Heute lernt ihr, wie ihr die Signale des limbischen Systems erkennt und wie ihr sie deuten könnt. Die Signale lassen euch erkennen, was Andere denken, fühlen, wünschen und beabsichtigen. Das richtige Reagieren auf diese Signale macht euch in den Augen eurer Mitmenschen empathischer, einfühlsamer und sympathischer.
Bild: (BY-NC-SA) Dimitris Papazimouris
Im letzten Artikel bat ich euch um Fragen rund um die Körpersprache. Und tatsächlich sind auch einige Fragen eingetroffen, die ich nun für Artikel hier auf dem interaktionsblog.de verwenden kann.
Dazu gehört auch diese Email:
Hallo Andreas,
mich interessiert was die Menschen gerade innerlich beschäftigt.
Schon wenn man Kinder groß gezogen hat, weiß man zumindest genau wann sie lügen, wenn sie etwas bedrückt usw.Jeder hat doch aber seine eigenen Mikrogesten für seine Emotionen. Wie kann man also diese Dinge auf viele..alle? Menschen übertragen?
Wenn jemand a macht bedeutet das doch noch lange nicht, dass a für jeden das Gleiche bedeutet.
Freue mich auf Antwort
Das ist eine sehr spannende Frage und ich kann mir vorstellen, dass viele von euch denken: “Stimmt eigentlich. Sind Gesten überall auf der Welt gleich? Es gibt doch bestimmt kulturelle Unterschiede!”
Meine Antwort an die Leserin:
Hallo C.
Besten Dank für deine Nachricht.
Jeder Mensch verfügt über eine große Zahl an Gesten, die er einsetzt. Die meisten dieser Gesten sind “universal”, also überall gleich, ob in Deutschland, Brasilien oder Borneo. Einige Gesten (bei uns zum Beispiel das “OK-Zeichen” (Daumen und Zeigefinger bilden einen Kreis) oder der erhobene Daumen) sind kulturell verschieden. So gilt zum Beispiel der erhobene Daumen in Ägypten als Beleidigung (Phallus-Symbol).
Mikroexpressionen hingegen, die sich im Gesicht zeigen (wie du im Mail erwähntest), werden vom limbischen Teil des Gehirns gebildet und sind bei allen Menschen gleich. Das limbische System ist eine Funktionseinheit des Gehirns, die unter anderem der Verarbeitung von Emotionen dient.
Das limbische System stammt noch aus der Zeit, als wir in Höhlen wohnten. Es reagiert sehr rasch und präzise auf Gefahren, Emotionen und alles, was unser Überleben sichert. Ein Baby, welches bestimmte Speisen nicht mag, wird seine Lippen verziehen, egal ob es in Berlin oder Borneo lebt. Sogar Babies, die blind auf die Welt kamen, tun dies.
Von Mikroexpressionen sprechen wir aber nur, wenn es sich um die flüchtigen Ausdrücke auf dem Gesicht handelt, die sich innerhalb Sekundenbruchteilen abspielen. Ausdrücke, die länger als eine Sekunde dauern, sind keine Mikroexpressionen und können bewusst eingesetzt werden (Beispiel: Der “treue Hundeblick”, wenn die Tochter etwas von der Mutter will).
Um deine Frage zu beantworten: Mikroexpressionen und viele körpersprachliche Gesten sind universal, also auf der ganzen Welt gleich. Hierbei handelt es sich um Ausdrücke, die unbewusst gezeigt werden; wir können deren Erscheinen nicht verhindern. Auf der anderen Seite gibt es Gesten, die wir ganz bewusst einsetzen können: Kopfschütteln, Mittelfinger zeigen, etc. Diese sind von Kultur zu Kultur verschieden und bedeuten nicht überall das Gleiche.
Liebe Grüße
Andreas
Im heutigen Artikel möchte ich gerne noch etwas näher auf das limbische System eingehen, da ich diese Thematik hochspannend finde.
Die meisten Leute erkennen mit Leichtigkeit, wenn eine andere Person verärgert oder gestresst ist. Wir müssen ihr dazu nur ins Gesicht schauen. Auch untrainierte Augen sind in der Lage, solche Zeichen zu erkennen. Doch nicht in allen Situationen ist es so leicht, Körpersprache zu erkennen und auch richtig deuten zu können.
