Wenn meine Freundin und Kollegin Gitta sagt: "Komm, lass uns in's Kino gehen", kann ich mir sicher sein, dass sie wieder etwas Feines entdeckt hat. So auch diesmal. Im Künstlerhaus in Hannover gab es "Das Lied des Lebens" zu sehen.
Es geht dabei um alte Menschen und alte Stimmen, mit denen der Musiker und Komponist Benrhard König ein Projekt gestartet hat, das ich absolut toll finde.
Es nennt sich "Alte Stimmen". Ein Projekt, bei dem es darum geht, das Leben eines alten Menschen in einem Lied wieder zugeben. Dabei gibt es zum Einen einen Chor, in den man aber erst aufgenommen wird, wenn man mindestens 70 Jahre alt ist.
Dazu werden in dem Film einige Menschen näher betrachtet.
Da ist zum Beispiel Frau T., die mit 4 Jahren ihre Mutter und mit 11 ihren Vater verloren hat. Mittlerweile ist sie schwerst sehbeindert, und ihr größtes Problem ist diese Abhängigkeit gegenüber ihren Mitmenschen. Früher hat sie Zieharmonika und später Klavier gespielt. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen bringt H. König diese alte Dame wieder an die Musik heran und er verbindet diese mit ihren Erlebnissen aus ihrem Leben. Gemeinsam spielen sie Klavier, und es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie Frau T. förmlich aufblüht und sich so austoben kann, wie sie selbst sagt. Sie bedauert sehr, dass seine Besuche in ihrem Pflegeheim leider nur alle 4-5 Wochen möglich sind.
Sehr berührt hat mich das Beispiel eines alten Herren, Willi G., der früher Akkordeon gespielt und wohl auch einiges selbst komponiert hat. Bei einem Autounfall mit Schlaganfall änderte sich von einer Sekunde auf die andere sein komplettes Leben, er hat eine Halbseitenlähmung und kann sein Instrument nicht mehr spielen. Mit Hilfe des H. Königs versuchen die beiden, gemeinsam eine Lösung zu finden. Versuche mit dem Akkordeon scheitern leider und der Zuschauer bemerkt den aufkommenden Frust dieses alten Herren. Aber mit einem Keybord sieht die Sache gleich viel besser aus, die eingerosteten Finger greifen geschmeidig in die Tasten und Herr G. beginnt zu strahlen. Mit Hilfe einer kleinen Musikergruppe namens Uwaga lebt sein selbstkomponierter "Hexentanz" wieder auf, läßt die Füße mitwippen. . . bis das Stück aprupt abreißt - der Zeitpunkt des Unfalls und den Folgen. Ich bin ja eh schon sehr nah am Wasser stehend, aber da war es vorbei mit meiner Beherrschung, es ging mir so nahe, es war so ergreifend dargestellt, auch die danach viel langsamer und trübsinnige Musik traf es so perfekt.
Bei Frau R. kamen Erinnerungen aus ihrer Jugend hoch, die ebenfalls sehr bewegend waren. In der Schule hatte man ihr früher verboten, zu singen, sie würde die anderen durcheinander bringen. Mit 14 ist sie schwanger geworden, ihre Mutter hat sie während der Schwangerschaft sehr häufig geschlagen, bis der Bauch unübersehbar war. Ihr Lied dazu kommt aus der Textzeile "Kann denn Liebe Sünde sein" und mit der Gruppe "Neue Vocalsolisten Stuttgart" wird ihre damalige schwere Zeit verarbeitet. Ein erneuter Grund, meine Tränen laufen zu lassen.
Es gibt noch einige wunderbare Beispiele, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Insgesamt hat mich dieser Film sehr berührt, und ich werde sicher noch oft daran denken, wenn ich einen meiner Patienten versorge und mir ein Liedchen über die Lippen huscht dabei.
Liebe Grüße, Eure Petra