative Drohung aus, dass sie nach Hause gingen, wenn sich die beiden nicht benähmen. Tochter und Sohn verhalten sich dagegen vorbildlich wie ein Geschwisterpaar in einem skandinavischen Modekatalog, was mir die Möglichkeit raubt, mit ähnlich harten Konsequenzen zu drohen. Stattdessen bewegen wir uns zentimeterweise Richtung Eingang.

Hinter uns wächst die Schlange unermüdlich weiter an und erreicht inzwischen eine Länge von mehr als 500 Metern. Das letzte Mal, dass ich für ein Konzert so lange anstehen musste, war Anfang der 90er Jahre bei Guns N‘ Roses. Damals wärmten mir aber das sommerliche Klima, knapp bekleidete Konzertbesucherinnen und billiger Whiskey mein jugendliches Herz. Heute laufen mir dagegen kalte Schauer den Rücken hinunter, was einerseits an den Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt liegt, anderseits an der Aussicht gleich in der Lochi-Hölle gefangen zu sein.

Die Kälte wird immer unerträglicher. Überlege, an dem mobilen Merchandise-Stand vor der Halle alle T-Shirts aufzukaufen um ein wärmendes Feuer zu entzünden. Allerdings habe ich dem Taxifahrer mein letztes Bargeld gegeben. Eine Umfrage unter den anwesenden Eltern, ob Interesse an einer Crowdfunding-Aktion besteht, fällt negativ aus. Friere also weiter vor mich hin.

Inzwischen unternimmt der Knabe vor uns einen unbeholfenen Versuch, mit der Tochter zu flirten. Sein Opener „Na, gehst du auch zu den Lochis?“ ist aber noch stark ausbaufähig. Die Tochter lässt ihn mit eisigem Blick abblitzen, der die Hölle gefrieren lassen könnte. Auch das erinnert mich an das Guns `N Roses-Konzert, auf dem ich der Adressat einer ähnlichen Abfuhr war. Sogar mehrerer.

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Pünktlich um 18 Uhr passieren wir den Eingang. Die Kinder missbrauchen mich als menschlichen Kleiderständer und behängen mich mit ihren Jacken, Mützen und Schals. Die Tochter ruft mir noch zu, sie würden mich nach dem Konzert am Merch-Stand abholen und schon stürzen sich die beiden ins Getümmel. Ich schließe mich einer kleinen Eltern-Enklave an, die sich am Rande des Konzertsaals gebildet hat.

Grüße aus der Eltern-Enklave. (Copyright: Die Tochter)

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Grüße aus der Eltern-Enklave. (Copyright: Die Tochter)

Kurze Zeit später verdunkelt sich die Halle und auf der Bühne erscheint ein holder Jüngling mit umgehängter Gitarre. Frage mich, ob es überhaupt rechtens ist, dass er so spät noch auftritt, wo morgen doch Schule ist. Hoffentlich hat er wenigstens seine Hausaufgaben gemacht.

Der Jungbarde trägt Akustik-Cover aktueller Chart-Hits vor. Und gar nicht mal so schlecht. Hätte ich in dem Alter so gut Gitarre gespielt, hätte ich am Lagerfeuer brillieren und meine Chancen beim anderen Geschlecht deutlich erhöhen können. Also, von null auf knapp zwei Prozent.

Nach jedem Lied fragt der singende Knabe das Publikum, ob es gut drauf ist. Entweder hat er wenig Zutrauen in seine Entertainerqualitäten oder er leidet an einer speziellen Form der pubertären Demenz. Kennt man ja von zuhause, wenn man die Kinder mindestens drei Mal ermahnen muss, ihre schmutzige Wäsche wegzuräumen.

Nach vier Coversongs verkündet der Vorsänger freudestrahlend, dass er ein eigenes Lied geschrieben habe. Unglücklicherweise belässt er es nicht bei der Ankündigung, sondern trägt es auch vor. Der Refrain hört sich für mich an wie „Ich, nicht zu zweit“. Ein Beziehungsstatus, der möglicherweise daher rührt, dass er das Lied seiner Angebeteten vorgesungen hat.