Und hier kommt nun das limbische System ins Spiel. Hier auf dem interaktionsblog.de schreibe ich hauptsächlich über Gesten, die universal (also allgemeingültig) sind. Diese Gesten sind universal, weil sie vom limbischen System gesteuert sind, welches in erster Linie für unser Überleben und unsere Sicherheit verantwortlich ist. Das limbische System ist auch für unsere Emotionen zuständig, für das, was wir fühlen, denken, fürchten, wünschen oder beabsichtigen.
Kultur kann – wenn überhaupt – das limbische System nur minimal beeinflussen.
Absichten und Wünsche
Wenn es um Absichten und Wünsche geht, sehen wir auf der ganzen Welt die gleichen körpersprachlichen Signale. Ein Kind, welches den Esstisch verlassen und lieber draußen spielen möchte, demonstriert das mit entsprechenden Gesichtsausdrücken und eher noch mit ganz unruhigen Füßen, die in Richtung Türe zeigen, dahin, wo draußen der Spaß auf das Kind wartet.
Wenn wir im Schaufenster etwas sehen, das wir unbedingt haben wollen, ist unser Blick ganz gebannt. Jeder, der uns in diesem Moment zuschaut, weiß genau, welches Produkt in diesem Schaufenster uns am besten gefällt. (Auf die gleichen körpersprachlichen Anzeichen achten übrigens Mentalisten häufig in ihren Shows.)
Wir können nicht verhindern, dass wir diese Gesten an den Tag legen. Was sich in Millionen von Jahren in unseren Köpfen festsetzte, können wir nicht einfach so verdrängen.
Studien zeigen: Bei Dates besteht über 90% der zwischenmenschlichen Kommunikation aus Körpersprache. Wie David Givens in seinem hervorragenden Buch Körpersprache der Liebe: Selbst die richtigen Signale senden · Signale des Partners richtig deuten schreibt, spielen hier viele Faktoren eine Rolle: Körperhaltung, Stimme, Blick, Mimik, Gestik und so weiter. Lest das Buch; es ist ein Knaller!
Wenn wir mit einem Freund sprechen und dann gehen müssen (zum Beispiel, weil wir einen anderen Termin haben), dann zeigen wir das häufig dadurch, dass wir mit einem Fuß in Richtung Ausgang zeigen. Ich habe darüber im Artikel Mehr Erfolg im Leben dank Grundkenntnissen der Körpersprache schon geschrieben. Das geschieht ganz unbewusst, vollkommen automatisch und wir müssen uns schon sehr anstrengen, wenn wir das verhindern wollen.
Es lohnt sich, bei unseren Mitmenschen auf solches Verhalten zu achten und dann auch entsprechend darauf zu reagieren, zum Beispiel, indem wir das Gespräch zu Ende bringen.
Behaglichkeit und Unbehagen
Es gibt auch Anzeichen dafür, dass sich jemand unwohl oder bedroht fühlt. Die meisten werden denken, dass wir diese Anzeichen in den Gesichtern erkennen. Doch das ist nicht unbedingt so.
In seinem Klassiker Menschen lesen: Ein FBI-Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt gibt Joe Navarro ein Beispiel: Wenn wir etwas mögen, dann lehnen wir uns in die entsprechende Richtung oder wenden uns der entsprechenden Sache zumindest zu. Babies, die erst ein paar Stunden alt sind, wenden sich der Brust und der Wärme der Mutter zu. Drei Jahre später, inzwischen ein Kleinkind, läuft es zur Mutter, wenn es Geborgenheit sucht. Und das Kind wird sich um 180 Grad weg drehen, wenn ihm etwas nicht passt, es wird seine Arme verschränken, sein Kinn senken und damit unmissverständlich zeigen, dass es nicht einverstanden ist.
Wenn wir uns in der Gesellschaft einer anderen Person wohl fühlen, wenden wir uns ihr so zu, dass unser Bauchnabel in ihre Richtung zeigt. (Siehe dazu auch Kanzlerwahl: Körpersprache von Angela Merkel und Peer Steinbrück.) In der Sekunde, in welcher wir uns unbehaglich fühlen (sei es wegen der Person oder einem bestimmten Thema, welches gerade besprochen wird), drehen wir unseren Bauchnabel von der Person weg. Wir sehen das oft bei Paaren, die sich streiten: Möglicherweise wenden sie sich noch die Gesichter zu, nicht aber den Bauchnabel.
Und ich kann euch aus eigener Erfahrung sagen: Es ist (mehr als) Gold wert, darauf zu achten, wohin der Bauchnabel eurer Mitmenschen zeigt! Ich kann euch diesen Tipp nicht genug ans Herz legen!
