Das Lied der Krähen von Leigh Bardugo

Von Paperdreams @xGoldmarie

Ketterdam - pulsierende Hafenstadt, Handelsmetropole, Tummelplatz zwielichtiger Gestalten: Hier hat sich Kaz Brekker zur gerissenen und skrupellosen rechten Hand eines Bandenchefs hochgearbeitet. Als er eines Tages ein Jobangebot erhält, das ihm unermesslichen Reichtum bescheren würde, weiß Kaz zwei Dinge: Erstens wird dieses Geld den Tod seines Bruders rächen. Zweitens kann er den Job unmöglich allein erledigen ... Mit fünf Gefährten, die höchst unterschiedliche Motive antreiben, macht Kaz sich auf in den Norden, um einen gefährlichen Magier aus dem bestgesicherten Gefängnis der Welt zu befreien. Die sechs Krähen sind professionell, clever, und Kaz fühlt sich jeder Herausforderung gewachsen - außer in Gegenwart der schönen Inej ...

OCEAN'S ELEVEN TRIFFT AUF CHARAKTERSTARKE HIGH FANTASY

Müsste man "Das Lied der Krähen" kurz und knackig zusammenfassen, würde es das oberflächlich erst einmal ganz gut treffen. Doch hinter einem großen Coup und dieser mit allen Wassern gewaschenen Diebesbande gibt es noch so viel mehr zu entdecken: eine düstere und dichte Atmosphäre beispielsweise, die sich bis zum Ende durch die komplette Geschichte zieht und den Leser um den Finger zu wickeln weiß. Ein faszinierendes, schillerndes und facettenreiches Szenario voller Vielfalt und Dreidimensionalität. Eine multiperspektivische Erzählweise, die den verschiedenen (und allesamt genialen) Figuren jeweils ihre eigene Hintergrundgeschichte zugesteht, die sich letztlich perfekt in das Gesamtbild integriert. Und natürlich einen spannenden und rasanten Plot, der auf unaufgeregte und ruhige Art, von einem fesselnden und wunderschönen Schreibstil abgerundet, das ergibt, was sich mein Leserherz die ganze Zeit gewünscht hat: geniale, spannende, atmosphärisch dichte All-Age High Fantasy, in dem beliebten Grischa-Szenario mit faszinierenden Charakteren.

Dabei beginnt "Das Lied der Krähen" durchaus erst einmal undurchsichtig und verworren - die vielen unterschiedlichen Perspektiven und Situationen, Verbindungen und Beziehungen müssen vom Leser zunächst verstanden und erfasst werden, bevor man das Buch komplett genießen kann. Der komplexe Schreibstil verschafft da aber definitiv Abhilfe, ebenso wie das tolle Setting, das Leigh Bardugo liefert und auf eine so faszinierende Art und Weise beschreibt, das man sich stetig fühlt, als wäre man selbst dort. Auch wenn "Das Lied der Krähen" unabhängig von der Grischa-Trilogie gelesen werden kann, empfehlen sich Vorkenntnisse an dieser Stelle sicherlich, da man viele Zusammenhänge erkennen kann, die dem Buch noch mehr Atmosphäre verschaffen (auch wenn es die garantiert nicht mehr nötig gehabt hätte!). Positiv anzumerken sind zudem die beiden Karten, die sich im Buch befinden und Bardugos Beschreibungen noch einmal plastischer machen können.

FÜNF PERSPEKTIVEN - FÜNF FASZINIERENDE GESCHICHTEN

Mit fünf verschiedenen Perspektiven erhält man in "Das Lied der Krähen" nicht nur viele unterschiedliche Sichtweisen, die gleichzeitig die verschiedensten Szenarien beschreiben können, sondern auch fünf individuelle Geschichten, die sich um die jeweilige Figur schlängeln und deren Charakter und Handlungsmotivationen zu erklären vermögen. Heimlicher Protagonist scheint in diesem Fall Kaz Brekker zu sein, der durch seine Vergangenheit in eine der Straßengangs von Ketterdam geraten und dort zu einem der gefürchtetsten Verbrecher der Stadt geworden ist. Um einen wichtigen Mann aus dem Hochsicherheitsgefängnis, dem Eistribunal, zu entführen, schart er eine Crew um sich - natürlich bestehend aus den anderen Protagonisten (Inej, Wylan, Jesper, Nina und Matthias), mit denen wir es in "Das Lied der Krähen" zu tun haben. Besonders hat es mir dabei die Geschichte von Nina und Matthias angetan (und vor allen Dingen Nina selbst!). Da es hier keinen wirklichen Protagonisten gibt (es sei denn man sieht Kaz, der sich als Anführer der Bande entpuppt eben als solchen), kann der Leser ganz für sich entscheiden, wen er am liebsten mag und welche Perspektiven er am liebsten verfolgt. Ich kann garantieren: jede für sich ist faszinierend und durchweg spannend!

Der Plot bewegt sich auf einer konstant hohen Spannung, die sich mit vielen Überraschungen und Wendungen immer wieder von einer anderen Seite zeigt. Den Figuren werden allerhand Stolpersteine in den Weg gelegt, sodass es immer wieder zu scheinbar ausweglosen und nervenaufreibenden Szenarien kommt. Dabei gibt es auch bei den Figuren untereinander allerhand Reibungspunkte, die nicht nur grandiose Dialoge voller Witz und Intensität zur Folge haben, sondern viel Dynamik und Bewegung in die Geschichte bringt. "Das Lied der Krähen" ist der ganz besondere Auftakt zu einer fesselnden Dilogie, die ich jedem ans Herz legen kann, der gerne komplexe, spannende und unterhaltsame High Fantasy liest. Jeder, der die Grischa-Trilogie mochte, wird "Das Lied der Krähen" garantiert lieben!