Aber ich möchte mich mit Kritik an seinen lyrischen Qualitäten nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn auch ich bin nicht frei davon, in meiner jugendlichen Sturm-und-Drang-Phase, Verse mit schlichten, uninspirierten Paarreimen getextet zu haben. ‚Herz‘ und ‚Schmerz‘, ‚begehren‘ und ‚verzehren‘, ‚Liebe‘ und ‚Triebe‘. Wahrscheinlich ein nicht unwesentlicher Grund dafür, dass ich den größten Teil meiner Jugend ungeküsst und sexuell unbefriedigt verbringen musste.

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Nach einer kurzen Umbaupause wird die Bühne in dichten Rauch gehüllt. Im Nebel tauchen schemenhaft zwei Gestalten auf und die Lochis beginnen zu singen. „Du bist nie mehr allein“. Eine den Straftatbestand der Nötigung erfüllende Drohung, mit der sie mir klarmachen, dass sie mich Zeit meines Lebens verfolgen werden. Oder zumindest so lange, bis die Kinder ausziehen. Keine schönen Aussichten.

Wo man singt da lass dich nieder. Zur Not auch bei den Lochis. (Copyright: Die Tochter)

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Wo man singt da lass dich nieder. Zur Not auch bei den Lochis. (Copyright: Die Tochter)

Der nächste Song trägt den Titel „Halt die Schnauze, Digger“. Allerdings nehmen sich die Lochis diese Aufforderung nicht selbst zu Herzen, sondern singen die nächsten drei Minuten darüber. Außerdem animieren sie das Publikum immer wieder und wieder, beim Refrain miteinzusteigen. Pädagogisch äußerst bedenklich. Wenn ich das nächste Mal die Kinder auffordern werde, ihr Zimmer aufzuräumen, werden sie entgegnen: „Halt die Schnauze, Digger!“

Nach dem ich etwa eine halbe Stunde dem Oeuvre der Lochis ausgesetzt bin, beschleicht mich das Gefühl, dass musikalische Früherziehung bei Kindern nicht prinzipiell gutzuheißen ist. Sicherlich waren die Eltern Lochmann voller guter Absichten, als sie dachten „Mensch, lass doch den Roman und den Heiko zum lustigen Instrumenten-Karussell gehen.“ und – zack! – fünfzehn Jahre später gehen die beiden auf Tournee und ich muss mir Lieder wie „Bruder vor Luder“ anhören.

Gestern habe ich mir vorgenommen, im Januar kein Alkohol zu trinken, heute gehe ich mit den Kindern zum Lochis-Konzert. Sehr mieses Timing.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 4. Januar 2017

Zu ihren Songs hüpfen die beiden YouTube-Zwillinge in einer eigenartigen Mischung aus Hip-Hop-Moves, rhythmischer Sportgymnastik und eurythmischem Namenstanz über die Bühne. Vielleicht ist es aber einfach eine Hommage an Herbert Grönemeyer. Bei dem war ich auf meinem allerersten Konzert. Mit dreizehn. Und es war absolut großartig.

Im Geiste fuchtle ich mit meinem Krückstock und krächze: „Früher war alles besser!“ So wie es mein Vater wahrscheinlich tat, als ich meine erste Schallplatte kaufte. „Hier kommt Kurt“ von Frank Zander. Nun ja, jede Generation hat das Recht auf geschmackliche Verwirrungen.

Inzwischen erscheint ein milchgesichtiges Bübchen als Support Act auf der Bühne und beginnt zu rappen. Ob man dafür wohl die „Fantastischen Vier“ juristisch belangen kann, da sie vor 25 Jahren den deutschen Sprechgesang salonfähig gemacht haben. Nach gut fünfzehn Minuten ist der Spuk vorbei und die Lochis kommen zurück. Nie war die Redensart „Bös‘ vertreibt Bös‘“ zutreffender.

Alles ist nun für eine kleine Akustik-Session bereitet, die beiden sitzen lässig auf zwei Barhockern und einer von ihnen schrammelt auf einer Gitarre rum. „Wie bei MTV Unplugged“, raunt eine Mutter neben mir. Und irgendwo weint Eric Clapton ob dieses ehrabschneidenden Vergleichs auf seine Gibson Les Paul.

Die Lochis setzen inzwischen zu einem längeren Monolog an und fordern das Publikum auf, seine Träume zu leben. Das wäre schön, denn dann säße ich jetzt Zuhause auf dem Sofa und würde Netflix schauen.

