Das Lied des Bogens
Jahrelang war ich auf der Suche. Auf der Suche nach mir selber und meiner Rolle in der Welt. Seit ich die Schule vor über zwanzig Jahren verlassen habe, suche ich mich schon. Und nun habe ich mich endlich wiedergefunden oder überhaupt entdeckt. Doch ein Schritt nach dem anderen, damit ihr die Entwicklung auch verstehen könnt.
Angefangen hat es während der Ausbildung mit dem Aikido. Der Kampfsport gab mir da schon die richtige Richtung vor. Jahrelang folgte ich dem Bushido (Der Weg des Kriegers). Die geistige Haltung der Samurai brachte mich ein ganzes Stück nach vorne. Auch meditative Übungen integrierte ich in meinen Alltag. Doch nach Jahren des Training und auch der persönlichen Entwicklung brachten mich hier zur Stagnation. Irgendwas fehlte!
Ich schaute anfangs extrem über den Tellerrand des Aikidos und schnupperte in viele andere Kampfsysteme hinein. Aber auch hier gab es keine Erfüllung für mich. Dass der Weg des Kriegers in die richtige Richtung ging, spürte ich irgendwo und doch unterbrach ich mein Kampfkunst-Training für mehrere Jahre.
Die fehlenden Impulse versuchte ich in spirituellen Wegen zu finden. Über Meditation, Tai-Chi, Qigong ging ich lange Zeit den eher östlichen Weg. Eine Meditationsübung führte mich dann zu meinen Wurzeln zurück. In einem Vision-Quest traf ich auf mein Krafttier. Dies war der Beginn einer spannenden Reise in den Schamanismus, der im privaten Bereich aber nicht verstanden wurde. Nach schmerzlicher Trennung verlor ich auch hier wieder den spirituellen Weg aus dem Blick.
Immer mal wieder schaute ich zu diesem Weg halbherzig zurück und auch das Aikido setzte ich fort. Aber eben nur mit halber Kraft. Das Aikido reduzierte sich zur reinen Körperertüchtigung. Vor allem nachdem meine eigene Entwicklung im Thema reale Selbstverteidigung sich nicht mehr mit den Prinzipien des Aikido deckte.
Und so traf ich im letzten Jahr eher durch Zufall auf das Bogenschiessen. Erste Blicke habe ich zwar immer mal wieder in diese Richtung geworfen, aber umgesetzt eben nicht. Meine Überraschung war schon sehr groß, als ich erkannte, dass ich doch irgendwie ein Talent für den Bogen hatte. Auch positive Rückmeldungen von Trainern bestätigten mir, dass ich auf dem richtigen Weg war. War der Weg des Bogens das, was ich schon so lange suchte?
Langsam merkte ich, dass der Bogen in mir eine Saite zum Klingen brachte, die ich so nie gehört hatte. Eine Entsprechung, die mir zeigte, ich bin auf dem richtigen Weg. Aber etwas fehlte immer noch. Zwar merkte ich, dass ich mit dem Bogen in der Hand und dem Pfeil auf der Sehen endlich im Hier und Jetzt war. Selbst bei einem guten Randori (freier Angriff) im Aikido war ich nicht so absolut da und mir bewusst, dass ich da war.
Durch die archaische Komponente der Jagd kam ich zusätzlich wieder in Kontakt mit dem Schamanismus. Mit Hilfe von wiederentdeckten einfachen Visualisierungs- und Meditationstechniken war es mir auf einmal möglich, einfacher mit meinem Krafttier zu kommunizieren. Es war fast so, als habe ich mich, durch die Beschäftigung mit dem Bogen mental meinen Wurzeln angenähert. Als wären meine Seele und mein Geist so näher an den spirituellen Bereich gerückt.
Seitdem habe ich das Gefühl, dass der Bogen, der Pfeil, die Sehne, das Ziel, mein Totem und ich eine Einheit bilden. Meine Konzentration auf jeden Pfeil ist größer geworden. Mit jedem Pfeil folge ich meinen Ahnen und bewege mich endlich mit ihnen synchron.
Das alles macht mich froh und glücklich! Welche einfache Basis das Leben doch haben kann. Fernab von allen Ablenkungen der modernen Welt, entschleunigt mich das Bogenschiessen enorm. Hier erkenne ich dann auch, dass ich mit der Entscheidung im Minimalismus meinen Besitz zu reduzieren, richtig liege.
Die Frage ist hier nun, wie die Zukunft aussehen wird. Welcher Weg wird sich mir öffnen? Aber so wichtig ist gerade das doch wieder nicht. Denn eigentlich ist es nur der Bogen, der Pfeil, die Sehne und das Ziel. Ich werde eins mit ihnen und wenn ich treffe ist es der totale Moment.