Doch warum ist das Zu- oder Abwenden des Bauchnabels ein so treffsicheres Signal? Hier kommt wieder das limbische System ins Spiel. Es sorgt dafür, dass wir unsere verletzliche Bauchseite nicht einer Gefahr zuwenden, indem es den Bauch instinktiv vor Bedrohungen abwendet. Dieses Verhalten ist so tief in uns verwurzelt, dass wir es auch anwenden, wenn keine physische Bedrohung besteht: Zum Beispiel bei unsympathischen Personen oder unangenehmen Themen.
Zurückhaltung
Anzeichen von Zurückhaltung oder Zögern finden wir meistens in den Händen. Wenn wir etwas tun müssen, was wir eigentlich nicht tun wollen, greifen wir oft nach Dingen, um uns “zurück zu halten”. Das hört sich im ersten Moment vielleicht ein wenig verwirrend an, deshalb erkläre ich es am besten an ein paar Beispielen, die ich in Joe Navarros Büchern fand.
Einmal, so schreibt Navarro, habe ihn eine junge Frau nach dem Lesen eines seiner Bücher kontaktiert. Sie erinnerte sich, dass sie sich bei ihrer Hochzeit eine ganze Weile am Türpfosten vor der Hochzeitskapelle festhielt. Ihr Vater musste ihr laut Mut zureden, damit sie endlich in die Kapelle ging: “Komm schon! Auf geht’s!” Die junge Frau erinnerte sich noch genau, dass irgendwas in ihr sagte, sie solle da nicht reingehen, sie solle nicht heiraten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dies die richtige Entscheidung gewesen wäre.
Vor über dreißig Jahren stellte Joe Navarro ein ähnliches Verhalten auch bei Verdächtigen fest, die er verhörte. Als er ihnen die Miranda Warnings (Dokument über das Auskunftsverweigerungsrecht in den USA) aushändigte, griffen die Befragten mit einer Hand nach dem Dokument und mit der anderen Hand hielten sie sich am Stuhl oder Tisch fest. Das gleiche Verhalten beobachtete Navarro auch bei Scheidungsverhandlungen oder wenn jemand sein Traumhaus aus finanziellen Gründen verkaufen musste und den Vertrag an den neuen Besitzer übergab.
Der Widerwillen, zu akzeptieren, was in diesem Moment geschieht, führt zu diesem typischen Verhalten.
Navarro beschreibt auch eine Situation, die sich am 20. Mai 2011 im Weißen Haus zugetragen hat. Präsident Obama traf sich damals mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu. Zum Abschied streckte Obama ihm die Hand entgegen. Gleichzeitig aber hielt seine linke Hand die Armlehne fest.
Auch wenn es auf den ersten Blick so ausschaut, als wolle sich Obama einfach nur auf der Armlehne abstützen; laut Navarro ist dies ein deutliches Zeichen für Obamas Widerwillen, Netanjahus Hand zu schütteln.
Wenn wir jetzt noch die gleiche Szene aus einem anderen Blickwinkel anschauen, sehen wir auch Obamas Mimik deutlich besser. Und diese spricht Bände!
Achtet doch mal vermehrt auch zu Hause auf solches Verhalten. Greift da jemand nach Stuhllehnen, Türrahmen oder seiner Kleidung, wenn es darum geht, abzutrocknen, jemanden zu begrüßen oder Hausarbeit zu machen?
Wenn ihr versteht, diese Zeichen zu lesen, hilft euch das, empathischer zu werden und die Bedürfnisse eurer Mitmenschen besser zu verstehen.
Übrigens: Die gleiche Bedeutung hat es gemäß Navarro auch, wenn ihr jemanden bittet, etwas zu tun und dieser antwortet: “Ja, ich kümmere mich drum”, während er unmittelbar darauf das Gesicht von euch abwendet und das Kinn in Richtung Schulter bewegt. Dies bedeutet im Klartext: “Ich mache es. Aber nur widerwillig.”
Mehr Empathie dank dem limbischen System
In diesem Artikel beschrieb ich euch, wie ihr die Signale des limbischen Systems erkennt und wie ihr sie deuten könnt. Die Signale lassen euch erkennen, was Andere denken, fühlen, wünschen und beabsichtigen. Das richtige Reagieren auf diese Signale macht euch in den Augen eurer Mitmenschen empathischer, einfühlsamer und sympathischer.
Probiert es aus!