Es ist ohnehin bizarr, wenn zwei 17-jährige ihre im Schnitt 12-jährigen Fans auffordern, ihre Träume zu leben. Als ich 17 war, bestand mein Traum darin, mich am Wochenende auf irgendwelchen Partys volllaufen zu lassen, um den Mut aufzubringen, mit der scharfen Marion aus der Parallelklasse rumzuknutschen. Ersteres hat immer gut geklappt, letzteres dagegen nie.

„Lebt Eure Träume!“ – Lebensweisheiten à la Lochis. (Copyright: Die Tochter)

Ich fände es ja gut, wenn die Lochis ihren geradezu messianischen Einfluss auf ihre kindliche Anhängerschaft nicht für plattes „Lebe deine Träume“-Geschwafel nutzten, sondern für ein paar wirklich wertvolle Botschaften. „Macht eure Hausaufgaben!“, „Putzt eure Zähne!“ oder „Widersprecht euren Eltern nicht!“

Plötzlich betritt ein Überraschungsgast die Bühne: Oma Lochmann. Allerdings nicht, wie ich hoffe, um ihren Enkeln die Ohren langzuziehen und sie nach Hause zu schicken, sondern um ihnen den ‚Goldene Kamera Digital Award‘ zu überreichen. Ein Preis, den irgendein Verlag ins Leben gerufen hat, um sich an die junge Zielgruppe ranzuwanzen.

Zu meiner Enttäuschung verkünden die Lochis nicht, dass sie mit dem Preis alles erreicht hätten und daher ihre Karriere an den Nagel hängen, sondern sie widmen ihn ihren Anhängern: „Ihr macht uns zu dem, was wir sind.“ Schlimm, diese gefühlsduselige Fan-Anbiederung. Da lobe ich mir doch mein Guns N‘ Roses-Konzert, auf dem Axl Rose das Publikum als „Fucking Cunts“ beschimpfte und das Mikro in die Menge feuerte.

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Ein von @holyheiro gepostetes Foto am 7. Jan 2017 um 1:59 Uhr

Die Lochis schwurbeln jetzt irgendetwas davon, wie wichtig ihnen die Familie ist und singen „Aus Fernweh wird Heimweh“. Das kann ich wiederum gut nachvollziehen, denn ich wäre jetzt auch lieber daheim.

Auch der nächste Song beschreibt mein Leben recht gut: „Ich bin blank, hab kein Geld mehr auf der Bank.“ Allerdings rufen die Lochis mitten im Song: „Wir wollen eure Hände sehn! Alle mitklatschen! Auch die Eltern!“ Bin kurz versucht, wieder mit dem imaginären Krückstock rumzufuchteln und zu krächzen: „Von euch Lümmeln lasse ich mir nicht vorschreiben, wann ich zu klatschen habe.“ Belasse es aber dabei, meine Arme demonstrativ vor der Brust zu verschränken.

Zum Abschluss des Konzerts beschwören die Lochis die Kraft der Liebe. Als Zeichen der Zuneigung sollen alle ihren Nachbarn in den Arm nehmen. Mein Nachbar ist allerdings ein glatzköpfiger 120-Kilo-Koloss, dessen Halstätowierungen auf eine führende Position bei den Hells Angels schließen lassen. Mit einem kurzen Nicken gibt er mir zu verstehen, dass dies das Höchstmaß an körperlicher Intimität ist, das er mit mir auszuleben gedenkt. Nicke zustimmend zurück.

Lochis-Liebe. Für alle. (Copyright: Die Tochter)

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Lochis-Liebe. Für alle. (Copyright: Die Tochter)

Dann singen die Lochis noch zum Abschied passenderweise „Geweint und gelacht“ und wir dürfen nach Hause fahren.

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Auf der Heimfahrt ist die Tochter beseelt. Das Konzert sei voll krass gewesen. Schon hat die sprachliche Verrohung der Lochis auf sie abgefärbt. Die fanden nämlich auch alles „krass“. Das Publikum, das letzte Jahr, die Show, ihr Album, die Tour, einfach alles. Vor allem sich selbst.

Die Tochter verkündet im Mai kämen die Lochis wieder nach Berlin und da müsse sie unbedingt hin, sonst sei ihr Leben vollkommen sinnlos. Ich sage, dass sei überhaupt kein Problem. Jetzt muss ich mir nur noch eine Dienstreise für den gesamten Mai organisieren.

Die Lochis. Schwiegersöhne in spe?

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Die Lochis. Schwiegersöhne in spe?